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Ausgabe:

1975

Spalte:

76-78

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Auferstehung heute gesagt 1975

Rezensent:

Blauert, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 1

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gezwungen, zu warten, bis man in Teil B entsprechende
Antworten auf Fragen dieser Art bekommt.

K. stellt in den Mittelpunkt seiner Interpretation
llarnackschen Denkens die Doppelthese: H. hat sieh
zuerst und zuletzt als Theologe; verstanden, und das
Zentrum seines Glaubens ist sein Jesuanismus. Ks wird
aulgezeigt, daß und wie H. als Theologe, der Kirchen-
liistorie verpflichtet ist und bleibt. z.B. wenn H. behauptet
, daß das Heil lediglieh ein geschichtliches sein
könne. Jede dogmatische Festlegung wird von H.
leidenschaftlich bekämpft, wenn sie für ihn - wie die
Zweinaturenlehre - ein sacrificium intellectus bedeutet.
Jede unter der Vorherrschaft der Philosophie konstruierte
Ontologie wird abgelehnt, und die Christologie seiner
Zeit steht für H. unter dem Verdikt, eine solche Ontologie
zu sein. Soteriologie in der Form eines ausgeprägten
Jesuanismus, der jede Art von Doketismus ausschließt,
ist für H. einer Kirche der Mündigen, die wissen, was sie
glauben, das allein Angemessene. Der wirkliche Christus,
die konkrete Persönlichkeit Jesus, der geschichtliche
Christus wird von H. gegen drei Irrlehren verteidigt:
1. gegen die Schwarmgeisterei, die aus innerer Erfahrung
schöpfen will, 2. gegen den Katholizismus, der sich
auf die Autorität der Kirche stützt, und 3. gegen spekulative
Religionsphilosophie, in der man die Idee der
Gottmensohheit konstruiert habe. K. geht nun dei
Frage nach, ob H. mit solchen Feststellungen nicht der
Gefahr einer Lessingschen Alternative von zufälligen
Geschichtswahrheiten und notwendigen Vernunftwahr-
heiten nahekomme. Er meint feststellen zu können, dal.!
H. sich davor bewahre, in diese Sackgasse zu geraten,
dadurch, daß die Persönlichkeit eine so zentrale Rolle
in seinem Denken spiele. Daneben tritt als wichtiges
Element eine Arkandisziplin, in die der Begriff des „Geheimnisses
" (z.B. der Person Jesu Christi) einzuordnen
ist.

In einem ausführlichen zweiten Kapitel wird der
üeligionsbegriff, in einem kurzen dritten die Ekklesio-
logie H.s abgehandelt, um mit einem vierten Kapitel die
Darstellung des Denkens H.s auf den Gebieten der Welt-
anschauung und der politischen Ethik zum Abschluß zu
bringen. Damit gewinnt K. die entscheidenden Kategorien
, in denen H.s Einfluß auf Bonhoeffer besonders
deutlich zum Ausdruck kommt. Begriffe wie Entkleri-
kalisierung und Mündigkeit der Welt, die Konzeption
eines ,,Real-Idealismus", die eben erwähnte Arkandisziplin
, das Verständnis von Gesetz und Evangelium
u.a.m. werden erörtert und in ihren jeweiligen Zusammenhängen
untersucht. Die schärfste Kritik übt K. an
der Pneumatologie H.s, gipfelnd in dem Schlußsatz des
Kapitels ,,Der ,Geist' bei Harnack": „Bei Adolf von
Harnack hat sich faktisch dessen Idealismus an die Stelle
des dritten Artikels geschoben" (S.65).

Abschnitt C „Das Erbe Harnacks in der Theologie
Dietrich Bonhoeffers" behandelt Bonhoeffers Beziehungen
zu Harnack im ersten Kapitel unter biographischen,
im zweiten unter systematischen Gesichtspunkten.
Unter dem starken Einfluß der Persönlichkeit und auch
der Theologie H.s stehend, hat sich B. erst durch die
Begegnung mit Karl Barths Schriften zu einer Auseinandersetzung
mit dem Denken seines Lehrers gezwungen
gesehen. Als ein „Unterstrom", wie K. es
nennt, ist das Erbe H.s dennoch in der Theologie und
häufig auch in den Ansätzen des Denkens B.s immer zu
erkennen geblieben. Das wird für die Zeit in Barcelona
und in Amerika mit einer Reihe von Zitaten aus Briefen,
Predigten und Vorträgen belegt, aber auch für die
Arbeit im Finkenwalder Seminar und für die letzten
Jahre in der Haft herausgearbeitet. K. versucht das auf
verschiedenen Gebieten der Theologie bei B. nachzuweisen
. Wenn z.B. B. in der Christologie-Vorlesung 1933

