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Ausgabe:

1975

Spalte:

921-923

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Büsser, Fritz

Titel/Untertitel:

Huldrych Zwingli 1975

Rezensent:

Rogge, Joachim

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'1'licologisclic Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 12

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Selbstverstandnisses der frühreformatorischen Freunde Luthers
. ..um dann Thomas Müntzer nicht isoliert, sondern im

Zusammenhang mit diesem Personen kreis ... zu betrachten".

I(ermann Sehl) tcr, Malmö, schreibt über „Die Bedeutung
der Hoslocker Reformation für die Reformation in Malmö" in
Anlehnung an eine (inst Vorlesung in Rostock. Kr zeichnet die
Vorgeschichte der Reformation in dein damals dünischen
Schonen als von lühelhumanismus und Reformkatholizismus,
also nicht von Luther her geprägt. Dazu kam später der Kin-
lluß aus Norddculschlnnd, so dal! die l'eformation in Hoslock
(las Muster für die Deformation in Malmö und damit in ganz
Schonen wurde. Das spiegelt sich in der Gottesdienstreform
und in den ihr zugrunde liegenden Drucken gotlesdienst-

lieher Literatur.

Offensichtlich die Übersetzung eines ursprünglich 1970 polnisch
verfaßten Aufsatzes stellt der Heilrag von Oskar Bartel
(lur: „Der Konsensus Seudomiriensis vom Jahre 1570 im
Lichte der ökumenischer Bestrebungen in Polen und Litauen
im 1(1.. 17. oocl 18. Jahrhundert". Der Beitrag durfte eine dei

letzten Publikationen des inzwischen verstorbenen Warschauer
Kirchenhistorikers sein. Kr befaSt sich mit der Wir-
kungsgeschichle des im April 1570 zustande gekommenen
konfessionellen Vergleichs und der zugehörigen Konfession,
die B. mit den Stichworlen „Irenismus. Universalismus und
Patriotismus" kennzeichnet. Die Darstellung läßt immer wieder
deutlich die Unscharfen im Verständnis des Consensus
durchblicken, durch die er von Anfang an belastet war und
deinetwegen seine Wirkuugsgeschiehte zunächst bereits 1595
praktisch beendet war. Lediglich die Erinnerung an ihn lebte
weiter und trug bis ins 19. Jh. hinein kleine Früchte. Voll
verwirklicht Badet B. die Idee des Consensus erst seit der
Zeit nach 1944. — Als Ergänzung zur Quellengrundlage de«
Aufsatzes wäre inzwischen zu nennen: Akla synodöw rözno-
wicrezych w I'olsce (Aela Synodalia Kcclcsiarum Poloniae
Reformatarum), Bd. 2: 1560-1570, Warszawn 1972.

Unter der Krage: „Wie kann es mit der .Weimarana' weitergehen
?" entwickelt Ei. Jnnghans den Plan, nach den Frfehrungen
seil Beginn der Hevisionsarbeilen an der WA die
Veröffentlichung der Hevisinnsnnchträge durch ein ..Archiv
zur WA" in Verbindung mit der Veröffentlichung von „Hilfs-
büchern zur WA" zu ersetzen und daneben zügig mit der
Neuauflage zu beginnen. Kr macht für diesen Plan auch konkrete
inhaltliche Vorschläge.

Kür die Luthcrbiblingraphie wurden — nach dem Vorwort
— neue Mitarbeiter aus sieben Sprachräumen bzw. Ländern
gewonnen. So kann damit gerechnet werden, das diese-
«ichtige Korschungsinstrument noch vollständiger als bisher
zur Verfügung steht. Die Lulherforschung hat immer von
neuem Grund, den dafür tätigen Mitarbeitern dankbar zu
sein.

"IlWISlit Ern,t Kod'

BiiNscr. FriUi lliihlrych /.wingli. Heformalion als prophetischer
Aullrag. Oöttingen- Zürich-FfMlkfurl/M.! Mustir-
schmidt [1973], 110 S., 8 Tat. kl. 8° = Persönlichkeit und
Geschichte, hrsg. v. G. Franz, 74/75. Kart. DM 7,80.

biographische Überblicke für die großen Gestalten der Re-
'"rniiiiuinsgeschichte werden in Anbetracht der durch che Fälschung
der letzten Jahrzehnte aufgezeigten Probleme immer
Jjhwieriger, I leknunllich ist die Zurückhaltung in diesem
•'unkt gegenüber der l.uthcrdarslelhnig groll. Kritz Hüs-cr.
*•* buchstäblich im Zentrum der zwinglischen Wirkungsstätte
fiirschl und arbeitet, hat es nach einschlägigen eigenen
"■"1 Schülorvorarbcilen (s. z. B. ThLZ 95, 1970 Sp. 443-'.'..Y
l*^agt, das falten und das Ix benswcrk des großen Initiators
deutschsebweizer Heformalion nachzuzeichnen.

