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1975

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Altes Testament

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 11

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mal die Arbeit mit unsicher begründeten Konjekturen,
methodischer Undeutlichkeit und sachlicher Unrichtigkeit
im Apparat belastet war. Der letzte Versuch eines
kritischen Textes war die Ausgabe von Rahlfs in der
Stuttgarter LXX-Ausgabe 1935. Dieser „von Rahlfs hergestellte
Text bleibt die Grundlage der vorliegenden
Ausgabe". Auf Abschnitt B die Gruppierung der Textzeugen
(vgl. Hanhart, Text und Textgeschichte des 1. Es-
rabuchs, MSU XII 1974) folgt in C der Abschnitt Gram-
matica, der in den früheren Ausgaben der Göttinger LXX
nur im Ansatz vorhanden war, so schon bei Rahlfs in der
Ausgabe der Ps 1931, S. 73f. einige grundsätzliche Feststellungen
zur Formenlehre und Orthographie. Die folgenden
LXX-Ausgaben haben meist einen Abschnitt Or-
thographica, der aber vor allem der Entlastung des Apparates
dient (Ziegler, XII Proph 1943, S. 109); bei Ziegler
, Jer 1957, S. 123—125 finden sich neben den Orthogra-
phica verschiedene grammatische Varianten, und bei
Ziegler, Sir 1965 werden die Orthographica mit Recht
unter die Überschrift der Grammatica gestellt. Weyers
, Gn 1974 hat im Anhang Orthographica und Grammatica
systematisch geordnet. In der Ausgabe des 1 Esra
von Hanhart 1974 bekommt der Abschnitt Grammatica
grundsätzlich größere Bedeutung (vgl. dazu Hanhart,
Esther 1966 S. 99, und auch den Abschnitt Grammatica
99—123: die genauere systematische Erfassung und ihre
sprachgeschichtliche Einordnung). Es geht dabei letztlich
um die Frage, ob die LXX der üblichen Annahme
entsprechend dem Bedürfnis des hellenistischen Judentums
entstammte und ob sie das heilige Vorlesebuch der
hellenistisch jüdischen Diaspora gewesen ist, bis es durch
die Übernahme der LXX durch die Christen zur Verfemung
der LXX durch das Judentum kam. Die linguistische
Untersuchung der Sprache der LXX in ihrem Verhältnis
zur Koine, dem hellenistischen Griechisch als der
zeitgenössischen Verkehrssprache kann da zu klaren und
sicheren Erkenntnissen führen. Dafür ist das sprachliche
Material bereitzustellen. Das Material dafür bieten die
Grammatica-Abschnitte in den Einleitungen in Verbindung
mit den Apparaten. Zu dem Problem vgl. Robert
Hanhart, Fragen um die Entstehung der LXX in:
Vetus Testamentum XII 1962, 139-163, und zur Methode
vgl. Klaus Koch, Was ist Formgeschichte? 3. Aufl. 1974:
Nachwort, Linguistik und Formgeschichte, 289—342. In
diesem Sinne hat die Kleinarbeit an den Texten einschließlich
der Grammatica und der Apparate eine besondere
Bedeutung für exegetische und theologische Untersuchungen
. Es geht um die Frage: bedeutet die Helle-
nisierung der biblischen Überlieferung Säkularisierung
oder siegen im Mittel der Sprache die Kräfte des biblischen
Glaubens über die untergehende Antike? Damit
erhält die LXX-Forschung besonderes Gewicht. Dem
Dank für die geleistete Arbeit und die erreichten Ergebnisse
fügen wir Wunsch und Hoffnung für den raschen
Fortgang und die baldige Vollendung des LXX-Unter-
nehmens hinzu.

Fernwald 2 Annerod Georg Bertram

Collins, John J.: The Court-Tales in Daniel and the Development
of Apocalyptic (JBL 94, 1975 S. 218-234).

Hauge, Martin Ravndal: The Struggles of the Blessed in
Estrangement I (StTh 29, 1975 S. 1-30).

Hauser, Alan J.: The „Minor Judges"-A Re-evaluation
(JBL 94,1975 S. 190-200).

Newsome, James D., Jr.: Toward a New Understanding
of the Chronicler and His Purposes (JBL 94,1975 S. 201
bis 217).

Robscheit, Hellmuth: Ein Buch und seine Welt. Die Entstehung
des Alten Testaments. Altenburg: Evangelische
Haupt-Bibelgesellschaft o.J. 72 S. 8°.

Wilson, Robert R.: The Old Testament Genealogies in Re-
cent Research (JBL 94,1975 S. 169-189).