der Adoptianismus eines Paul von Sainosata näherliegt
als der Doketismus, so ist das Erbe H.s deutlich herauszulesen
aus dessen Betonung der Menschheit Jesu und
aus der Bestimmtheit der ganzen Theologie H.s durch
den Jesuanisinus. Eine Stelle aus einem Brief an Bethge
vom 21.7.1944 ist für K.Beleg genug, um das Festhalten
B.s an diesem Erbe gerade für die letzte Zeit zu behaupten
, ja erst hier die daraus resultierenden theologischen
Konsequenzen zu finden.

Wie H. kennt auch B. nur eine Wirklichkeit der Welt,
nur einen Geschichtsraum und nicht zwei Wirklichkeiten
. Im Unterschied zu H. aber steht für B. in dieser
von der Offenbarung Gottes in Christus abhängigen
Wirklichkeit das Kreuz in der Mitte der Welt, und der
Weg zu einer theologia crucis wird immer klarer. Der
gekreuzigte Christus schützt und rechtfertigt die ins
Leiden geführten Menschen, die für Recht, Gerechtigkeit
und das Gute einstehen. Die Zusammenstellung von
Christus und den Guten hat nun wieder gewisse Parallelen
bei H., ebenso wie die Wertschätzung der Ant ike und
des hellenistischen Erbes.

Die stärkste Linie der Gemeinsamkeit zwischen Lehrer
und Schüler ist vielleicht in der beiden gemeinsamen
optimistischen Weltanschauung zu sehen und damit im
Zusammenhang stehend die Betonung von Tun und
Handeln in dieser Welt. Alle ethischen Fragen, die B.
stellt, alle Gebiete, die er in der Ethik behandelt oder
auch nur berührt, lassen Harnacksche Intensität erkennen
, den Christen auf sein Handeln anzusprechen
und selber handelnd seine Verantwortung im Geistesleben
und im politischen Geschehen wahrzunehmen.
Stichworte wie Antiklerikalismus und Mündigkeit der
Welt wurden schon erwähnt. Die - in der Interpretat hm
Bonhoefferseher Aussagen und Andeutungen doch wohl
reichlieh überstrapazierten - Begriffe einer nicht-religiösen
Interpretation und der Arkandisziplin können
als Weiterarbeit an dem verstanden werden, was bei H.
als antiklerikale Tendenz und als Redlichkeit in Bekenntnisfragen
vorhanden ist.

Man kann der ein wenig einseitigen Pointierung K.s
am Schluß (S.147) zustimmen: „Während also Harnack
die Religion mit ihren Werten vor Profanierung schlitzen
will, ist Bonhoeffer (in genauer Umkehrung) daran
gelegen, die Profanität vor Religionisierung zu bewahren
/'

Btflla ft0»ln>i| Becker

Auferstehung heute gesagt. Osterpred igten der Gegenwart.
Gütersloh: GAtenloher Verlagshaus G.Mohn [1970]. 184 S.
8°. Kart. DM 9,80.

Die Herausgabe dieser 32 Osterprcdigten ist - wie
wiederholt in der ThLZ bei den Sammlungen von „Predigten
der Gegenwart" angemerkt - ein verdienstvolles
Bemühen des Verlages. Leider wird nirgends dargelegt,
welche Gesichtspunkte für die Auswahl der Beiträge
maßgebend waren. So bleibt man auf die Auskunft des
Klappentextes angewiesen, der die Sammlung als
..Arbeitshilfe wie Andachtsbuch wie Dokument zeitgenössischer
Theologie" empfiehlt und als gemeinsamen
Nenner der Auswahl angibt: „Hier wird ehrlich gefragt,
und Wege zu neuem Verstehen, Glauben und Bandeln
werden gesucht und gewiesen". Also sind engagierte
Predigthörer und Prediger die Adressaten. Die Autoren
sind etwa zur Hälfte Gemeindepfarrer, zur anderen
Hälfte in irgendeinem Lehramt stehende Theologen,
i- Eine derart breite und allgemeine Zielsetzung, angegangen
von einer großen Zahl von Autoren, läßt keine
Einzelvorstellung der Beiträge zu. Die Sammlung insgesamt
will offenbar keine schnellen Lösungen der theo-