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Ausgabe:

1975

Spalte:

97-110

Autor/Hrsg.:

Bethge, Hans-Gebhard

Titel/Untertitel:

"Zweiter Logos des großen Seth" 1975

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 2

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sie Charismatiker waren. Da sie nicht vom Auferstandenen
berufen waren, waren es auch keine Apostel. — Von
Apollos, dem alexandrinischen Pneumatiker, ist kein
Amtstitel überliefert, und wir können nicht entscheiden,
ob er als Prophet, Evangelist oder Lehrer einzuordnen
ist.

Die Ableitung des Amtstitels der Bischöfe ist nicht bekannt
. Apostelgeschichte (1,20) und 1 Clem (42,5) tun sich
•"echt schwer, die alttestamentliche Begründung für das
Bischofsamt anzugeben. Das ist um so merkwürdiger,
als paqad- cmowontoi im Alten Testament recht häufig vorkommt
; episkopos-paqud ist seltener, doch längst nicht
so rar wie schaluach-apostolos. Da nun eine Ableitung
von episkopeo als einem Ausdruck für die göttliche Aufsicht
und Heimsuchung ihre Schwierigkeiten hat, könnte
es sein, daß das Wort in einer andern Bedeutung zur
Ableitung des Bischofstitels diente. Ähnlich wie scha-
lach-apostello kann es auch „beauftragen" heißen. Wenn
nun der Ausdruck schaluach-apostolos in der Bedeutung

„Beauftragter" für die Apostel reserviert war, um ihre
unmittelbare Ermächtigung durch Gott zu bezeichnen,
so ist es möglich, daß der Wirtschaftsbeamte daneben
zwar ebenfalls „Beauftragter" hieß, daß er aber, um ihn
vom Apostel zu unterscheiden, paqud-episkopos genannt
wurde. Die Sicherheit, mit der die Apostelgeschichte die
SianovCa toü iyov und die 6uxhovCo xlv tpanc^üv (6,2) nebeneinander
stellt und mit der sie das emoHonei:« auf das
siowoveiv Tpcm«Cois bezieht, könnte jedenfalls für diese
Ableitung sprechen. Zumindest hat sie der Verfasser der
Apostelgeschichte ins Auge gefaßt. Dann wären Aposto-
los und Episkopos von der Wortbedeutung her nichts anderes
als zwei „Beauftragte", deren Beauftragung durch
zwei verschiedene, aber beide alttestamentliche Verben
ausgedrückt wurde.

1 Vortrag auf der nordischen Theologentagung in Ratzeburg im
August 1974.

„Zweiter Logos des großen Seth"

Die zweite Schrift aus Nag-Hammadi-Codex VII

y Eingeleitet und übersetzt vom Berliner Arbeitskreis für koptisch-gnostische Schriften*

Die zweite Schrift des NHC VII (p. 49,10-70,12; Titel ab- schnitt weist enge Beziehungen zu Gedanken auf, die

Sekürzt 2LogSeth), die seit der Faksimile-Edition** der z. B. für Basilides (Irenaeus, adv. haer. 1,24) bezeugt sind,

'ssenschaftlichen Aufarbeitung zur Verfügung steht, ist insbesondere das Motiv des Verlachens (vgl. dazu auch

L;ne christlich-gnostische Schrift, die im wesentlichen aus ApcPt [NHC VII,3] p. 81,7-24) und die Kreuzigung nicht

einer Offenbarung des erhöhten Christus besteht, wobei Jesu, sondern des Simon von Kyrene (von daher ist wohl

d°er Christus letztlich wohl als eine Gestalt des himmli- die Bezeichnung „ihr Vater" [p. 56,6f.] zu verstehen, d. h.,

^nen Seth verstanden ist. Gerahmt ist 2LogSeth als ein es handelt sich wohl um den Vater des Alexander und

ialog dieses gnostischen Christus mit den Seinen, bei Rufus [vgl. Mk 15,21]; die genannte Bezeichnung kann

m allerdings der andere Part kaum zu Wort kommt. man kaum im Sinne von „Vater der Archonten" verste-

le Offenbarung, in der es hauptsächlich darum geht, wie hen).

zur Erlösung kam, ergeht an ein auf Zeit, Ort und Noch bedeutender dürfte das Stück p. 62,27-65,2 sein.

