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Ausgabe:

1975

Spalte:

775-776

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Gallus, Tibor

Titel/Untertitel:

Von den Zeitgenossen Luthers bis zur Aufklärungszeit 1975

Rezensent:

Hesse, Franz

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Seite 1

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775

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 10

776

fragen der Kirche, das mit der Bekenntnisfrage korrespondiert
, spürl man den übrigen Aufsätzen des ersten
Hundes ab, z.B. nicht nur den aufgenommenen früheren
Arbeiten des Autors „Okumenizität. und Partikularismus
in der protestantischen Bekenntnisentwicklung" (1931),
„Franz Lambert von Avignon und das Verfassungsideal
der Reformatio ecclesiarum Hassiae von 1520" (1929)
und „Die Bedeutung der Hessischen Fragstücke für den
Bekenntnisstand der Hessischen Kirche" (1936), da-
neben ein Aufsatz über hessische Kastenordnungen
(1953), sondern auch den Untersuchungen über die
„Confessio Augustana Variata" (1962), „Theologie und
Laienchristentum bei Landgraf Philipp von Hessen"
(1968) und über Auswirkungen des Augsburger Religionsfriedens
auf die Rheinlande (1955). Daß überall die
eigentlich theologischen Beziige auch über der lokal-
historischen Akribie stehen, macht die Sammlung als
ganze interessant. Freilich gehen die Grundsatzfragen
im I. wie im II.Band aus der kirchengeschichtlichen
Forschung hervor. So beim Periodisieren der Kirchengeschichte
nach geistesgeschichtlichen Einflüssen, bei
der Frage nach dem Organischen, beim Organismusgedanken
(Schelling und die kath. Tübinger Schule!),
beim Bild der Reformationsgeschichte, wie Vilmar und
Heppe es prägten, bei der Deutung des „Protestantismus
" (im kath. Handbuch Theol. Begriffe), bei Studien
zur Geschichte des kirchenrechtlichen und' kirchen-
politischen Begriffs „Protestantische" Kirche in Bavern.
Dies alles im ersten Drittel von Band II. Aber auch die
rein biographischen Beiträge haben nicht bloß frömmigkeitsgeschichtliche
Anliegen, obwohl sie auch bei Philipp
von Hessen eine Rolle spielten. August Vilmar als „Theologe
. Politiker, Germanist, Schulmann", l'ein Iiiin und
Butzer zur Judenfrage, drei Beiträge zu Elisabeth von
Thüringen: alles bekommt den Charakter einer grundsätzlichen
Anwendung, nämlich aus geschichtlichen Entwicklungen
für den Weg der Kirche Einsichten zu erschließen
. So haben nicht nur der erste und letzte Beitrag
in Band II übergeschichtliche Dimensionen, auch
die beiden Aufsätze über die Sendungsfrage der Kirche
(aus dem Lutherischen Missionsjahrbuch aufgenommen,
ergänzend zur Frage ist „Reformation und Mission" in
Band I) und „Kritische Fragen an die Unionen"
(1908 =11,206 230)gehen von Schleiermacherund seinen
Einfluß auf diese Fragen zum Grundsätzlichen über.

Eine Ergänzung der „Bibliographie Wilhelm Maurer
(19654969)" mit den Nrn.233-250, über den Zeitraum
1965-1969 (eine Arbeit 1955) nachtragend, schließt die
Sammlung ab (II,403f.). Die Edition ist sauber, die
Angaben sind zuverlässig. Den beiden Herausgebern gebührt
Dank, erst recht dem Autor, der „das reformatorische
Aidiegen bis in seine Wurzeln zurück" zu verfolgen
verlangt und „Luthers reformatorische Entdeckung
" als den „entscheidenden Durchbruch" für die
Wiedergewinnung kirchlicher Geineinschaft weitet
(IT.118f.). Auf dieser geschichtlich gesicherten Erkenntnis
kann man sich verständigen.

Jcnii Herst Relntker

Gallus, Tibor: „Der Nachkomme d«r Frau" (Gen 3,15) in d>r
ahliithrraniachrn Schriflauslegun«. Kin Beitrag zur Ge-
Hchichte der Exegese von Gen .'1,15. II: Von den Zeitgenossen
l.ntliers bis zur Aufkläriingszoit. Klagenfiirth: Carinthia
1978. 170 S. gr. 8°.

