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1975

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Lindcniann, Walirr: Karl Barth tm<l die kritisch«: Srhriflaus-

lopunfj:. Hamburg-Bergstedt: Reich 1!)73. 102 S. gr. 8° —
Theologische Forschung. Wissenschaft I. Beiträge zur kirchlich
cvang. Lehre, hrsg. y, ll.-W. Bartsch, F. Huri, I). Geor-
gi. G. Harbsmcicr. .1. M. Pinlünsmi. K. Tlicmiis. K.Wegcn-
ast, UV, DM 10,-.

Das Duell ist die überarbeitete Kurin einer Marburger Dissertation
mit dein Thema „Die exegetischen Grundsätze des
jungen Karl Barth in Auseinandersetzung mit der historisch-
kritisch cn Exegese seiner /eil", l.indrinann befragt Barthl
theologische Kxegese bewußt in einer /.eil, wo sowohl das

Barthaohe Programm wie auch Bultmanns Verbindung von
historisch-kritischer und e.xistentialer Inlerprelation vor dem
Komm einer „empirisch-kritischen" Theologie nicht bestehen
sollen (S. 7). Sachlich und bündig skizziert Vf. zunächst
Barthl theologische Kntwieklung unter dem Gesichtspunkt
seiner Grundsätze der Sehriftausleguiig, dies im Kontext der
Vorgeschichte und der Auseinandersetzungen, in die Barth
mit seiner Sehriftausleguiig, insbesondere den beiden Kassun-
gen des .Bömcrbriefes', geriet. L zieht die Linien bis Kirch!.
Dogmatil 1.2. Der SchluBteil (S. 82-98) ist der Beurteilung
der Barthschen Auslegungsgrunds&tze gewidmet.

Vf. stellt würdigend fest, historisch-kritische Kxegese wie
syslemalische Theologie hätten sieb von Barth „darauf hinweisen
zu lassen, daß sie nicht Selbstzweck sind, sondern ausgerichtet
sein müssen auf die Verkündigung und die Praxis
christlichen Lebens, weil sich durt die Autorität des Wortes
GottM erweisen will" (S. 98). — Beherrschend ist in La Beurteilung
indes die Kritik: Barth habe zwar durch seine theologische
Kxegese ausdrücklich die historisch-kritische Methode
nicht verdrlngen wollen. Er habe deren positive Würdigung
aber desavouiert durch den „weitgehenden Verzicht auf eben
diese Methode in seinen eigenen Auslegungen" (S. 82). Habe
Barth seinen theologischen Impetus aus der „Krfahrung .. .
miii der Selbslauslegung der Bibel als Wort Gottes" (S. 8*2),
so ordne er die Kxegese doch eindeutig einem systemalisch-
theologischBn Grundkonzept unter (S. 84), meine er mit der
Kxegese, an der sich die Dogmatik auszurichten habe, grundsätzlich
„eine systemutiscli-lheologiscbe Kxegese" (S. 86,. eine
...Onlologie' der Offenbarung" (ib.). Dies bedeute, daß sieb
Barth hui' scheinbar dem Anspruch des Textes stelle, in Wirklichkeil
aber sich ihm durch sein System entziehe, dies zumindest
nicht weniger als Biiltmann auf seine Weise (S. 83,
85, 91). Das je Besondere der Bibel (etwa des Allen Tcstu-
Qtenta; S. 94f.), ihre Menschlichkeit (im Prinzip von Harth
dialektisch bejaht; S. 89), damit aber auch ihr Zielen in die
je besondere Situation des Hörers (S. 9(if.) würden unterschlagen
. Dies alles durch Harths Verkennen, daß die theologische
Kruge, „sich nur innerhalb der historischen Krage stellen
" läßt (S. 94).

Anerkennend ist herorzuheben, daß der Kritiker Linde-
niann nur selten Umsieht und Mnß verliert (wie etwa S. 87
Anin., wenn er von Barths „Benutzen der Historie als Steinbruch
systematischer Konstruktionen und Spekulationen"
■Bricht, oder wenn die historisch-kritische Kxegese gegenüber
Barth al s Saohwaltarin des Anspruchs der Texte er-
•Chaint; vgl. S. 85). Vf. weiß auch Barths „Inkonsequenz" zu
(oben, daß er nls Prediger vor Gefangenen diese doch „an
larem Ort abholt, um ihnen das Kvangeliuin zuzusprechen"
(S. 97).