e'se nicht näher festgelegtes Gegenüber von Erlösten Es handelt sich um eine litaneiartige gnostische Perhor-

d noch zu Erlösenden). reszierung wichtiger Höhepunkte der Heilsgeschichte,

ei fr Rr'ecnische Untertitel der Schrift steht insofern in deren für Juden wie für Christen wichtige Hauptperso-

seth' e.ewissen Spannung zum Inhalt, als von typisch nen hier im gnostischen Sinn total umbewertet erscheinen

dCr 'aniscnen Sachverhalten, wie wir sie aus Schriften (Adam, Abraham, Isaak, Jakob, David, Salomo, die zwölf

s Setn'anischen Gnosis (AJ, HA, ÄgEv, ApcAd, Stel Propheten, Mose und schließlich der Gott des AT selbst),

kü • ' ^ostr> Melch OdNor, Allogenes, Protennoia [Ab- Merkwürdig ist dabei die Reihenfolge, die der des AT

(ed^UneCn h'er uncl im lolßenden nacn K- w- Tröger nicht entspricht. Die hier angegriffene Lehre, deren

°dei nosis und Neues Testament, Berlin 1973]) kennen, Hauptproblem die Unterscheidung zwischen Rein und

fted i°n der Person des Seth speziell an keiner Stelle die Unrein ist — offenbar das jüdische Gesetz —, ist von

e lst- Uberhaupt ist 2LogSeth in keines der uns be- Engeln gegeben; dies erinnert in bestimmter Weise an

Sein en gnostischen Systeme einzuordnen und bietet manche Aussagen des Gal und Kol. Wir haben es bei die-

te .erse'ts kein ausgeprägtes eigenes System. Man könn- ser Partie unserer Schrift möglicherweise mit einer Bear-

wa,'e Schrift eher als ein Kompendium oder eine Aus- beitung eines ursprünglich selbständigen Stückes zu tun,

ist offWlcnl'ger gnostischer Gedanken bezeichnen. Dabei das vom Verfasser des 2LogSeth oder der ihm vorliegen-

hym • nbar verscniedenes Material verarbeitet, u. a. auch den Tradition sekundär erweitert worden ist. Antijüdi-

Sam nisc"e Stücke. Mit diesem Sachverhalt könnte es zu- sehe Polemik vieler Gnostiker war bereits aus den Wer-

hine"lennäneen, daß eine Einheit der Situation, in die ken der Kirchenväter bekannt, und auch einige der Nag-

ist " die Worte gesprochen werden, oft nicht gegeben Hammadi-Texte haben mehr oder weniger starke anti-

dje g cia'3 der Stil öfter wechselt. 2LogSeth bietet weder jüdische Tendenzen (z. B. AJ, EvThom, EvPhil, HA, UW,

eine "tlult<Jng eines Systems der Welt des Pieromas noch 2ApcJac, ApcAd, ParSem). Die Prägnanz, Schärfe und

;>us mo8°nie, sondern setzt dies und anderes vor- Geschlossenheit dieser Partie unserer Schrift bestätigt

D'seh Viun Scnwei'Punkte gnostischen Denkens und ty- den bereits bekannten Sachverhalt höchst eindrücklich.

Merk* tive <z- B- Vergessenheit und Unwissenheit als Die unserer Schrift innewohnende antijüdische Ten-

ües t rn,al° der unteren Welt [p. 58,28-59,9], Bezeichnung denz muß aber nicht zu dem Schluß führen, daß hier

&f nüb als Grab Iebenda], Freiheit der Gnostiker ge- auch in actu noch jüdische Theologie bekämpft wird. Mit

tunK r^r den D'nRen dieser Welt als ethische Grundhai- weit größerer Wahrscheinlichkeit kann man annehmen,

Z 01.7-H]) dargeboten werden. daß 2LogSeth vor allem die damalige (Groß-)Kirche besondernrtien
unterstreichen diesen Sachverhalt in be- kämpfen will, die ja das AT als Heilige Schrift im GeKirch
er ..Weise- So erscheint der aus den Werken der brauch hat und sich nicht nur in der Optik mancher Gno-
rnen u"nriater bereits <als bei einigen gnostischen Syste- stiker nicht wesentlich vom Judentum unterscheidet. Die
des ehr" » Vertretern vorliegend) bekannte Sachverhalt Berechtigung zu dieser Annahme ergibt sich daraus, daß
•sisch" lol°ßisfhen Doketismus hier in einer fast „klas- in unserer Schrift zum Ausdruck kommt, daß die Gnosti-
•u nennenden Version (p. 55,9-56,20). Dieser Ab- ker offenbar von Heiden und Christen gehaßt werden.