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1975

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 11

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zu einer „religiösen Bewußtseinsspaltung" führen (175).
Gelegentlich (28) wandelt der Vf. mit P. L. Berger auf
den „Spuren der Engel" ; es bietet sich geradezu an, das,
was Berger „induktiven Glauben" nennt (und wogegen
der Vf. 160f. polemisiert), zur Praxis von Gebet und Betenlernen
in eine Beziehung zu setzen und so dem auch
vom Vf. beklagten — und an der eigenen Arbeit demonstrierten
! — „Mangel an praktischer Relevanz der dogmatischen
Denkfiguren" (21) sowie dem „Mangel an anthropologischer
Reflexion" (183) abzuhelfen.

Leipzig Karl-Heinrich Bieritz

Beinert, Wolf gang: Dogmenhistorische Anmerkungen
zum Begriff „Partikularkirche" (Theologie und Philosophie
50, 1975 S. 38-69).

— Freiheit durch Jesus Christus. Zugang zu Jesus als dem
Christus des Glaubens (StZ 100, 1975 S. 467-481).

Pfeifer: Hans: Das unbequeme Erbe. Dietrich Bonhoef-
fers Beitrag zur Frage der Relevanz der Theologie —
Zum 30. Todestag Bonhoeffers am 9. April 1975 (DtPfr-
Bl 75,1975 S. 225-228).

Schwanz, Peter: Relation als Substanz: Die Struktur unter
dem Gesichtspunkt des Aktes. Fortsetzung einer
Auseinandersetzung mit zentraler Tillichscher Terminologie
(StTh 29, 1975 S. 81-112).

Weger, Karl-Heinz: Auferstehung. Zumutung oder Fundament
des Glaubens? (StZ 100, 1975 S. 219-227).

PSYCHOLOGIE UND
RELIGIONSPSYCHOLOGIE

Faber, Hei je: Religionspsychologie, übers, v. G. Timmer.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1973],
308 S. gr. 8°. Lw. DM 45,-.

Es sei zunächst eine Vorbemerkung gestattet: Sowohl
die niederländische Original-Ausgabe wie die deutsche
Ubersetzung sind erschienen zu einer Zeit, als meine in
der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt 1973
veröffentlichte „Einführung in die Religionspsychologie"
sich eben im letzten Stadium der Fertigstellung befand;
ich konnte daher dieses Werk in meinem Buch nicht mehr
behandeln.

Zweite Vorbemerkung: Der Titel „Religionspsychologie
" ist nicht glücklich. Ein Buch, das unter diesem Titel
erscheint, muß, wenn auch in knappster Form, auch über
die empirische Religionspsychologie im ganzen berichten.
Diese Aufgabe hat sich aber der Verfasser nicht gestellt.
Der niederländische Titel trägt seiner Absicht eher Rechnung
, was bei der deutschen Ausgabe vom Verlag hätte
berücksichtigt werden müssen.

Das vorliegende Werk stammt von einem protestantischen
Theologen, der als Professor für Religions- und Pastoralpsychologie
an der Römisch-Katholischen Fakultät
in Tilburg, Niederlande, wirkt. Diese interessante und sicher
nicht häufige Kombination ermöglicht es ihm, mit
bemerkenswerter Offenheit und Toleranz und zugleich
mit hohem Respekt auf die manchmal einander widersprechenden
Auffassungen verschiedenster theologischer
wie auch tiefenpsychologischer Herkunft einzugehen.

Der Vf. stellt sich die Aufgabe, einen ausführlichen
Beitrag zu leisten zu dem seit längerer Zeit im Gang befindlichen
Gespräch zwischen der Tiefenpsychologie und
der Religion, insbesondere der christlichen. In einem ersten
Teil wird der religionsgeschichtliche Beitrag der Tiefenpsychologie
, vor allem durch Sigmund Freud und C. G.
Jung, nebst deren Schulen dargestellt; der zweite umfassendere
Teil behandelt die Religion, wiederum in erster
{_,inie die christliche, unter dem Aspekt der Freud-
schen Psycho-Analyse.

