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Ausgabe:

1975

Spalte:

847-849

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Stierle, Beate

Titel/Untertitel:

Capito als Humanist 1975

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr, 11

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Epping, Adelhard: Seraphische Weisheit (Franziskanische
Studien 56, 1974 S. 221-248).

Hellmann, J. A. Wayne: Überlegungen zu Bonaventuras
reductio ad Theologiam (Franziskanische Studien 56,
1974 S. 215-220).

Hödl, Ludwig: „Gott-schauen" im theologischen Verständnis
des hl. Bonaventura und die aktuelle Frage
der Gotteserfahrung (Franziskanische Studien 56, 1974
S. 164-178).

Pfaff, Volkert: Der Vorgänger: Das Wirken Coelestins
III. aus der Sicht Innozenz III. (ZSavRGkan 91, 1974
S. 121-167).

Schachten, W.: Die Trinitätslehre Bonaventuras als Explikation
der Offenbarung vom personalen Gott (Franziskanische
Studien 56, 1974 S. 191-214).

Schmidt, Margot: Spiritualität als Hermeneutik, dargestellt
an den Begriffen fides intellectus bei Rudolf von
Biberach (Franziskanische Studien 56, 1974 S. 283-309).

Schneyer, J. B.: Die Universitätspredigten Bonaventuras
(Franziskanische Studien 56, 1974 S. 179—190).

Steckeier, Herbert: Die negative und mystische Theologie
Bonaventuras im Itinearium mentis in Deum (Franziskanische
Studien 56, 1974 S. 150-163).

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Stierle, Beate: Capito als Humanist. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn [1974], 235 S. gr. 8° =
Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichto,
hrsg. vom Verein für Reformationsgeschichte, XLII.
Lw. DM 38,-.

Die theologische Frühzeit Wolfgang Fabritius Capi-
tos, des späteren Straßburger Reformators, ist Gegenstand
der vorliegenden Dissertation, die 1971/72 von der
Theologischen Fakultät in Göttingen angenommen wurde
. Die behandelte Periode stand hauptsächlich im Zeichen
des erasmianischen Humanismus, dessen einzelne
Konturen und allmähliche Modifikation die Vf.in aufweist
.

Beate Stierle geht chronologisch vor, beginnt ihre Arbeit
mit Angaben zur Herkunft der Familie Köpfel (der
Name Capito ist wie in zahlreichen anderen Fällen spätere
Latinisierung) in Hagenau und schließt mit dem
Übergang des humanistischen Theologen nach Mainz im
Jahre 1520. Sie hatte sich ursprünglich eine noch ausstehende
, den gegenwärtigen Forschungsstand aufnehmende
Biographie des wirkungsmächtigen oberdeutschen
Reformators vorgenommen und wollte damit die alte Arbeit
von Johann Wilhelm Baum, die aus dem Jahre 1860
stammt, ersetzen. Ein bedeutender Manuskriptfund in
der Züricher Zentralbibliothek, der den Römerbrief kom-
mentar Capitos von 1518/19 in einer Nachschrift enthält,
hat sich jedoch als so ergiebig erwiesen, daß sie ihren
Plan änderte und nun in den Kapiteln 4,5,7 und 8 ausführlich
das Werden der Theologie des Reformators im Horizont
eines schriftexegetisch immer weiter präzisierten
Humanismus vorstellt. Diesem Zentrierungsentschluß
für die Studie wird man gern zustimmen.

Das mehrfach unterteilte Literaturverzeichnis setzt dazu
instand, das Buch Stierles als sehr nützliches Hilfsmittel
für eigene Weiterarbeit zu verwenden. Die Fundorte
mit Signaturen der eingesehenen Handschriften sind
genauso verzeichnet wie auch die voll erfaßten bibliographischen
Titel (mit gegenwärtigem Standortnachweis
) der 44 Druckschriften Capitos (S. 197—215). Andere
Quelleneditionen und Sekundärliteratur sind in einem
dritten Verzeichnis (S. 216-231) aufgeführt.

Der wahrscheinlich 1478 in der Reichsstadt Hagenau

geborene Wolfgang Köpfel wurde „von der oberdeutschen
spätmittelalterlich-humanistischen Reformbewegung
geprägt" (S. 17), die in Straßburg, Schlettstadt und
Basel ihre Zentren und in Johann Geiler von Kaisersberg
eine ihrer Schlüsselgestalten hatte. Uber „die Reformvorstellungen
des späten Mittelalters" (S. 20) kam
man allerdings nicht hinaus.

