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Ausgabe:

1975

Spalte:

839-840

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Donahue, John R.

Titel/Untertitel:

Are you the Christ? 1975

Rezensent:

Schenk, Wolfgang

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Seite 1

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839

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 11

840

Donahur. John R., S. J.: Are You the Christ? The Trial
Narrative in the Gospel of Mark. Publ. for The Seminar
on Mark. Cambridge, Mass.: Society of Biblical Li-
terature 1973. XI, 269 S. 8° = Dissertation Series, 10.
$ 2.50.

Die aus der Schule von Norman Perrin stammende
Chicagoer Dissertation über Mk 14,53-65 ist aus der Begeisterung
für die weiterführenden Möglichkeiten der
redaktionskritischen Methode erwachsen. Sie ist für
deutschsprachige Leser nicht nur darum interessant, weil
sie zeigt, wie sich eine Synthese der unterschiedlichen
Anliegen von J. Jeremias und R. Bultmann bei N. Perrin
und seinen Schülern positiv auswirkt (das machte schon
die deutsche Übersetzung von Perrins „Rediscovering
the Teaching of Jesus" deutlich, vgl. ThLZ 99, 1974 Sp.
342ff.), sondern weil darin zugleich in umfassender Weise
der Ertrag angelsächsischer Markusforschung eingearbeitet
wurde, den wir in unseren Breiten meist kaum genügend
zur Kenntnis nehmen. Auffallend und beachtenswert
ist weiter, daß die von uns fälschlich sogenannte
„Redaktionsgeschichte" nicht nur terminologisch sachlicher
als „redaction criticism" bestimmt wird, sondern
daß auch methodologisch eine stärkere Präzisierung dieser
Arbeitsweise nach zwei Aspekten durchgeführt wird:
Nachdem unter dem ersten Aspekt die Redaktionskritik
als Unterscheidung und Bestimmung von Tradition und
Redaktion definiert ist, wird darüber hinaus als zweiter
Aspekt die Kompositionsanalyse als Bestimmung der
Muster und Strukturen der Endgestalt des Textes definiert
und auch besonders sorgfältig beachtet (5 f., 35-45
im Anschluß an N. Perrin, What is Redaction Criticism?,
1969). In der Durchführung anhand dieser Aspekte wird
großes Gewicht auf das Erkennen aller einschlägigen
Strukturmuster durch das ganze Markusevangelium hindurch
gelegt. Insofern liegt hier nicht nur eine Arbeit zu
einer zentralen, aber begrenzten Einzelperikope vor, sondern
im Unterschied zu vielen anderen Studien zu mar-
kinischen Perikopen, die derzeit wie Pilze aus dem Boden
schießen, eine Arbeit, die für das Gesamtverständnis
des ältesten Evangeliums einen wesentlichen Beitrag liefert
.

Nach der Forschungsübersicht und den methodischen
Vorüberlegungen (5-51) wird im zweiten Kapitel die Pe-
rikope selbst eingehend analysiert (53-102) Diese Analyse
führt zur Annahme von zwei vormarkinischen Traditionsstücken
, einer „Abführungstradition" (V. 53a) und
einer Katene alttestamentlicher Anspielungen in den
Versen 56f. (falsche'Zeugen), 60f. (Schweigen Jesu). 65
(Verspottung). Die sprachliche Überarbeitung des Redaktors
wird am stärksten in den Versen 53b.55.58.60.64
gesehen. Kompositionsanalytisch ist der überzeugende
Nachweis geführt, daß die markinischen Perikopenver-
schränkungen eine theologische Aussageabsicht haben,
sofern in der Regel im Innenglied ein Bezug zum Leiden
Jesu und im Rahmen ein Jüngerbezug vorliegt (58ff.).
Diese Einf ügung-Rahmungs-Technik wird auch innerhalb
von Einzelperikopen aufgedeckt, wenn beispielsweise
das hier eingesetzte Tempelwort von der gleichlautenden
Formulierung der Verse 56 und 59 gerahmt wird
(vgl. den Anhang 241—243: The Marcan Insertions). Da
die Schwerpunkte literarischer und theologischer Aktivität
in der Einsetzung des Tempelwortes (V. 58) und in
der Schaffung des „christological compendium" (V. 61 f.)
gesehen werden, wenden sich die beiden nachfolgenden
Kapitel diesen Fragen je gesondert zu. Das 3. Kapitel (103
bis 138) zeigt die Regelmäßigkeit auf, mit der gegen den
Tempel als Zentrum des alten Gottesvolkes gerichtete
Aussagen mit der Notiz der Tötungsabsicht zusammen
stehen und wie sich darum die christliche Gemeinde als
neuer Tempel in der Kreuzesnachfolge bejahen kann.
Das 4. Kapitel (139—187) analysiert die christologischen
Titel und legt dar, daß und warum „Menschensohn" der