Dem ersten Band, der hauptsächlich die Auslegung
Lathen, daneben kurz auch Zwingiis und Calvins zu
Gen 3,15 behandelte angezeigt in ThLZ 92, 1967
Sp.öOf. folgte acht Jahre später ein zweiter Band:

„Von den Zeitgenossen Luthers bis zur Aufklärungszeit",
der hier zur Besprechung uns!elit. Tu seitlicher Folge

werden in diesem Rande Ausschnitte ans Werken von
siebzig mehr oder weniger bekannten Theologen meist,
aber nicht durchweg lutherischen - gebracht, die sieb in
irgendeiner Weise zur Auslegung von Gen 3,15 äußern.

Hatte der Rezensent seinerzeit den Wunsch geäußert,
der Vf. möge in dem damals in Aussicht gestellten

II. Band seine Gedanken noch etwas straffer fassen und
wiedergeben, so ist nunmehr zu konstatieren, daß G.
diesen Wunsch über Gebühr erfüllt bat: Abgesehen von
einer knappen, vier Seiten umfassenden Einleitung und
einem Zweiseitigen Schlußwort aus seiner Feder kommen
ausschließlich Zeugen der „altlutheranischen
Schriftauslegung" zu Wort. Allenfalls gibt O. mit ganz
wenigen Sätzen eine Einführung, enthält sich aber jeglicher
Kommentierung. Wenn er also den ersten Abschnitt
mit den Worten beginnt: „Dieser Abschnitt
untersucht die Werke jener Schriftsteller ..." (S.19),
so ist da schon viel zuviel gesagt; von einer „Untersuchung
" kann dort keine Rede sein, wo Auszüge aus
den Werken verschiedener Schriftsteller lediglich aneinandergereiht
werden. Das Schlußwort wird da dem
Sachverhalt eher gerecht; hier stellt G. übrigens einen

III. Band mit „exegetisch-theologischer Auswertung des
Materials" in Aussicht (S. 103f.). Die vorliegende Arbeit
G.s hat, nüchtern betrachtet, darin bestanden, aus über
hundert Autoren, die in Betracht kamen, siebzig auszuwählen
und ihre weniger oder (meist) mehr ausführlichen
Darlegungen zu Gen 3,15 zu sammeln. Dabei hat
er lateinisch schreibende Schriftsteller ins Deutsche;
übersetzt und altertümliches Deutsch in modernes über-
t ragen.

Der Rezensent muß ohne Umschweife gestehen, daß
ihm der Sinn dieses zweifellos mühseligen und fleißigen
Arbeitens verborgen bleibt. Das Ergebnis der Arbeit G.s
sieht nach seinen eigenen Worten so aus: Es ist „die voll«;
Übereinstimmung der altlutheranischen Scliriftaus-
legung mit der Luthers über das ,Protoevangelium'" ZU
konstatieren. „An dem exegetisch-theologischen Gut
Luthers vom .Weibessamen' wird bis zur Aufklärungszeit
festgehalten. Die Gründe Luthers werden vertieft,
erweitert; ergänzt. Dadurch entsteht ein einmaliges
Gesamtbild über die volle Einst immigkeit in der Schrill -
auslegung vom .Weibessamen'" (8.163). Angesichts
dieses Resultats ist die Frage denn nun doch nicht zu
unterdrücken: Wozu dann dieser Aufwand? Und eine
weitere Frage. Cui bono ist das alles zusammengestellt
worden? Wer sich in wissenschaftlicher Arbeit mit diesem
Fragenkreis befaßt, kommt nie ht umhin, die in B#"
t rächt kommenden Autoren im Original, d.h. auch in der
von ihnen benutzten Sprache (meist also in Latein) zu
studieren. Dieser von G. herausgebrachte Band mag ihm
dabei allenfalls als ein einführendes Florilcgium dienen-
Wem sonst aber ist mit diesen sich über nahezu 150 Seiten
hin erstreckenden, oft recht langatmigen Ausführungen
- bei denen es nach eigenem Eingeständnis
des Vf.s nicht ohne „zuweilen langweilig anmutend''
Wiederholungen" abging (S.lö3) gedient, in denen die
-heute von keinem ernst zu nehmenden Kxegetcn mehr
geteilte - Auslegung eines Bibelwort.es vor uns ausgebreitet
wird, das nur aufgrund dieser Auslegung
Kernstelle galt ?

„Das Lesen dieses Buc hes setzt große Geduld voraus
(S. 14) - wie wahr! Daß aber „dem Geduldigen ... eine
neue Welt auf(gcht), die zu erkennen der Mühe wert ist
(ebd.), hat der Rezensent jedenfalls an sich selbst nicht
feststellen können. Ol) ihm die nötige Geduld gefehl
hat?

MoDiter/Westf. Krim/. II'««"