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Ausgabe:

1975

Spalte:

951-952

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Welker, Michael

Titel/Untertitel:

Der Vorgang Autonomie 1975

Rezensent:

Welker, Michael

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 12

952

zu konzipieren. Das Kloster Arendsee ist 1183 von Markgraf
Otlo I. von Brandenburg gegründet worden. Die Baugestalt
der bald darauf begonnenen Kloslerkirche wurde hestimmt
durch das Zusammenwirken eines bedeutenden Baumeistere
niii dem Bauherrn, der in diesem Werk sein uerrscherhehes
Selbstbewußtsein in der Sprache der Architektur ausdrücken
lassen wollte. Technik und Schmuckform des Backsteinbaus
wurden ans dem Jcrichowgehiet übernommen, die bestimmenden
Momente der Arendseer Architektur aber Stammen aus
sachsischer, cigenkirchlich geprägter Tradition. In wichtigen
Einzelzügcn zeigt sieh westfälischer und dänischer F.influB.
Haupt-Rezeptionsvorbilder waren das kaiserliche Altenburg
und der Lübecker Dom Heinrichs des Löwen, Die für die Konzeption
des ganzen Baus grundlegende erste Periode endete
vor 1208 mit der Weihe der Ostteile. Hm 1215 wurde nach
einer Planänderung im Arendseer Langhaus reformkirchlicher

Einfluß Jerichower Provenienz bestimmend, der besonders an
der Veränderung von Arkadenhöhe und Pfeilerstellung erkennbarist
. Nachdem in einem drillen Bauabschnitt Ouorsehill
und Langhaus cingewölbt und zugleich der Plan eines Turmbaus
endgültig aufgegeben worden waren, wurde der Bau
wahrscheinlich zwischen 1230 und Pi'iO vollendet. Die Architektur
der Arendseer Klosterkirche wirkte sich vor allem in
weiler entfernt liegenden Kunstlandschaftcn aus, im Norden
vor allem auf der Insel Rügen und den dänischen Inseln Lol-
land und Falster, im Süden in verschiedenen mittel- und
süddeutschen Werksteinbauten. Die besondere Bedeutung der
Arendseer Klosterkirche aber- liegt nicht in den durch sie ver-
mitlelten Einflußströmen, sondern in der Stellung, die sie
in der Frühzeit des norddeutschen Backsteinbaus einnimmt.
Die Übertragung der Ziegelhauweise von Oberitalien nach
Norddeutsehland seit der Mitte des 12. Jahrhunderts war nach
Ansicht des Autors eine echte Bezeption. Die ostdeutschen
Prämonslratenser wollten damit ihren Anspruch ausdrücken,
legitime Nachfolger der allen Kirche zu sein. Der Bezeption
durch reformkirchliche Kräfte folgte die Konterrezeption der
gleichen Bauweise durch weltliche Gewalten, zunächst durch
Kaiser Friedrich Babarossa, der dadurch seinen Bezug auf
durch Born und Bavenna repräsentierte imperiale Traditionen
demonstrieren wollte und dessen Beispiel alsbald von
Heinrich dem Löwen und anderen Fürsten nachgeahmt wurde
. In diese Beihc gehört auch unsere Klosterkirche, in der
jedoch weil stärker als in jenen Bauten die Traditionen eigenkirchlich
geprägter Architektur in den Backstcinbau integriert
wurden. Somit ist Arendsee ein besonders wichtiges Denkmal
der märkischen romanischen Ziegelbaukunst, deren Verdienst
es ist, wesentliche Elemente, der allen dcutsch-eigenkirchlichcn
Bauauffassung in die Entwicklung der folgenden Zeiten eingebracht
zu haben. Dazu gehört neben dem Moment der bipolaren
Spannung vor allem das Verständnis des Kultbaus als
eines Ortes, an dem auch gerade die Vitalgcmeinsrhaft Baum
findet vor GOTT.

Welker, Michael: Der Vorgang Autonomie. Philosophische
Beiträge zur Einsicht in theologischer Bezeption und Kritik
. Diss. Tübingen 1973. VI, 255 S.

Die Arbeit entwickelt einen Dialog mit der Philosophie,
der bislang vorausgesetzt, gefordert, aber nicht geführt wurde.

Das Wort „Autonomie" war für einen Sachverhalt gut. Am
Bande der Wissenschaft wurde er als Herausforderung der
Theologie aufgefaßt. Es findet sich zudem „die Autonomie"
als ein Gegenstand theologischen Denkens, der Begriff in der
Frage des Theologen. Den Baum der Theologie berühren damit
Verlangen und Behauptung, bald einer Einsieht, bald
ihrer historischen Wirksamkeit vornehmlich gellend.

