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Ausgabe:

1975

Spalte:

764-766

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Glauben und Grammatik 1975

Rezensent:

Koch, Klaus

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763

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 10

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exegetischen Erklärungen nötig, denn der wichtigste
Exeget ist der Zusammenhang. 63 Seiten Sachexegese
Stehen in einem Sprachlehrbiieh |."> Seiten Text gegen
über. Auch liier ein Prinzip: Zu jedem der 250 Texte
eine Erklärung! Mir scheint es nicht sachdienlich, daß
die Theologen, vielleicht bewußt so gelenkt, theologische
Erkenntnisse und Hypothesen ausstreuen, anstatt sich
auf die unmittelbar notwendigen Erklärungen zum Text
zu konzentrieren. Wie die Sprachen im Theologiestudium
, so sollten theologische Auslassungen im
Sprächlehrbuch nur dienende Punktion haben. In
einem solchen Buch sollte auch das Deutsche nicht vergewaltigt
werden. Verbindungen wie „die Waffe bitteren
Sarkasmus''' (1,8) oder „wegen dessen Mißbrauchs"
(14,9) strapazieren den deutschen Genitiv allzusehr.
•Die Aufnahme der Piatontexte rechtfertigt sich nicht
von ihrer Beziehung zum NT. sondern einfach dadurch,
daß sie „klassisch" sind. Sonst wäre die Stoa und Epi-
kur an der Reihe gewesen. Daß zu diesem Teil keine
Sachexegese gegeben wird, entspricht der Vorbildung
der Dozenten, die heute für das ntl. Griechisch zur Verfügung
stehen, und mag die Krage nach einem künftigen
Berufsbild ins Bewußtsein nicken.

Das grammatische Verzeichnis, das den ersten Teil
beschließt, bringt teils zuviel, teils zuwenig. Gleich für
die 1. Lektion werden weite Partien der Syntax angegeben
, die für den Anfang unmöglic h sind, die aber
in der Lektion auch gar nicht vorkommen. Dagegen
fehlen Verweisungen auf die Grammatik bei verschiedenen
Artikelregeln, bei der Deklination von <u'y«s, »wMfi
ovrott iyiri, bei Sang = 8;, beim Verbaladjektiv.

Das Vokabelverzeichnis nach Lektionen, das den zweiten
Band eröffnet, zeigt die Auswirkungen des Originaltextprinzips
: Die Zahl der Vokabeln pro Lektion ist sehr
groß (L 1: 84; L 2: 93). Die Kennzeichnung derjenigen,
die im NT weniger als zehnmal vorkommen, soll eine
.Möglichkeit der Auswahl heim Leinen schaffen. Das
starre Prinzip, anhand der Morgenthalerschen Wortstatistik
mühelos zu praktizieren, läßt das sachliche Gewicht
des Wortes und die Verbreitung der Wortfamilie

außer acht. So weiden tUilhk. i.i o<«V. buo'knyia bei

seite gestellt, obwohl die Familie inuihiy- 33mal im
NT vorkommt. Dagegen bleibt z.B. das nur sechsmal
vorkommende Aniyja»m. vollgültig, nur weil es lexikalisch
unter demselben Stichwort wie das Aktiv mit
seinen ganz anderen Bedeutungen läuft, yswijrrft gilt
lexikalisch als eigene Vokabel und wird, da im NT nicht
belegt, abgewertet, damit aber zugleich das Verb
yfwäv, das sich 97mal im NT, aber nicht in den Vokabeln
der Ekl. findet. Hier hätte das gestaffelte Lernwörterverzeichnis
der den Ekl. zugrunde gelegten Grammatik
gediegenere Wege weisen können. Das Vokabel Verzeichnis
bringt zu neuen Vokabeln in Klammern verwandte,
ilie bereits vorgekommen sind. Das ist gut, doch weil es
zum Prinzip gemacht wird, werden oft offene Türen
eingerannt. Häufig wird in verengender Weise nur die
zufällig vorliegende Bedeutung oder Konstruktion he
rücksichtigt, z.B. «MmIm m. Akk. (so einmal im NT,
dagegen sechsmal anders!). Andererseits werden ge
läufige Bedeutungen durch den Zusatz ..hier:" als
Besonderheiten hingestellt, z.B. „fähig" für l*a*it
oder „denn" für öti (, das im NT sogar häufiger paßt als
„weil"). Um des Prinzips willen steht bei jedem Substantiv
der Artikel, sogar im Eigonnanienvorzeic hnis,
wo man erfährt, daß Joseph Mask. und Maria Fein. ist.
Bei den Adjektiven werden alle Genera mit ihren Aus
gängen, aber nicht mit ihrer Betonung und auch bei der
konsonantischen Deklination nicht mit ihrem Genitiv
angegeben; einerseits Überflüssiges, andererseits zu
wenig, um eindeutig zu sein. Hinter Fragewörter sollte
nach anerkanntem Brauch das Fragezeichen kommen.

