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Ausgabe:

1975

Spalte:

820-822

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Christ and spirit in the New Testament 1975

Rezensent:

Hartmann, Lars

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 11

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vor als Prinzip des Protestantismus zu gelten hat", ohne
daß damit Überlegungen ausgeschlossen werden, „die
es dem Prediger gestatten, seltener, aber deshalb sachgemäßer
zu predigen". Auch müsse der Kurswert der Predigt
„durch ,flankierende Maßnahmen' gestützt werden",
wie „Gespräche über die Predigt, in welcher Form und
in welchem Forum auch immer" (84). Wenn N.s Ausführungen
über die Predigt immer wieder auf Luther rekurrieren
, so ist das bei ihm, fern allem Traditionalismus
, in der Erkenntnis begründet: „Sinn und Maß der
Anfechtung waren bei Luther insofern dieselben wie bei
dem modernen Menschen, als er trotz seines Wissens
um Gott, trotz seines Glaubens an Gott mindestens
dieselbe Empfindung einer absoluten Verlorenheit
und damit einer totalen Unsicherheit seiner
Existenz kannte wie ein moderner Mensch auch" (75).
Wie tief dieser Praktische Theologe in Luther eingedrungen
ist, erweist seine Vorlesung aus Anlaß des 450jähri-
gen Reformationsjubiläums „Luthers Auffassung von
der Predigt nach ,De servo arbitrio'". Zunächst wird hier
aufgezeigt, „worauf es Erasmus ankommt, daß man nämlich
durch Wissen zum Glauben und durch Bildung zu
einem Leben der Frömmigkeit gelangen soll und gelangen
kann" (91). Damit ergibt sich bei ihm eine Zielsetzung
, die zu der zeitgemäßen Frage veranlassen kann:
„Könnte nicht der Ersatz der Verkündigung durch Information
und Gespräch, die Heranbildung einer .frommen
Elite', der Aufruf zu einer ihrer selbst bewußten
mündigen Frömmigkeit und zur Mitmenschlichkeit das
Gebot der Stunde sein?" (92). Demgegenüber ist für Luther
„Predigt" „kein zufälliges, wenn auch durch die
kirchliche Tradition sanktioniertes Phänomen". Sie kann
„nur im Zusammenhang mit der Auffassung von Gott
verstanden werden", nämlich so, „daß der Gott, durch
den wir es mit Jesus Christus zu tun haben, ein gepredigter
Gott ist: trotz seiner Verborgenheit will sich Gott
offenbaren. In seinem Schweigen und aus seinem Schweigen
heraus will er reden und verkündigen" (97). „Das im
Menschen angelegte, bis jetzt ungenutzte, ja tote ,Organ',
auf Gottes Wort hören zu können, wird von Gott selbst
durch den Anruf seines Wortes zum Leben erweckt.
Ob es auf Grund des vernommenen Wortes zum
Glauben oder zum Unglauben kommt, das hängt nicht
von der Bereitschaft oder Fähigkeit des Menschen zum
Hören ab; dies bleibt vielmehr allein in dem souveränen
Willen Gottes beschlossen" (102). Dabei hat Luther „in
,De servo arbitrio' niemals streng zwischen dem Wort
Gottes, der Botschaft des Evangeliums und der Predigt
selbst unterschieden" (103). Im Schlußabschnitt über Sinn
und Aufgabe heutiger Predigt kommt N. zu dem Ergebnis
, daß der humanistische, auf Förderung der schöpferischen
Kräfte des Menschen mit dem Ziel eines frommen
Lebens bedachte und der dem Evangelium gemäße
Predigtbegriff einander ausschließen, weil „hinter beiden
ein entgegengesetztes Verständnis von Wesen der
Offenbarung und von den Möglichkeiten des Menschen
steht" (109). Herrscht an diesem Punkt Klarheit, sieht N.
für die praktische Gestaltung der Predigt in Rücksicht
auf die in Gemeinde und Umwelt veränderten Bedingungen
des modernen Lebens größte Freiheit gegeben.
„Zum Problem von Autorität und Freiheit in der Verkündigung
" äußert sich der letzte Aufsatz dieser Abteilung
. Er fragt zunächst, was denn heute unter Autorität
zu verstehen ist, um von hier aus zu ergründen, „inwiefern
sich der moderne Begriff von Autorität mit dem
Anspruch (sc. auf Autorität) vereinigen läßt, den das
Wort erhebt" (111). Die Untersuchung führt zu der Erkenntnis
: „Die Verkündigung kann sicher auf Autorität
nicht verzichten. Aber dabei kann es sich eben gerade
nicht um die Autorität des Predigers, seines Amtes, der
kirchlichen Tradition oder Konvention handeln, sondern
allein um die eigentümliche (nämlich: befragbare — Rez.)