Das Gespräch zwischen Tiefenpsychologie und christlicher
Religion, wie gesagt schon seit längerer Zeit lebhaft
im Gang, hat bislang vorwiegend dazu geführt, die
Verschiedenartigkeit der Positionen abzuklären, und
erst ansatzweise sind wir soweit, daß die Brückenschläge
, hin und her, in Arbeit genommen werden können
. Diese Situation macht es verständlich und läßt es
auch als begrüßenswert erscheinen, daß bislang, und so
in diesem Buch — wie auch in meinen eigenen Versuchen
— zunächst einmal vorwiegend solche Entwürfe
zustande gekommen sind, welche eine klar umrissene
Ausgangsbasis bei einem der verschiedenen Standpunkte
gewählt haben. Für eine ganzheitliche Synopse, etwa von
„Tiefenpsychologie und Theologie" oder gar von „Religionspsychologie
und Religionswissenschaft" überhaupt,
dürfte die Zeit noch nicht reif sein; derzeit geht es noch in
erster Linie um die klärenden Einzelgespräche und Einzelbeiträge
: Und als ein solcher Beitrag ist das vorliegende
Buch sehr zu begrüßen. Zugleich aber ist es auch
verständlich, daß der kritische Rezensent, in meinem Fall
aus der Jung-Schule hervorgehend, mit besonderer Aufmerksamkeit
auf die fraglichen Punkte im andern System
zu achten geneigt ist, in diesem Fall im System
Freuds und seiner Schule; auch dies kann ein förderlicher
Gesprächsbeitrag sein.

Ich begrüße es also rundweg, daß, nach Scharfenbergs
verdienstvoller Freud-Studie, nun dieses Buch als Ergänzung
und Weiterführung vorliegt. Die Position von Freud,
Erich Fromm und Erik H. Erikson ist recht treffend dargestellt
. Ganz besonders aber möchte ich hervorheben,
daß auch die Darstellung der Position von C. G. Jung
sehr gut geglückt ist! Natürlich wäre hier manches noch
zu ergänzen und zu wünschen, aber in Anbetracht der
notwendigen räumlichen Beschränkung läßt sich nicht
mehr verlangen. Nur eines sei hierzu besonders angemerkt
: Hei je Faber stellt bedauernd fest (S. 67 f.), daß
Jungs Schüler sich bisher zu eng an das Beispiel des
Meisters gehalten haben und aus dieser Schule bislang
wenig Weiterführendes hervorgegangen sei; anders im
Fall der Freud-Schule, wo eine neue Gruppe auf selbständige
Weise das Werk des Meisters fortsetzte. Dies
scheint mir aber an der Verschiedenartigkeit der Grundentwürfe
selbst zu liegen. Freud war in gewisser Hinsicht
ein Meister der Reduktion, er suchte mit Leidenschaft
immer das empirische Minimum, welches als noch
geeignet erschien, die psychologischen Phänomene zu erklären
; Jung dagegen war ein Meister der Summation,
der den Horizont seiner Forschungsarbeit, gezwungenermaßen
freilich und deshalb immer bestrebt, die Tatsache
abzuschwächen, so weit zog wie nur möglich: Er war
gewiß empirischer Forscher, aber eben auch Theologe
und Metaphysiker und noch viel mehr, alles in einem.
So bleibt es denn den Schülern Freuds aufgegeben, die
Basis durch neue Gesichtspunkte zu verbreitern; die
Schüler Jungs dagegen haben innerhalb eines riesigen
Bereichs klärende Einzelarbeit zu leisten.

Der zweite Teil des Buches ist ein hochinteressanter
Versuch, die Religion unter den drei Hauptaspekten der
individuellen Personentwicklung im Freudschen Sinn
zu analysieren. Freilich: Die Religion, das ist hier etwas
zuviel gesagt. Es bleibt im wesentlichen bei jenem Typ
von Religion, die auf die altbiblische und christliche Tradition
zurückgeht, unter starker Berücksichtigung auch
des Judentums. Die Beiträge etwa über den Zen-Bud-
dhismus (S. 170 ff.) sowie über den Hinduismus (S. 161, ja
wirklich: nur eine halbe Seite) sind nur als knappe Exkurse
zu betrachten. Aber dies ist eben mit dem Ansatz
bei Freud gegeben: Was Freud über die Religion sagt,
bezieht sich im Grund ja immer nur auf die jüdisch-
christliche Religiosität des 19. Jh.s in West-Europa und
in den USA. Diese Selbstbegrenzung wird auch in Heije
Fabers Buch nicht wesentlich erweitert. Das ist kein Vor-