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Ausgabe:

1975

Spalte:

898-900

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Exegese des Alten Testaments 1975

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Theologische Lileralurzeilung 100. Jahrgang 1975 Nr. 12

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Utasten Geschichte Gesamtisraels. Deshalb tetzl er, nach einer
knappen Schilderung der Situation in Kanaan um 1200 v.
Chr., teil der Erörterung der Wohnsitze der Sliimme itn Kul-
Inrland ein. lt. de Vaux dagegen bezieht die Vorgeschichte
Israels, die sich bei Nolh nur in den Traditionen des sakralen
Zwttlfstämmchuiidcs widerspiegelt, in seine Darstellung mit
ein. Die .llistoire aneieniie d'lsrael' beginnt also mit der
/.eil der Krzväler. Demgemäß muß auch mit der Darstellung
der vorisraelitisehen Geschichte Palästinas wesentlich früher
eingesetzt werden. Auch hierin folgt V. dem Ansatz, von H.
Kittel, wenn er praktisch keinen Unterschied zwischen der
Geschichte Palästinas und der Geschichte Israels macht und
bei den frühesten Spuren menschlichen Lebens im palästinischen
Palänlilhikum einsetzt.

Auf eine kurze Schilderung der Lebensbedingungen im südliehen
Kanaan (I, S. 17—36) folgt die Darstellung der Vorgeschichte
Palästinas, von den ,.Iägcrn und Sammlern' bis
zum Ausgang der Frühbrnnzezeit (I, S. 37—59). Schon dieser
erste Abschnitt verdient besonderes Interesse. Der Vf. beschränkt
sieh nicht auf die Einordnung des archäologischen
Mate rials in eine nach l.eilfunden und Kerainiktypen orientierte
Chronologie: er ersucht dem Leser zugleich einen Einblick
in die Entwicklung der frühen Kultur Palästinas unter
Berücksichtigung der Zusammenhinge mit der vorderasiatischen
Umwelt zu vermitteln. Dies geschieht unter ausgedehnter
Heranziehung der sorgfältig gesichteten Spczialliteratur.
Dem neuesten Stande der Forschung entspricht auch die sich
anschlicLleude Geschichte Palästinas zwischen 2200 und 1200
Vi (hr. (I, S. 00—121). Man wird gegenwärtig schwerlich eine;
bessere Darstellung der durch Dokumente und awhaologiiAfl
FUnde recht gut zu rekonstruierenden Geschichte dieser Zeit
finden. Krgänzl wird die Geschichte Kanaans im zwcili n
Jahrtausend v. Chr. durch einen Abriß seiner Kultur und
Religion (I. S. 12.'! --I48J. Besondere Aufmerksamkeit verdient
dabei die Krörtciung der gesellschaftlichen Struktur, die freilich
über die Beschreibung dessen, was aus den Texten an*
Mittelbar zu entnehmen ist, noch nicht hinausgeht. Überhaupi
gewahrt It. de Vnux den sozialökonomischen Grundlagen der
Geschichte Palästinas verhältnismäßig großen Raum. Ausführlicher
wird ii. a. auch die patriarchalische Gesellschaftsform
analysiert und dargestellt (I, S. 224ff.). Der Vf. kann
dabei auf seine früheren Untersuchungen zurückgreifen, die
in dem zweibändigen Werk ,Ix-s iustitutions de TAiicien Testament
' (Paris 31961/67) ihren Niederschlag gefunden haben.

Die Darstellung der Geschichte Israels im engeren Sinne
setzt mit den Frzvätcrn ein und folgt ziemlich genau der Anordnung
der allleslamenllichen Überlieferungen über die verstaatliche
Zeit Israels. Dieses Verfahren entspricht der Voraussetzung
des Vf.s, daß der geschichtliche Aufriß der Hcxa-
l»uh-überliefernng in der Hauptsache zuverlässige histori-
»<hc Erinnerung ist und geschichtliche Kreignisse in einer
dalierbnrcn Folge wiedergibt. Wenn in großer Ausführlich-
teil alle brauchbaren Argumente für die Zuverlässigkeit der
Patriarchen-Überlieferung im Hinblick auf das kulturelle Milieu
des 18./I7. .Ihs. v. Chr. und auf geschichtliche An»sagen
beigebracht werden, so ist V. dabei doch merklich zurückhaltender
als in früheren Veröffentlichungen. Das zeigt sich besonders
in der Beurteilung des historischen Wertes von
G«n 14 (I, S. 208-212).