für Markus wichtigste ist: Er eignete sich am besten, da
er am wenigsten festgelegt, sondern mehr ein offenes
Symbol war (183); er war auch der, der am ehesten Tun,
Leiden, Erhöhung und Wiederkunft umgreifen konnte
(184). Markus macht ihn zum Deutekanon für die anderen
Titel. In den eschatologischen Verwendungen ist eine
deutliche Re-Apokalyptisierung durch den Zusatz von
szenischen Details erkennbar (155 f.). Das Schlußkapitel
(189—236) bestimmt die Funktion der Verhörperikope
einerseits im Kontext der Passionsgeschichte als anticipa-
tory commentary zur Kreuzigungsperikope (190—209)
und andererseits im historischen Kontext auf dem Hintergrund
von Mk 13,9-13 als aktuellen Verfolgungstrost
in den Wirren des jüdischen Krieges. Unter der Voraussetzung
, daß erst der Redaktor dem Text die Erzählform
gegeben habe, wird versuchsweise die literaturwissenschaftliche
Funktion der apokalyptischen Erzählung
als Mittel kreativer Daseinsbewältigung gewertet (226 ff.).

In die Dankbarkeit für alle reichlich erfahrene Belehrung
sei die Markierung einiger mir offen gebliebenen
Fragen eingeschlossen: 1. Zur Verwendung der Stilanalyse
in dieser Arbeit ist zu bemerken, daß sie alle Häufigkeiten
(ähnlich wie Zerwick) von vornherein der Redaktion
zuspricht Diese einseitige Möglichkeit ist zu bezweifeln
. Im Stadium des wissenschaftlichen Probierverhaltens
möchte ich weiterhin für ein Analysenmodell eintreten
, das ein Zusammenspiel von parataktischem kai,
Präsens historicum, asyndetischem Satzanschluß u. a. für
vormarkische Tradition veranschlagt (vgl. ZNW 63,76 bis
92; Der Passionsbericht nach Markus 1974). 2. Die Bestimmung
alttestamentlicher Anspielungen ist für das Schweigen
wie für die Verspottung (im Unterschied zu dem
Motiv der falschen Zeugen) hier nicht schlüssig nachgewiesen
, so daß die Annahme einer zusammenhängenden
Pescher-Tradition mit diesen drei Bestandteilen nicht als
erwiesen gelten kann (vgl. 239ff. meiner Arbeit). 3. Daß
das Tempelwort ein isoliertes und „frei schwebendes"
Traditionselement war, möchte ich weiter bezweifeln,
zumal als Nachweis dafür immer nachmarkinische Aussagen
herangezogen wurden, ohne daß die mögliche Abhängigkeit
und die jeweilige redaktionelle Verarbeitung
durchgeprüft wurde. 4. Da ich in der Beurteilung der Zi-
taten-Kombination Mk 14,62 mit dem Vf. hinsichtlich des
redaktionellen Charakters übereinstimme und auch die
Technik der markinischen Aufnahmen und Wiederholungen
gleich werte, vermisse ich ungern in diesem Zusammenhang
neben dem Verweis auf Mk 13,26 die Berücksichtigung
von 12,36 (vgl. 235 meiner Arbeit).

Naumburg Wolfgang Schenk

Koch, Klaus: Was ist Formgeschichte? Methoden der Bibelexegese
. 3., verb. Auflage mit einem Nachwort: Linguistik
und Formgeschichte. Neukirchen-Vluyn: Neu-
kirchener Verlag des Erziehungsvereins [1974]. XV,
342 S. gr. 8°. Lw. DM 32,-.

Das Erscheinen der 3. Auflage bestätigt die Bedeutung
der Arbeit für Forschung und Praxis. Die Frage im Titel
deutet darauf hin, daß es sich nicht um ein abschließendes
Werk handelt: Die Frage bleibt offen, und die neue
Auflage kommt erst recht nicht zu endgültigen Resultaten
. In einem Nachwort „Linguistik und Formgeschichte"
stellt sie vielmehr das Problem der Formgeschichte in
einen größeren wissenschaftlichen, ja geistesgeschichtlichen
Rahmen. Es ging bisher um eine exegetische Methode
, die sich an bestimmten Aufgaben der Bibelauslegung
, bes. des AT herausgebildet hatte, bestimmte literarische
Formen und Gattungen umfaßte und sich auf
den .Sitz im Leben', Uberlieferungs- und Redaktionsgeschichte
, je nach den vorgefundenen geeigneten Texten,
ausrichtete. Im weiteren Sinne verstanden, erscheint
Form und Formgeschichte als Phänomen der mensch-