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Ausgabe:

1975

Spalte:

60-62

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lüthi, Kurt

Titel/Untertitel:

Theologie als Dialog mit der Welt von heute 1975

Rezensent:

Bassarak, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 1

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bolischer Sprache artikulierten technischen Denken gewonnene
kontrollierende Erkennen wird verifiziert
durch die ihm entsprechenden Mittel. Für die symbolische
Dimension dagegen erscheint die „Authenti-
sierung" („authentication", 113ff; Begriff nach Urban)
als angemessen, welche sich innerhalb einer gegebenen
Redesituation inmitten einer historischen Sprachgemeinschaft
herstellt, ohne doch damit auf einen bloß
formalen Konsensus beschränkt werden zu können.

Bei einer Erprobung der dimensionalen Theorie von
Sprache in den verschiedenen repräsentativen Redekonstellationen
ergibt sich für Evans, daß beispielsweise
a ach die Naturwissenschaften, insbesondere, wenn es um
Gesamtperspektiven gehe, mit Symbolen arbeiten (z.B.
dem Atommodell, 171), mit deren Hilfe sich „Offenbarung
" ereigne; damit zeigten sich „methodologische
Parallelen zwischen Naturwissenschaft und Theologie"
(167, nach Charles Coulson). Umgekehrt arbeite auch die
Theologie mit der begrifflichen Interpretation ihrer
Symbole, durch die sie das Symbol als solches ausweist.
in seinen Beziehungen klärt und von Mißverständnissen
befreit (212). Im Symbol erschließt sich das Sein; das
..theologische Symbol repräsentiert das Sein als heilig"
(199); „Gott" ist ein „Symbol, durch welches wir ans
gewöhnlich auf das heilige Sein beziehen" (ebd., nach
John Macquarrie). Das Analogiedenken der klassischen
Theologie gehört nach Evans nicht auf die Seite des
Symbolischen, sondern in den Bereich der begrifflichen
Interpretation des Symbols. Tillichs Symboltheorie, die
zustimmend referiert wird, möchte Evans um den
wesentlichen Gesichtspunkt ergänzen, daß das Symbolische
nicht nur eine bestimmte „Sphäre" darstelle,
sondern eine durchfahrende Dimension allen menschlichen
Sprechens (188 u.ö.).

Nahezu sämtliche tragende Begriffe dieser Theorie
sind von anderen Gewährsleuten übernommen, deren
Rolle für die Argumentation allerdings merkwürdig
unklar ist (z. I!. im Blick auf K.Jaspers: „the tutelage
of", 140, ,,my guide", 141, „my choice", 142). Um Erhebung
der Theorien dieser Gewährsleute selbst geht es
offenbar nicht, sonst müßte die Sekundärliteratur und
das Problem der Genese einzelner Positionen stärker berücksichtigt
sein (vgl. die parallele Argumentation im
Blick auf die Entwicklung bei Heidegger, 28, Anm.2,
und bei Tillich, 184!). Allenthalben schlagen die von
Wilbur M. Urban (1873-1952) in ,Language and Reality.
The Philosophy of Languagc and the Principles of
Symbolism' (1939, 21951) ausgebreiteten Thesen durch,
die kaum je durch eigene oder fremde Kritik in Frage gestellt
werden.

Daß es für die heutige Theologie unumgänglich ist,
den spezifischen Ort religiösen Redens innerhalb der
menschlichen Sprache auszumachen, dürfte außer Frage
stehen. Es wäre aber zu klären, ob Evans sein Anliegen
nicht besser rein anthropologisch im Sinne von Wittgenstein
II und der daran sich anschließenden Tradition
hätte begründen können, ohne die schwerwiegenden und
umstrittenen ontologischen Voraussetzungen Heideggers,
Urbans und Tillichs zu Hilfe nehmen zu müssen. Die
von ihm vorgetragene Lösung fordert zu vielerlei Einwänden
heraus: Er weist selbst auf fundamentale
Unterschiede im Symbolgebrauch von Naturwissenschaft
und Theologie hin: Das naturwissenschaftlich«
Modell wird entworfen and im Kreis der Fachleute
akzeptiert; das religiöse Symbol dagegen kann nicht
geschaffen werden; zudem wird es bestätigt durch eine
historische Glaubensgemeinschaft und nicht, durch die
das Symbol nur reflektierenden Fachtheologen (191 ff.
211; 178, 192; verhängnisvoll ist die mehrfach auftauchend
« Wendung „religious or theologu al Symbols",
197 ff). Der psychologische Aspekt des Symbolproblcnis

wird ohnehin nur gestreift (196). Liebe, Freiheit, Sein
und Gott in einer asyndetisehen Reihe aneinander zu
knüpfen (27, vgl. 94), im selben Atemzug von Symbolen
„in science, art, or theology" zu sprechen (138) oder gar
den Begriff „Offenbarung' auf die Naturwissenschaften
in einem dem theologischen Sprachgebrauch verwandten
Sinn ZU übertragen (107f), scheint mir sprachanalyt iseli
und theologisch unmöglich.