Mit dem Urleil der Inkonsequenz konnte einer freilich das
•igene Barth-Bild mehr treffen als Barth selbst. Ks scheint
ftar ein .ichndcn der Untersuchung La zu sein, daß sie über
'b'r Erörterung der dogmatischen Auslcgungsgrunds.it/e
Barths dessen Auslegungen innerhalb der späteren Kirchl.
Dogmatil! wie deren Stellenwert in der Dogmatik nicht mit

den Blick nimmt. L. hätte im andern Kall kaum su ungebrochen
von der BartscJieii Vorrangstellung der systemati-
"«•lien Theologie oder gar Onlologie vor der Kxegese sprechen
■fallen. (Vgl., stärker als dies bei L geschehen. W. Schlidi-

'•»k, Biblisch« beakform in der Dogmatik. Zuriet 1971, und

Smend, NncJikritischc Scbrifliiiisleguiig; in: l'arrhesia. K;.rl
"««h zum 80. Geburtstag. Zürich 1968, S. 2l5ff.) Wohl hätte

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mehr historisch-kritische Arbeit Barths Dogmatik durchaus
befruchten können. Die Offenbarung kann oder sollte stärker
in das Historische eingebunden gesehen «erden, als dies bei
Barth geschieht, so daß in der Tat mehr Beachtung der „historischen
Differenzierungen" (S. 87) der Dogmatik zugute käme
(vgl. Smend a. a. 0. S. 228, 229). Man sollte aber nicht formulieren
, die theologische Krage werde sich „nur innerhalb der
historischeil Krage stellen lassen" (S. 94). Denn das „nur innerhalb
" signalisiert die Dominanz, gegen die Barth anzutreten
halle. L vermag auch nicht zu zeigen, daß es bisher
die Historisch-Kritischen, eher als Barth, gewesen seien,
„welche den Autor zunächst so reden (ließen), wie er verstanden
sein möchte" (S. 88 Anm.). welche die Texte mit dem
„von ihnen bezeugten Anspruch im Gegenüber zu unseren
Gedanken' hörbar gemacht haben (S. 85). Ein Historiker und
Exeget wie B. Smend hat mit guten Gründen das Gegenteil
behauptet (u.a.O. S. 215). Barth ordnet weniger die Systematik
der Kxegese vor als das ukouein dem krincin. Kr bat
aber zugleich stärker Ausschau gehalten nach den historisch-
kritischen Fadiexegeten, deren Arbeit theologisch relevant
sei bzw. werde, als L. das zu sehen scheint. Harth hat dabei

teils durchaus Förderung seiner exegetischen und systematischen
Arbeit erfahren und leils nicht. Ein Paktor, der hier
a Ii c h in Rechnung zu stellen ist, ist der praktische der Zeit,
der Kraft, des eigenen Talents und Auftrags: Harth ist nicht
als prinzipieller Verächter der bistoriirh-kritischen Arbeit zu
sehen, weder der ganze noch der halbe Barth. Oh er aber
alles in allen] seine Talente besser genutzt hülle, wenn e r
mehr dort investiert hätte?

L stellt sein Harth-Verständnis stark auf die „Erfahrung
des jungen Barth von der Selbslauslegung der Bibel als Wort
Gottes" (S. 82). Er wei let damit den Begriff .Krfahrung' für
Harth höher, als dieser das selbst getan hat. Wenn man es
so häli — und es gibt Gründe dafür —, dann aber mit der
Konsequenz, daß man sich Harth mit seiner Erfahrung und
seinen daraus resultierenden Prinzipien als Zeugen gefallen
lätlt. ihn aber nicht gesetzlich versteht. Der Krfahrung
entspricht nicht das Gesetz. Barth ist. auch mit seiner Kirchl.
Dogmatik, viel zu freiheitlich gewesen, als daß er sich jemandem
als Komplex hätte auferlegen mögen. Ks paßt nicht zu
dem Basler Lehrer, wenn L. (konstruierend) behauptet, daß
für Barth nur systematisch-theologische Kxegese gelle (S. 86),
ja daß Barth Kxegcten nur mit seiner biblisch-theologischen
Ontotogie1 an den Text heranlassen wolle (S. 91).
Kr verkennt damit Barth als Hürer wie Barth in seiner Demut
als Zeuge. Der Basier Theologe hat sich selber nicht blutig-
ernst genommen, aber ihm ist ganz ernst gewesen mit der

Frohen Botschaft, die er hörte. Dementsprechend will er sich

seinen Lesern nicht von fern als Hydra imponieren, aber als
Ilöier und Ansager der .großen Freude*. Wo andere exegetische
Methoden als die seinen den Logos besser zur Sprache
bringen, wäre auf Harths Mitfreude zu zählen.

Sdii>llcr/Vup|ii rl.il Jürgen Fangini-irr

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Theologische Literaturzeitiiiig 100. Jahrgang 1975 Nr. 12