'Jas Buch ist ganz offensielitlich im Kähmen der Reihe, m
'W es erscheint, für breitere Kreise geschrieben. Ks faßt viele
''"'"•»chiiiigsergebnisse de r letzten Zeil in ansprechender Weise
*>ttiniMn, Anlage und Diklion dürfen als gelangen bezeichnet
werden. Die Verarbeitung, ja häufig auch Zitation di r
Quellen (in deutscher Übertragung) sind dem Vf. selbstverständlich
. iVur der in gleicher Sache arbeitende Fachmann
wird es vermissen, daß das Aufsuchen des Kontextes für
manche treffenden Zwinglizitate nicht ohne weiteres möglich
ist, weil sie ausnahmslos ohne Fundortangabc erscheinen.

Hilter beschreibt /.wingli dem Selbstverstfindnis des Reformators
entsprechend als Prophet bzw. „aus dem Blickwinkel
.. .seines prophetischen Auftrags" (S. 8). Solche Ansätze
sind nicht neu; das Element des Prophetischen ist vielfältig
auch mit dem Lebenswerk Luthers verbunden worden (z. B.
miii I Inns Preuß: Martin Luther. Der Prophet. Gütersloh
1933). Es komm) alles darauf an, für den einzelnen Reformator
die Kriterien des Prophetischen spezifisch herauszustellen
. Und diesem wende! sieh üiisser allerdings ausführlich
zu. Kr bezeichnet Zwingli als „Künder von Gottes Willen"
(a.a.O.) und gibt ihm definierend selbst das Wort: „Prophezeien
heißt Lehren, Mahnen, Trösten, der Sünde überführen,
Schelten I"

Der Vf. untergliedert dreifach. Ein erstes Kapitel beschreibt
die Entwicklung zum Reformator bis zur ersten Zürcher Disputation
iin Jahre 1523 (S. 9—37), ein zweites ist mehr thematisch
zen liert und untersucht Zwingli als Prediger, Exege-
ten und Theologen (S. 37—69), ein drittes schließlich wendet
sich dein Spezi fikum der zwinglischen Lebensarbeit zu. nämlich
der Reformation von „Kirche und Gesellschaft". Kür das
letzte Kapitel (8.70—114), das die Gegenwartsbedeutung des

Reformators aus dem 16. Jahrhundert besonders deutlich herausarbeitet
, kann sich Büsser auf eine große Zahl von Vorarbeiten
der letzten Jahre stützen, die den Gesellschaftsbezug
der Zürcher Reformation zu Recht betonen (s. z. Ii. ThLZ 96,
1971 Sp. 766—768). U. a. hat Arthur Bich hierzu bereits
(grundlegendes publiziert.

Butten kleine Biographie stellt den Reformator ganz, in
seine Zeit und sucht ihn aus ihr und ihren Gegebenheiten zu
verstehen. Das Lebensbild vermeidet ebenso heldische Idealisierung
wie konturenarme Relativierung — und korrigiert
dadurch glücklicherweise in etwa auch die Devisenangabe für
die Reihe', in der das Buch erscheint. („Stets waren es einzelne
Persönlichkeiten, die das Schicksal der Völker bestimmten
und die großen Zäsuren im Ablauf de r Weltgeschichte setzten
.")

Die Darstellung folgt zunächst chronologisch den Stalio-
nen des Lebens Zwingiis. Seine Herkunft aus den bäuerischen
Verhältnissen des obersten Toggenburg, seine bleibende Ein-
gebundenheit in Land und Geschichte (sehr wesentlich zum
Verständnis seiner Schriften!), seine humanistischen Bil-
dungswege in Wien und Hasel, die Pfarramtsführung in Glanes
und Einaiedeln (1506—1518) und sein dortiges Eintreten
für Irirchenpolitische und politische Notwendigkeiten der
Schweiz in dem Kräftespiel zwischen dem Papst und Krank-
reich, all das hebt Büsser prägnant hervor. Offengeblieben
ist vielleicht mancher Wunsch nach stärkerer Konturierung
des frühen und weiteren zwinglischen Humanismus — u. a.
vornehmlich im Anschluß an Krasmus. Iiier ist das Interesse
beute ganz besonders groß, weil gerade die durchgehende Htt-
inanismusbindung Zwingiis zu seinen reformatorischen Proprietäten
gehört. Von hier aus ergeben sieh viele Brücken
zum Verständnis der im zweiten Kapitel erfreulicherweise
ausführlich dargetanen Theologie des Reformators (S. 47 bis
69).

Der deutlich profilierte, weil gegen Reislaufen und Pensio-
nenuesen sowie gegen Zölibat, Fegefeuer, Ileiligenverehrung,
Mißslände in Klerus, Hierarchie und Kirche allgemein Stellung
nehmende Zwingli wird im Dezember 1518 zum faut-
pliester ain GroSmOnster in Zürich gewählt, wenn auch gegen
den Widerstand besonders derer, die seine politischen Überzeugungen
nicht teilten. Dankenswerterweise geht der Vf.
zum Verständnis der werdenden Zürcher Heformalion sachgemäß
auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse
dietes Stadtstaates ein. Krst unter Kinrechnung dieser Kaktoren
wird die Größe der Lebensleislung Zwingiis — auch
im Blick auf <li> sehr andere Profilh-rung der Bezugshnri-