Bei eh r Behandlung der Exedns/Moae Überlieferungen (I,

S. 277—440) und der Landmihmctraditioncn (I, S. 443—630)
fuhrt dir keineswegs in irgendeiner Weise biblizistischc —
«ntldleidung für den Aufriß der alltestamentlichen Darstellung
öfters zu nicht ganz befriedigenden Lösungen'. Es wird
J'doch jegliches Überspielen der historischen und uherliefe-
1»HgSgeschichlliehen Problematik vermieden, da es der Vf.
'"eisterhaft versteht, nicht nur die sicheren Ergebnisse der
«mischen Forschung seiner Argumentation dienstbar zu ma-
,,l( u. sondern auch bei kontroversen Fragen dem Leser Spiel-
r"uui für die eigene Meinungsbildung zu lassen. Auch ziem-
'"•i abseitig,. Auffassungen werden dabei in die Erörterung
(■■-belogen oder wenigstens doch registriert. Selbstverstünd-
"'' fehll nicht die ausführliche Auseinandersetzung mit anderen
Konzeptionen (Kaufmann. All, Noth, Albright, Menden
hall, 1, S. 443—451) zur umsichtigen Begründung der eigenen
Position. Dies geschieht in vornehmer Weise, ohne jene
verletzende persönliche Polemik, die die Auseinandersetzung
um solche z.T. auch methodische Grundfragen in den letzten
Jahrzehnten manchmal unerquicklich machte. Entsprechen.!
zeichnen sich die Erörlerungen zur centralen Frage des Zwölfstämmesystems
aus (II, S. 19-36), dessen Interpretation als
Amphiklyonie V. nicht teilt und dessen Entstehung er —
sicher mit Recht — erst in die späte Richterzeil verlegt.

Das behutsame, prüfende Entlangschreiten an den Linien
der alllestainenllichcn Tradition verleiht der .1 listoire ancienn -
d'lsrael' über große Partien den Charakter eines historischen
und archäologischen Kommentars zu den geschichtliehen
Überlieferungen, die in den Büchern Genesis bis .ludi-
e um enthalten sind. Dadurch wird V.s Werk für die Exegese
unmittelbarer nutzbar, als es gemeinhin von Darstellungen der
Geschichte Israels zu erwarten ist, die nur zu leicht ihre theologische
Aufgabe als Hilfe zum Verständnis des alttcslamcnl-
licherj Textes aus dem Blick verlieren. Erörterungen über Ein-
Leitungsfragen und über den historischen Wert der Quellen
treten entsprechend der exegetischen Akzentuierung stärker
hervor. Stets ist den behandelnden Textabschnitten eine literarische
Analyse vorausgeschickt. Auch geraten bestimmte
theologische und religionsgcsehichlliche Fragen, die der Text*
Zusammenhang aufgibt, in den Bereich der Darstellung (z. B.
Herkunft und Bedeutung des Jahwe-Namens bei der Erörterung
von Ex 3. I, S. 321—337). Eingeschaltet sind zusammenfassende
Abschnitte über die Beligion der Patriarchen (1.
S. 255-273) und Moses (I, S. 423-440).

De r ungemein reiche Inhalt des Werkes, der sich dem Benutzer
durch die übersichtliche Gliederung des Gebotenen
ebenso wie durch die umfangreichen und sorgfältig zusain-
mengestclllen llegister leicht erschließt, bietet nicht zuletzt ein
gutes Slück Forschungsgeschichte. Vor allem die Veröffentlichungen
eler jüngsten Zeit werden in seltener Vollständigkeit
ausgewertet. Deshalb dürfte die letzte Publikation R. de
Vaux's zugleich für die Forschung zu einem wichligenNarh-
schlagewerk werden und im dankbaren Gedenken der Fachwelt
an den Vf. einen besonderen Platz einnehmen.

itcrlin Rarl-Hetns Bernhardt

1 Do« zeigt sieii insbesondere bei der Hchandlung des Exodus-Ereignisses
(I, S. 349ff.). Die unterschiedliche Darstellung des Vorganges in
den Quellen führt V. zu der Annahme eines zweifachen Exodus. Oanne-li
wäre zu unterscheiden zwischen einem .Exodus der Flucht* (.1) und einem
.Exodus der Vertreibung* (E).

Führer. Georg. HoUmaiin. Hans Werner, llnher. Friedrich,
Markert. Ludwig, u. Gunther Wanke: Exegese des Alten
Testaments. Kinführung in die Methodik. Heidelberg:
Quelle & Meyer [1973]. 228 S. 8° = Uni-Taschenbücher
267. DM 13,80.

Einführungen, Lehrbücher, methodologische Erörterungen
sind eigentlich immer wieder willkommen. Studierende wie
Hochschullehrer greifen gern danach. Dabei tut es nichts zur
Sache, daß es zur Zeit mehrere solcher Hilfsbficher nebeneinander
gibt. Auch das hier zu besprechende Uni-Taschenbuch
ist nicht das erste und einzige seiner Art. In dem ausgezeichneten
Uberblick über Hilfsmittel und Literatur zu den verschiedensten
Disziplinen der alltestamentlichen Wissenschaft
(§ 13) sind unter dem Stichwort .Methodik der Exegese' mehrere
einschlägige Titel erwähnt (S. 223). Die Verfasser dieser
Einführung verfolgen mit ihren Ausarbeitungen einen doppelten
Zweck. Einmal wollen sie dem Studierenden eine Anleitung
zur wissenschaftlichen Exegese nn die Hand geben,
zum anderen möchten sie .einen weiterführenden Beitrag zur
neue nn Methodendiskiission liefern' (S. 5). Der Aufriß ist
logisch und klar gegliedert, die einzelnen Paragraphen sind
untereinander verzahnt und aufeinander bezogen.

In einem ersten Teil nehmen G. Wanke mit den Bcmerkun-
g,.,i /M .otucndigkeil und Ziel de r I'acl'csc de- UtM TStta-