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Ausgabe:

1975

Spalte:

785-788

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Curran, Charles E.

Titel/Untertitel:

Catholic moral theology in dialogue 1975

Rezensent:

Ernst, Wilhelm

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785

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 10

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Menschen sterben liil.il und die lieanim.it ion besonders
„hei eingetretenem Gesamtgehirntod" (S.142) einstellt
. Tin Extremfall kann die Euthanasie „sogar einmal
eine Hilfe zum akt iven Sterben sein" (S. 177). Unter
aktiver Euthanasie versteht Vf. „die gezielte Lebens-
verkiirzung durch Tötung der Sterbenden" (S.24).
ö. Seine Meinung deckt Vf. mit Hilfe vieler Autoritäten.
„Gegen drei Dutzend" (S.7) hat er um eine persönliche
Stellungnahme gebeten, die er dann zum Teil wörtlich
zitiert. Darüber hinaus werden Mediziner, Juristen,
besonders existentialistische Philosophen und unter den
Theologen etwa K.Barth, Pius XIT. und H.Thielicke
zu Rate gezogen. 6. Interessant sind die Hinweise auf
juristische Regelungen. Das international anerkannte
Recht auf den Schutz des Lebens wird in den nationalen
Gesetzgebungen unterschiedlich ausgelegt . Zum Beispiel
ist die Schweizer Strafgesetzgebung hier relativ tolerant
. Dem neigt Vf. zu, wenn er die Bestrafung für eine
Mithilfe bei aktiver Euthanasie, bei der als eindeutiges
Motiv das Mitleid vorliegt, auf einen „symbolischen"
Akt beschränkt wissen möchte (S.101). Die Einstellung
der sozialistischen Länder mit ihrer Gesetzgebung
kommt nicht weiter zu Wort . 7. Ethisch gesehen zeigt
sich Vf. recht schwankend in seinen Argumenten. Er
arbeitet allerdings deutlich heraus, wie sich das Gros
theologischer und philosophischer Ethiker gegenüber
dein Problem der Euthanasie sehr zurückhaltend äußert.
Doch legt er auch Meinungen von Randsiedlern zur
Sache vor, die sich auch unter evangelischen und katholischen
Theologen finden. Die Art der Darstellung läßt
es an manchen Stellen offen, mit welcher Ansicht sich
Vf. identifiziert und mit welcher nicht. So hat es den
Anschein, als könne sich Vf. vorübergehend sowohl mit
der Naturrechtsauffassung von H.Thielicke einverstanden
erklären wie mit der christologisch begründeten
Peurteilung des Lebens durch K.Barth. Im Ergebnis
pendelt Vf. dann zwischen den Prinzipien von Lebenserhaltung
und Mitleid hin und her (S.150ff.). Letztlich
betont er die einsame Gewissensentscheidung des Arztes
als dem individuellen Entscheidungswesen (8.166111).
Sozialethische Erwägungen im umfassenden Sinn kommen
nur am Rande zu Wort.

Die von existentiellem Hingen getragene Mühe eines
Mediziners, sich auf dem weiten Feld säkularer und
christlicher Anthropologie und Ethik zurechtzufinden,
ist beachtenswert und biete* die Möglichkeit, sich differenziert
in die Probleme einführen zu lassen. Nach eige
nen ethischen Begründungen und Lösungen zu suchen,
bleibt jedoch keinem, der mit der Euthanasie theoretisch
und praktisch konfrontiert ist, erspart.

UitIIii Friedrich Winter

Ciirran, Charles K.: Calholir Moral Thrology in DialoKur. Xotre
Dnme/Iml./USA: Fides Puhl. [1972]. IX, 270 H. 8°. Lw.
* 0,50.

In neuerer Zeit, besonders seit dem II.Vatikanischen
Konzil, ist die katholische Theologie mit der Theologie
der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften,
aber auch mit den Profan Wissenschaften in einen intensiven
Dialog eingetreten. Im vorliegenden Werk untersucht
Vf. die Frage, inwieweit die katholische Moraltheologie
sich einem solchen Dialog geöffnet hat: mit
dem Humanismus (1 23); mit der Heiligen Schrift
(24 (14); mit den empirischen Wissenschaften («5 110);
mit der Sozialethik (111-14!»); mit der Theologie der
Kirche (150 183); mit der Homophilen Bewegung
(184- 219); mit der Theologie von Bernard Lonergan
(22(1 244); mit der Zukunft (245-203). Den Abschluß
des Werkes bildet ein Epilog über den gegenwärtigen

Stand der Moraltheologie am Beginn der 70er Jahre
(254-205). Das Buch enthält eine Sammlung von Aufsätzen
, die bereits in den Jahren 1970-1972 in verschiedenen
Zeitschriften und Büchern veröffentlicht worden
sind.