Die Studienzeit (1501—1512) verbrachte Capito „an den
vorwiegend scholastisch ausgerichteten Hochschulen
Süddeutschlands" (S. 194), in Ingolstadt und Freiburg;
ein kurzes Zwischenspiel in Heidelberg mit seinen humanistischen
Lehrern hat kaum feststellbare Wirkungen
gehabt.

Schon in Freiburg gab es allerdings vielfältige Einflüsse
, neben einer Weiterunterrichtung in der scholastischen
Theologie auch schon humanistische Denkanstöße
durch dort vorhandene Kreise. In Freiburg erwarb Capito
die Qualifikation zum Dozenten, folgte aber 1512 einem
Ruf des Speyerer Bischofs auf eine Prädikantenstelle am
Kanonikerstift in Bruchsal. Er wirkte dort bis 1515. Danach
wurde er, inzwischen in Freiburg weiterpromoviert
zum Doktor der Theologie, Münsterprädikant in Basel.
Dort bekleidete er — spätestens seit 1516 — außerdem
eine Professur, wurde 1517 Rektor der Universität, 1518
Dekan der Theologischen Fakultät.

Die prägende Persönlichkeit in dieser Zeit war für Capito
Erasmus von Rotterdam. In dem sich sammelnden
Humanistenkreis galt Capito als der theologische Fachmann
. An den großangelegten Editionsunternehmen der
damaligen Zeit in Basel hatte der für die Erforschung der
Quellen gewonnene Gelehrte und Prediger hervorragenden
Anteil. So beförderte er einen hebräischen Psalter
mit zum Druck und arbeitete sogar an einer hebräischen
Grammatik, die dann in zwei Teilen auch erschien.
Erasmus ehrte dieses Unternehmen durch seine Kritik.

Capitos Betrebungen wurden je länger je mehr auf die
Bibel, auf die schriftgemäße Theologie gerichtet, und dadurch
geriet er zunehmend in Gegensatz zum scholastischen
Lehrsystem und zur Kritik an der kirchlichen Praxis
(S. 50). Gerade hier stand er auf den Schultern des
Erasmus.

Die wachsende schrifttheologische Zentrierung im Leben
Capitos mußte sich verständlicherweise auch in seinen
Predigten niederschlagen. Stierles spezifizierte Bekanntgabe
des Römerbriefmanuskripts gibt darüber
Auskunft. Den Grad der Eigenwilligkeit des Nachschreibers
kann man hier leider nicht verrechnen, da offensichtlich
adäquates Vergleichsmaterial fehlt. Der Kommentar
(vielleicht etwas irreführend so genannt) besteht
aus Römerbriefpredigten, die dem Gedankengang des
Paulus bis Rm 5,3 folgen. Zur Zeit des Beginns der Predigten
— Februar 1518 — hatte Capito von Luther kaum
etwas zur Kenntnis genommen. In der Korrespondenz
wies der Münsterprediger Luther auf Erasmus hin. Die
95 Thesen, in Basel nachgedruckt, haben auf Capito theologisch
nicht annähernd so stimulierend gewirkt wie die
etwa ein Vierteljahr später erscheinende Römerbrief-
kommentierung des Humanistenfürsten, die bei Froben
verlegt wurde.

Stierle markiert in ihrer Arbeit genau die drei Abschnitte
der Römerbriefauslegung Capitos: Frühjahr
1518, Advent 1518, Frühjahr 1519. In diesen Perioden erkennt
sie bedeutende theologische Fortschritte hin zu
einem immer klareren Paulinismus. Die Beschäftigung
mit den Vätern, besonders mit Origenes und dem Ambrosiaster
, wird sorgfältig notiert, wobei Capitos Überholung
des Origenes durch den Ambrosiaster des öfteren
konstatiert wird.

Zwischen dem ersten und zweiten Teil des Römerbriefkommentars
liegt im Herbst 1518 eine von Capito beantwortete
und glossierte, ansonsten aber anonym erscheinende
Lutherausgabe bei Froben. Nähe zu und Entfer-