!>ei Komposita sollte die Zusammensetzung kenntlich
gemacht sein, z.B. fta-ntfd», aber it-u-nofiw.

Die Tabelle der Stammformen weist zahlreiche Unstimmigkeiten
verschiedener Art auf. Für die Auswahl
der Verben ist das Vorkommen in den Ekl. maßgeblich,
für die Stammformen aber das Bauersehe Wörterbuch,
so daß B.B. eine nur im Diognetbrief vorkommende
Form das Verb xh'nrm unter die unregelmäßigen erhebt.
Wenn z.B. '"'"> ganz fehlt, zeigt da.s. daß der Gedanke
eines gezielten Lernkauons von Stammformen außer

acht bleibt.

Im Verzeichnis der Eigennamen walten wie schon oben
an einem Beispiel gezeigt, besonders stark die Prinzipien
. Bis auf „Jesus" und „Jude" wird jeder Eigenname
erklärt, z.B. „Eva, Frau Adams". Andererseits soll einer
bereits wissen, was „idumäische Dynasten" sind, denn
das ist die Erklärung zu „Hemdes".

Aus der Zahl der sprachlichen Fehler in den Ekl. greife
ich die heraus, die auf ein Herausnehmen aus dem Zusammenhang
oder auf das Verhältnis zum Attischen
zurückgehen: Der Satz 5,2 xai viv anoottlkat nt ist durch
das fehlende StOftu falsch geworden. In 21,2 verführt das
weggelassene yi'cn zu der falschen Akzentuierung olix
ian. In üb 24,11 soll ii» (M&titijM nnftinSna übersetzt
werden, was sinnvoll gar nicht möglich ist, du es sich
um ein prädikatives Partizip handelt. In der Bedeutung
der Tempora beim Irrealis besteht gegenüber dem Attischen
kein solcher Unterschied, wie er in Üb 8,2 behauptet
wird, ni ist nicht wie im Attischen einfac h Kennzeichen
der Anrede (Vokabelverz. 5,13). Bei timt ist
zwischen den Bedeutungen der verschiedenen Konst ruktionen
wohl zu unterscheiden, wenn auch in anderer
Weise als im Attischen.

Mit alledem soll die praktische Brauchbarkeit- des
BuchflS für geweckte und eilige Studenten nicht bestritten
werden. Der Strom der Praxis kann das Schiff über
viele Steine des Anstoßes, die in der Fahrrinne liegen,
hinwegtragen freilich um so leichter, je geringer der
Tiefgang ist. Es werden weitere Schritte auf dem begonnenen
Wege zu tun sein, um das Optimum an dieser
wichtigsten Stelle der sprachlichen Vorbildung des
Theologen zu erreichen.

Hohenheida üottlrled Sleyer

(rf-rber, l'wc. u. Krhardt Güttgrmann* |HrHg.]: (ilanbrn und
Grammatik. Theologisches „Vorstehen" als grammatischer
Textprozeß. Bonn: Linguistit-a Hibben 1973. VII, 194 S.
K" Forum Theologiae Linguist jene. Interdisziplinäre
Schriftenreihe für Theologie u. Linguistik, hrsg. v. K. (iüttge-
rnatms, 4. DM 18,—.

Der Bonner Neutestamentler Güttgemanns bemüht
sich wie kein anderer, neuere linguistische Konzeptionen
in die Theologie einzuführen und nic ht bloß einzelne
Methoden, sondern die Theologie insgesamt dadurch
umzugestalten. Für seine Beharrlichkeit, mit der er vor
allem die Exegeten aus den Schalen einer verkrusteten
Philologie befreien will, gebührt ihm Dank der Fachwelt
, ohne dal damit notwendig Zustimmung verbunden
sein sollte zu der Weise, in der Güttgemanns künftig
Theologie betreiben will und die er für allein wissenschaftlich
möglich erklärt.

Der vorliegende ISaud vereint vierzehn lieit rüge, die
teils auf einer Tagung im Februar 1973 in Loc c um über
Linguistik und theologische Hermeneutik vorgetragen
worden oder in Anlehnung an die dortige Diskussion
entstanden sind. Sechs stammen vom Herausgebe''
Güttgemanns: Zur Einführung; Glaube und Grammatik
; Strukturale Meditation über Exodus 3,1-1*'