Hinsichtlich der Frage nach einem Dialog mit dem
Humanismus spricht Vf. speziell von der christlichen
Sozialethik, der er spezifisch christliche Gehalte abspricht
. Auf der Grundlage der Transzendentalphilosophie
von Rahner vertritt Vf. die Auffassung, daß es
zwischen Christen und Nichtchristen wie zwischen christlicher
und humanistischer Ethik keinen spezifischen
Unterschied gibt, weil Nichtchristen zu den gleichen
ethischen Zielen und Haltungen kommen können wie
Christen. Wenn man von einer spezifischen Eigenart
der christlichen Ethik Sprechen kann, dann ist es die
Tatsache, daß der Christ seine ethische Reflexion immer
im Lichte der biblischen Botschaft und im Horizont
des' neuen, in Christus empfangenen Lebens zu unternehmen
hat. Da für eine humanistische Ethik allerdings
immer die Gefahr besteht, daß die transzendentale und
esehatologisehe Dimension des wirklich Humanen vergessen
wird, ist ein Dialog zwischen christlicher und
humanistischer Ethik erforderlich.'

Zu einem ähnlichen Ergebnis führt auch der Aufsatz
über den Dialog mit der Heiligen Schrift. Vf. stimmt mit
der Position von .1.Fuchs überein, der zwischen der
Ebene des Transzendentalen und der Ebene des Kate-
gorialen unterscheidet und unterscheidend Christliches
einzig auf der Ebene des Transzendent alen sieht. Dieser
Unterschied ist von der traditionellen Moraltheologie
nicht genügend beachtet worden, weil sie einen zu
simplen Gebrauch von der Heiligen Schrift gemacht hat.
Sie hat einzelne Stellen der Heiligen Schrift lediglich
zum Beweis ihrer naturrechtlichen Aussagen herangezogen
.

Wie die Moraltheologie in der Vergangenheit eine
Offenheit für die exegetischen und bibeltheologischen
Erkenntnisse vermissen ließ, so auch eine Offenheit für
die Ergebnisse der Profanwissenschaften. Das hat sich
heute geändert. Allerdings ist damit die Gefahr aufgekommen
, daß das statistisch Festgestellte zur Norm
des Handelns erhoben wird. Demgegenüber muß die
Moraltheologie das Esehatologisehe und die Präsenz der
Sünde in den Blick heben. Sie muß ethische Modelle erarbeiten
, die es erlauben, die Daten der empirischen
Wissenschaften der ethischen Beurteilung und Kontrolle
zu unterwerfen. Die früheren deontologischen und teleologischen
Modelle reichen dazu nicht aus. Einzig das
Modell der Verantwortung, das unterschiedliche Bewertungen
zuläßt, kann als angemessenes Modell
gelten.

Das betrifft auch die Sozialethik. Hier hat bisher nur
ein Dialog mit den Aussagen des Lehramtes stattgefunden
. Wandlungen der Ekklesiologie und der Funk-
tion des Lehramtes werden hier eine Änderung mit sich
bringen. Das II. Vatikanische Konzil und die nachkonzi-
liare Theologie waren in der Sicht der Welt und der
Evolution zu optimistisch, manchmal geradezu utopisch.
In Zukunft muß eine mehr realistische Einschätzung der
niensc blichen Möglichkeiten in der Welt vorherrschen,
wobei vor allem nicht die Begrenztheit, die Sündhaftigkeit
und der esehatologisehe Bezug vergessen werden

dürfen. .

Im Dialog der Moraltheologie mit der Theologie der
Kirche geht es um „Verantwortung als ein normatives
Modell", das in der Moraltheologie an die Stelle der traditionellen
, institutionellen Theologie getreten ist.
Die-e- neue Modell impliziert : Freiheit des Individuums,
Achtung der Person und der zwischenmenschlichen Beziehungen
, Kritik an Institutionen, Verteilung materiel-