Der — vermeinte — Gegenstand nötigt, die? Gedanken, die
sich auf ihn richten, zugleich sichtbar zu machen. An die
Stelle eines Vorganges, der philosophisches Denken in Bewegung
hielt, trat in der Bezeption ein in Anerkennung und
Bestreiten fixiertes Ergebnis. Dies aufzuweisen ist Anspruch
und Leistung der Arbeit.

Sie bringt eleu Vorgang Autonomie in vier philosophischen
Theoriebildiuigen vor Augen (Teil Ii A Das Faktum der Vernunft
/ Kant; B Kausalität des Vcrnunflwcsens / Fichte;
C Das Wesen der Freiheit / Schclling; I) Die Idee1 des freien
Willens / Hegel.

Eine Analyse der reifen Ethik Kants führt auf die: Apperzeptionslehre
zurück, über reflexives Leisten und „Nur-Ge-
dachles" hinausgehend, muß eine Triebkraft ausgewiesen sein.
Damit wird die Ebene bereitet, auf der die Beiträge zur Einsicht
systematisch zu entwickeln, Argumente vorzutragen und
einzubringen sind. Dennoch bleiben die Kapitel, auch in
Teil II, je in sich geschlossen, an den Texten, nicht an vorgegebenen
Interessen und Erwartungen meßbar. (Sie bieten

zugleich isolierbare Interpretationshilfen.)

In der Auseinandersetzung mit den philosophischen Denkern
sind Differenzen von Anspruch und Ausführung festgehalten
. Die systematische Kinheil, ein Wcehsclbezug von
stiftender und empfangender Aktivität, wird sichtbar. Dieser
ist nicht als ..Krgebnis" abzuheben; vielmehr erweist sich der
Vorgang als Mitte von Erfabrungsbegründung und lland-
lungslebre, einer Theorie des Selbstbewußtseins ohne Ergebnis
, einer Theorie der geistigen Well, schließlich einer Methode
, die Sehen und Konfigurieren — Bilden des Denkens
und Vorgehens der Zeit — vermittelt.

Teil II Untersucht zwei differente Weisen theologischer Bezeption
des Autonomiebegriffl (A Die Selbständigkeit des
Menschen / Gogarten; B Autonomie im Konflikt / Tillich
). Ihnen ist gemeinsam, daß der Gegenstand das Denken
überhaupt prägt. Die in Teil I geleistete Arbeit erlaubt
es, die in der Bezeption bewegenden Sachverhalte nüchtern
freizulegen. Die eingehende Untersuchung der Begriffe zeigt,
daß der Autonomiebegriff keineswegs einfach benutzt ist;
kaum thematisch gewordene Voraussetzungen werden mit
ihm eingebracht. Auf Konsequenzen für die Durchführung des
theologischen Programms ist hingewiesen.

Die Weise der Auseinandersetzung nötigt in einer systematisch
verfahrenden Arbeil zur Frage nach theologischer Legitimität
; ferner läßt sie eine überschaubare Zeichnung der Pro»
blemkonStellation wünschen.

Im Teil III wird das Verfahren selbst Gegenstand. Es
bleibt konsequent, bezieht sich aber auf theologische Kritik
der Bezeption (A Der wirkliche Mensch / zur Kritik Barths)
so, daß zugleich Berechtigung und Begrenzung des Vorgehens
sich abzeichnen.

Das letzte Kapitel (B Zum Vorgang Autonomie") zeigt die
Systematik der philosophischen Beiträge und verweist auf
die in der theologischen Bezeption bestimmende Beflexions-
problematik. Es läßt eine Bewegung von Phänomenen hervortreten
, die die Arbeit des Gedankens leitet, der Fixierung
aber noch stets sich entzog.

BERICHTE UND MITTEILUNGEN

Zur katholischen Pfingstbeweg ung

Von W. .1. HoBeS!Wäger, Birmingham

Die Pfingslbewegung war vor beinahe 70 Jahren als inner-
kirchliche Erwcckungsbcwegung entstanden. Obsehon sieh die
Pfingsller damals als ökumenische Krweckungsbewegiing innerhalb
der bestehenden Kirchen verstanden, organisierten
sie sich — von einigen Ausnahmen, vor allem in Frankreich
und Deutschland, abgesehen — zu mehreren größeren und
einer Unzahl kleinerer Freikirchen (sogenannte „historisch*
Pfingslbewegung").

Seil Mille der fünfziger Jahre wiederholte: sieh eine ähnliche
pfingsllichc l'.rweckung in den anglikanischen und protestantischen
Kirchen der Vereinigten Staaten und in Baptistenkir-
chen. Man nennt sie „Neo Pentecostals , „innerkirehlichc
Pfingslbewegung' oder „charismatische Bewegung in den Lan-
eleskirchen". Hasch breitete sieh eliese Frömmigkeit in den
historischen Kirchen beider Ame rikas und Europas aus (Ouel-
len dazu ausführlich bei I bdlenweger).