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1975

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Neues Testament

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Neuerscheinungen

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841

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 11

842

liehen Sprache, der mündlichen wie der schriftlichen
Uberlieferung. Letztlich geht es dabei für den Theologen
um das Verhältnis von Mensch, Geschichte, Sprache
und Wirklichkeit. Damit ergeben sich eine Fülle von
sprachwissenschaftlichen Fragen, die in ihrem grundsätzlichen
Charakter wie in ihrem theologischen Bezug
aufgestellt, auf die Antithese von Form und Inhalt führen
. Die sprachwissenschaftlichen Probleme aber müssen
gelöst sein, ehe es zu theologischen Folgerungen über die
Sprache kommen kann. Damit eröffnet sich ein weites
Feld sprachlicher Beobachtung auf den verschiedenen
Ebenen von Worten bzw. Morphemen als des Bedeutung
tragenden Teils der Wörter, dazu auf der Satz- und Syntax
-Ebene und schließlich der Text- und Gattungsebene.
Es bedarf noch umfassender und eingehender Kleinarbeit
, ehe es zu klarer Erfassung der Sprache im Sinne
einer Sprach- und Literatur-Soziologie kommen kann.
An Beispielen aus den verschiedenen Gebieten der Semantik
als der Lehre von den Bedeutungen der Sprache
wird die Vielfalt und Mannigfaltigkeit der Aufgaben
vorgestellt, die hier auch für die Theologen zu leisten
sind. Die Arbeit, die der semantischen Begrifflichkeit wie
der Satz- und Gattungssemantik dient, führt zur Untersuchung
der allgemeinen Sprach- und Bedeutungsstrukturen
. Linguistische Versuche in der Exegese und das Bemühen
um eine besondere Weltansicht des Hebräischen
lassen wohl die Weite des Horizontes der linguistisch
formgeschichtlichen Problematik erkennen und stellen
den Leser zum Schluß vor das Programm bzw. Postulat
einer Sprachgeschichte als Forschungsaufgabe. Sie wäre
nicht als Sammlung grammatikalen Materials zu verstehen
, sondern als eine Auseinandersetzung der Sprachen
untereinander zu fassen. Sie sind dabei allerdings weithin
an religiöse oder philosophische Überlieferungen und
an Institutionen gebunden. Überhaupt ist in der Geistesgeschichte
immer wieder die Wirkung des biblischen Kanons
spürbar, wie sie der Vf. zum Schluß in einer grafischen
Darstellung anschaulich zu machen sucht. Der
weite Ausblick, den der Vf. bietet, bedeutet dankenswerte
Anregung zum eingehenden Studium auf weithin
noch unerforschten Gebieten. Wie für die vielseitigen
Anregungen so danken wir dem Vf. zugleich für die großartige
ordnende Bewältigung des schwierigen Stoffes, zu
der der Vf. von seiner ursprünglichen Frage aus den lernenden
und forschenden Leser geführt hat.

Fernwakl 2 Annerod Georg Bertram

Boman, Thorleif: Die dreifache Würde des Völkerapostels
(StTh 29, 1975 S. 63-69).

Coats, George W.: History and Theology in the Sea Tradition
(StTh 29, 1975 S. 53-62).

Fatum, Lone: Die menschliche Schwäche im Römerbrief
(StTh 29, 1975 S. 31-52).

McGaughy, Lane C, The Fear of Yahweh and the Mission
of Judaism: A Postexilic Maxim and Its Early
Christian Expansion in the Parable of the Talents (JBL
94, 1975 S. 235-245).

Roloff, Jürgen: Das Kerygma und der irdische Jesus. Historische
Motive in den Jesus-Erzählungen der Evangelien
. Berlin: Evang. Verlagsanstalt (Lizenzausgabe
des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen)
[1973]. 289 S. gr. 8°. (s. Bespr. in ThLZ 96, 1971, Sp. 186).

Schulz, Siegfried: Das Evangelium nach Johannes, übers,
u. erklärt. Berlin: Evang. Verlagsanstalt (Lizenzausgabe
des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht) [1975].
IV, 264 S. gr. 8° = Das Neue Testament Deutsch,
hrsg. v. G. Friedrich, 4.

Smit Sibinga, J.: The Structure of the Apocalyptic Discourse
, Matthew 24 and 25 (StTh 29, 1975 S. 71-79).