Autorität, die sich im Evangelium von Jesus ansagt und
die stets zur Freiheit ermächtigt und ermutigt" (123).

Von der III. Abt. „Amtshandlungen" seien wenigstens
die Titel genannt: Zur Problematik der kirchlichen Amtshandlungen
— Zur Problematik des Konfirmationsgelüb-
des — Das theologische Problem der Konfirmation — Bemerkungen
zu dem theologischen Problem der kirchlichen
Trauung — Zur Entstehungsgeschichte der kirchlichen
Eheschließung. Bemerkungen zu Ignatius an Polykarp
5,2. — Die Bedeutung der neuen römisch-katholischen
Trauordnung 1969. Ein Beitrag zu der sog. Gemeinsamen
Trauung — Die Anfänge der Ordination in Hessen.
— An diesen Arbeiten wird sichtbar, auf welch umfassender
theologischer Grundlegung die praktische Tätigkeit
des Vf.s als Vorsitzender der Liturgischen Kammer der
Kirche von Kurhessen-Waldeck und seine Mitarbeit in
der Luth. Liturgischen Konferenz beruht.

Die IV. Abt. „Seelsorge" bringt die Arbeit „Kirche und
Seelsorge nach Bucers Schrift ,Von der wahren Seelsorge
'". Diese eingehende kritische Darstellung der ersten
prinzipiellen und programmatischen Schrift der Reformation
zur Aufgabe der Seelsorge will dazu helfen,
„unsere heutige Auffassung von Sinn, Ziel und Methode
der Seelsorge zu überprüfen" (238). Hier tritt uns des
Vf.s eigenständige Bucer-Forschung entgegen, die ihn
auch im Bereich der Konfirmation und der Ordination,
wie die betr. Arbeiten der III. Abt. zeigen, zu neuen Erkenntnissen
geführt hat.

Wir haben hier eine „Festschrift" vor uns, die einen
nachhaltigen Eindruck von der wissenschaftlichen Arbeit
des mit ihr zu Feiernden selbst vermittelt.

Greifswald William Nagel

[Moule, Ch., F. D.:] Christ and Spirit in the New Testament
, ed. by B. Lindars and S. S. Smalley. In Honour
of Charles Francis Digby Moule. London: Cambridge
University Press 1973. XVIII, 440 S., 1 Porträt, gr. 8°.
Lw. £ 8.30.

Diese Festschrift, dem 65jährigen Professor Moule zu
Cambridge gewidmet, umfaßt 27 Beiträge, die sich um
die im Buchtitel angegebene Thematik sammeln. Natürlicherweise
ist es nicht möglich, in einer Besprechung
wie dieser die Beiträge näher zu erörtern, und bei der
Wahl zwischen einer Diskussion von einigen der Aufsätze
und einer vollständigen Aufzählung der betreffenden
Beiträge mit sehr knappen Inhaltsangaben ist hier das
letztere gewählt worden, trotz der Gefahr, daß die Kürze
die Gedanken der Verfasser verzerrt.

E. Trocme, Is there a Markan christology? (S.3—13),
bezweifelt, daß der Evangelist die christologischen Titel
als Träger seiner Christologie benutzt, und meint, daß er
ein zu abstraktes und unengagiertes Denken über Christus
abwehren, eine Willigkeit, das Evangelium zu verbreiten
und mit ihm zu leiden, erwecken will. J. M ä n e k,
Mit wem identifiziert sich Jesus? [Mt25,31-46] (S. 15-25),
beantwortet die gestellte Frage so, daß „die Brüder" von
25,40 die Christen (als eine Art kollektiver Menschensohn
) sind. — G. N. S tan ton, On the christology of Q
(S. 27—42), macht manche kritische Randbemerkungen zu
den letzten Arbeiten über Q. Bemerkenswert ist auch
seine — formgeschichtlich gesehen — „häretische" Vermutung
, daß die „Q-Gemeinde" nicht nur Q, sondern
auch eine Leidensgeschichte benutzt hat. — In The Son of
Man in the Johannine christology (S. 43-60), will B. L i n -
d a rs ergründen, wie der Evangelist, um Jesu nahe Verbindung
mit Gott herzustellen, die Vorstellung vom Menschensohn
übernimmt und kreativ im Hinblick auf Dan 7
und die jüdische Apokalyptik bearbeitet. — Die Frage
nach The use of the Fourth Gospel for christology today
will J. A. T. Robinson auf S. 61-78 mit einem Hinweis