NEUES TESTAMENT

Buchheim, Karl: Der historische Christus. Geschichtswissenschaftliche
Überlegungen zum Neuen Testament.
München: Kösel-Verlag [1974]. 247 S. 8°. Kart. DM 25,-.

Das erste Kapitel des Buches „Jesus und die Geschichtsforschung
" macht sofort deutlich, daß der wie ein
Reizwort wirkende Titel doppelt polemisch gezielt ist.
Einmal soll er die Meinung korrigieren, Jesus sei eine
„eschatologische Erscheinung" gewesen (42). „Jesus ist
als geschichtlicher Christus der Erlöser des Menschen,
oder der Mensch bleibt unerlöst. Der eschatologische Jesus
, der das geschichtliche Christentum angeblich gar
nicht wollte, ist keine wirkliche, sondern nur eine spekulative
Gestalt" (18). Zum andern erklärt der Titel die
Unterscheidung von „historischem Jesus" (11) und ke-
rygmatischem Christus für einen „befangenen Standpunkt
" (12). „Alle Schwierigkeiten der Gelehrten verschwinden
, sobald man zugibt, daß Jesus selbst schon
vorösterlich die Kirche gestiftet hat. Sein Messias-Auftrag
war, den israelitischen Gottesbund zu erneuern"
(21 f.). Damit ist das Programm des Buches abgesteckt:
„Nicht der Jesus einer ,konsequenten Eschatologie', sondern
der Jesus, der große Geschichte gewirkt hat, ist geschichtlich
" (122).

Diesen Jesus sucht der Verfasser — emeritierter Neuhistoriker
an der Technischen Hochschule München — in
neun Kapiteln nachzuzeichnen (Der Bund; Die ältesten
Zeugen; Der Evangelist Johannes; Die drei Pfeiler der
Urkirche in Jerusalem; Petrus und die Frühkirche in
Rom; Der Apostel Matthäus; Paulus in seiner Frühzeit;
Das Gebet des Herrn; Die christliche Liebe).

Es wäre nicht gut getan, wollte die theologische Wissenschaft
diese Herausforderung darum nicht annehmen,
weil sie nicht den neuesten wissenschaftlich-theologischen
Standard vertritt. Denn einmal reklamiert der Profanhistoriker
mit Recht ein Mitspracherecht (13). Es trifft
ja zu: „Der Historiker, der nicht Theologe ist, muß es
bedauern, daß die Exegese des Neuen Testaments sich
bis heute nur selten den Einsichten erschließt, die sich
aus der profan-historischen Erforschung der römischen
Reichsgeschichte ergeben" (114). Es kommt aber noch
hinzu, daß der Vf. auch aus Enttäuschung über die
„kleinlaute Schwäche" seiner Kirche heraus schreibt, die
seiner Meinung nach daher rührt, daß sie vor lauter Aufgeklärtheit
ihre eigenen geschichtlichen Grundlagen nicht
mehr hinreichend ernst nimmt (10f.). „Die Wahrheit des
Christentums ... ist die Wahrheit in der Geschichte" (7).
Mit diesem bemerkenswerten Satz beginnt das Buch.
Jede Vernachlässigung dieses Grund-Satzes muß zu Irrtümern
führen. Und „eine der wichtigsten Wurzeln des
Schadens" sieht Buchheim „in dem falschen Jesusbild...,
dem Bild eines ,historischen Jesus', der kein Christus und
kein Kyrios war, sondern ein utopistischer Rabbi, der
eschatologische Hoffnungen predigte, die an der Wirklichkeit
natürlich gescheitert sind" (11). Keine Frage:
Der an einer so aktuellen theologischen Diskussion teilnehmende
Profanhistoriker ist als Gesprächspartner
willkommen! Daß er zuletzt zur Behebung des erkannten
Schadens nur wenig beiträgt, hat m. E. zwei Gründe,
die ursächlich miteinander zusammenhängen.

1. Die richtige Einsicht in das „Wesen des Geschichtlichen
" und die ihm adäquate hermeneutische Methode
(Geschichtswissenschaft fragt — im Unterschied zur Naturwissenschaft
— nicht nach dem „Was-Sein der Dinge",
sondern auch nach dem „Wer-Sein von Personen", 24;
Geschichte verstehen heißt Geschichte deuten, 26)
scheint mir überlagert von einem heuristischen Axiom,
das mit einem Buchtitel Buchheims aus dem Jahre 1937
exakt zu greifen ist: „Die Logik der Tatsachen". Ihr vor
allem hat der Historiker nach Meinung Buchheims Auf-