Weiss, Bardo: Amt und Eschatologie im I. Clemensbrief
(Theologie und Philosophie 50, 1975 S. 70-83).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

McGrade, Arthur Stephan: The Political Thought of William
of Ockham. Personal and institutional Principles.
London: Cambridge University Press [1974]. XIII, 269 S.
gr. 8° = Cambridge Studies in Medieval Life and
Thought, 7. Lw. £ 6.20.

Nachdem die neuere Ockhamforschung sich von der
älteren Methode gelöst hat, Ockhams politisches Denken
aus seinen — oft auch noch falsch verstandenen —
philosophisch-theologischen Gedanken abzuleiten, sind
schon mehrere Versuche gemacht worden, zu einer neuen
Gesamtdarstellung zu kommen (vgl. ThLZ 89, 1964 Sp.
609-612; 96, 1971 Sp. 43-45). Dabei pflegt man mit der
Bezeichnung „politisches Denken" alles zusammenzufassen
, was sich auf die geistliche und die weltliche Gewalt
sowie das Verhalten zu ihr bezieht. In dem vorliegenden
Buch ist es endlich gelungen, eine dem Umfang entsprechende
Gesamtdarstellung vorzulegen.

Der Vf. läßt sich von der neueren Ockhamforschung
warnen. Daher geht er nicht von Ockhams philosophischtheologischem
Denken aus, sondern von seinem Lebenslauf
im Zusammenhang mit den kirchenpolitischen und
politischen Ereignissen. Dabei arbeitet er das Jahr 1337
als Wendepunkt heraus. Bis dahin habe Ockham bekämpft
, was nach Meinung der Spiritualen bei Johannes
XXII. häretisch war. Danach habe er die Grenzen
der päpstlichen Macht überhaupt und politische Theorien
erörtert. Den größten Teil der Darstellung nehmen sachlich
geordnete Kapitel ein, in denen stets auf Ockhams
Entwicklung geachtet wird, so daß die geschichtlichen
Bezüge nicht in Vergessenheit geraten. Sie sind sehr informationsreich
besonders darüber, welche Aufgaben
Ockham den beiden Gewalten zuwies und wie er ihre
Herkunft begründete. Am Schluß weist der Vf. noch Beziehungen
des politischen Denkens zum philosophischtheologischem
auf. Damit ist eine für die Erforschung
von Ockhams politischem Denken sachgemäße Methode
aufgenommen worden, die der Vf. prägnant formuliert
hat (45): „Perhaps the best course is neither to ignore
Ockham's academic writings nor to start from them."

Die Übersicht über den Stand der Forschung (28—43)
hat der Vf. mehr entworfen, um einen Hintergrund zu
haben, von dem sich seine Darstellung abhebt, als wirklich
in die forschungsgeschichtliche Entwicklung einzuführen
. Er achtet daher zuwenig auf die Abhängigkeiten
untereinander und die zurückgewiesenen Meinungen, so
daß der relative Wahrheitsgehalt der Untersuchungen
nicht deutlich wird. Nach Ansicht des Vf.s laufen drei Urteile
über Ockham um: Ockham war der Theoretiker des
Laizismus (Georges de Lagarde), war reiner Theologe
(Richard Scholz) bzw. ein Konstitutionalist (Ernest F. Jacob
, Philotheus Böhner, Charles C. Bayley). Darüber
hinaus führt er noch weitere sich widersprechende Charakterisierungen
an, ehe er zu seiner eigenen Lösung
kommt: er unterscheidet zwischen Ockhams Kampf gegen
Johannes XXII. sowie dessen Nachfolgern und seinen
Überlegungen über Regierungseinrichtungen. Die
sich ausschließenden Urteile über Ockham werden als
Verabsolutierung einer Seite in Ockhams Wirken verständlich
, die der Vf. durch seine Unterscheidung und
nachträgliche Zuordnung überwinden will.

Der Ausgangspunkt für Ockhams politisches Denken
ist anerkanntermaßen sein Streit mit Johannes XXII.
Der Vf. behandelt, wie Ockham dabei die Stellung des
Laien als gläubigen Christen und des Theologen als Fachgelehrten
stärkte. Daraus habe er die Verantwortlichkeit
des Individuums abgeleitet und Überzeugungen entfaltet
, die ihn manchem als Revolutionär erscheinen ließen
. Demgegenüber ging Ockham in seiner Zweireichelehre
— mit der er die in dem Streit zwischen Papst und