Zudem: Inwiefern es im Sinne christlicher Theologie
ist, die Bede vom Sein selbst als Rede von Gott und
nicht nur als Ausdruck des vom „ontologischen Schock"
(Tillich) betroffenen Menschen und somit als Rahmenbedingung
des Redens von Gott zu verstehen, das aber
möglicherweise der Vokabel „Gott" gar nicht: bedarf,
steht eist noch zur Klärung an. Wollten sich die von
Evans vorgetragenen Überlegungen als Theorie christlichen
Redens von Gott verstehen, so dürfte schließlich
die Christologie nicht nur die Holle eines kurzen
Illustrationsbeispiels haben (204f, 216, 220f). Auf der
Basis der explizierten Wechselbeziehung von Anthropologie
und Christologie müßten die Anliegen von Evans
vorangetrieben werden, deren Berechtigung und Dringlichkeit
unmittelbar einsichtig ist: die Erarbeitung eines
neuen Verhältnisses von Naturwissenschaften und Theologie
sowie die Einrichtung eines „Clearing house for
theological language" und für menschlich« Sprach«

Überhaupt (231, XI. 3, 7, nach Tillieh, 186).

Corrigenda: Brlebnlw: Btlebnli (18), von ffumbolt: (W.) von Humboldt
(25, 43), &-Xt)(ttlCCt ä-M^) iic. (31), ,,1'rphenoinen": .,1 rpliauoliiru" (42),
niM'i'Uwiry,: neeeiwary. (Sil), Tulinln: Teulmln (120, Anni.l). „pride." Two:

„Bride": Two (180), pride They: pridc They (130). oonslderedt ratologle*:
oonrideied taatatogfee (UM), oonelutloa »r: pooeluaton of (187),nUtlonehlp:

rclatioii»hip(I42), l'olyani: l'olnnyi (lfiH), l'olaniy: l'olanyi (IG'.l), Alaregiiaii:

Marienau (172), reiigionj dlmeatloni: religio»« dlmensloni (170),Vex-

wiekhing: Verwirklichung (1X3, Aniii. 1). syinboluh live: hviiiImiIh Iihvc (Ulli).
Literatur»: J.iteraturn (MIO. Anni.l). militle: militile (222), Summer 11107:
firm KIT 11)98 (238; bzw. umgekehrt: MX), Amii.2).

■erlangen Hann-Ma11 in Harth

Lüllii, Kurt : Theologie als Dialog mit der Welt von heute.

Freiburg Hasel Wien: Herder [1971]. 199 S. 8 Quae-
stiones Disptitatae, hrsg. V. K. Kalinor u. II. Schlier, r»:i.
Kart. DM 24,—.

Dieser Titel des Wiener Systematikers kommt als
•">:>. Band der Quaestiones disputatae, herausgegeben von
Karl Rahner und Heinrich Schlier, heraus Grund
genug, um ihm mit Interesse zu begegnen. Doch es sei
alsbald und mit Bedauern gesagt: Das Interesse wird
enttäuscht. Der erste Teil enthält - nach einer anspruchsvollen
Ankündigung im Vorwort - „«in« philosophisch
-theologische Systematik des Dialogs, wie sie
so bisher nur in Ansätzen vorliegt" (5). Seine Überschrift
heißt: „Für neue Differenzierungen". Im zweiten
Teil sollen sechs Gesprächsmodelle „sofort konkret ...
Zeigen", wie der Autor es meint. Di« Gesprächspartner
sind: 1. Säkulare Welt, 2. Religion und Keligionskritik,
3. Katholizismus (Modelifrage: Glaub« und Welt nach
dem Vatikamnn II), 4. Abstrakte Künstler, 5. Abstrakte
Kunst (Modellfrage: Christusbild), 6. Moderne Schriftsteller
(Modellfrage : Das Problem des Bilsen). Ma n sieht :
die r«al«n (oder gedachten) Partner sind jedenfalls
„modern". Ist Modernsein alles?

Kympatbischcrweise setzt L. mit einer Distan/.iei ung
gegenüber dem .,Modegerede über den Dialog" heute ein
und fragt nach den Ursprüngen des dialogischen Denkens
bei Martin Buber und Ferdinand Ebner zurück (!>).
zugestehend, dftfi es sich dabei um «ine rein subjektive
Auswahl handele, und um alsbald zu proklamieren, dal)
es darauf ankäme, „über Ebner und Buber hinaus-