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Ausgabe:

1975

Spalte:

747-749

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schicklberger, Franz

Titel/Untertitel:

Die Ladeerzählungen des ersten Samuel-Buches 1975

Rezensent:

Stoebe, Hans Joachim

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747

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 10

74«

genannten Schrift durch A.Dotlian (Jerusalem 19f>7)
untersucht der Autor die Akzentliste dieser Schrift,
insbesondere des ersten Abschnitts Scha'ar ha Ta'amim
sowie die Begriffe ta'am und mascharel und weist diesen
Listen ihren Sitz im Leben zu. Die beiden genannten
Traktate wollen keine neue Unterrichtung, sondern nur
eine Gedacht nisst ätze fiirdie berufsmäßigen Punkt atoren
der masoretischen Schulen geben zur zweckmäßigen
Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben.

Man legt den Textusband VIII mit dankbarem
Herzen aus der Hand. Die Wissenschaft ist um eine
wei t volle weiterführende Gabe bereichert worden.

Hui Bardtlu t

Schickiberger, Franz: Die Ladeerzählungen des ersten Samuel-
Buches. Eine literaturwissenschaftliche und theologiegeschichtliche
Untersuchung. Societati Verbi Divini. Würzburg
: Echter Verlag [1973]. 263 S. gr. 8° = Forschung zur
Bibel, hrsg. v. R.Schnackenburg u. J.Schreiner, 7. DM 24,-.

Die Untersuchung geht von der These Rosts (1926)
aus, daß l.Sam 4-6; 2.Sam 6 eine literarische Einheit,
nämlich eine Ladeerzählung, den itnos '/.uy<,< des Jerusalemer
Heiligtums, gebildet hätten, die dann bei der
Einarbeitung in die Sam-Bücher zertrennt wurde. Diese
These, zunächst als unwiderlegbares Forschungsergebnis
anerkannt, hat in jüngster Zeit zunehmend
Kritik erfahren (vgl. S.ll, Anm. 4; dazu wäre jetzt
auch zu nennen Stoebe, Das Erste Buch Samuelis 1973.
Es ist schade, daß beide Veröffentlichungen gleichzeitig
sind, darum nicht aufeinander Bezug nehmen konnten).

Mit diesem ganzen Fragenkomplex setzt Vf. sich auseinander
. Er geht so vor, daß er nach einer kurzen Zusammenstellung
bisheriger Forschungsergebnisse (S.17
bis 25) zuerst l.Sam 4 sowohl literar- wie form- wie
gattungskritisch untersucht (S. 25-73). Bereits die
literarkritische Untersuchung führt Vf. zu dem durch die
anderen methodischen Gänge bestätigten Ergebnis, daß
4,5-9 (dazu 13aa.14a.18b.22) sekundäre Erweiterung
der Grundschicht von Kap.4 sind. Diese stellt eine in
sich ruhende „Katastrophenerzählung" dar, in der der
Verlust der Lade, Tod Elis, Tod der Söhne usw. gleiches
Gewicht haben und nichts darüber hinaus weist. Überlieferungsträger
waren Volkskreise, die Silo und den
Eliden nahestanden (was übrigens noch nicht auf das
Nordreich Israel weisen würde; gegen S. 175).

Deutlich hebt sich 4,5-9 davon ab (S.73ff.). Der
Sprachgebrauch weist auf die Ideologie der Jahwekriege,
das Hauptmotiv ist die Furcht der Philister vor der Lade
. Damit wird der Rahmen einer „Katastrophenerzählung
" gesprengt, die Sicht der Lade theologisiert
und dynamisiert.

Dieses Fragment gehört in einen größeren Zusammenhang
; seine Motive und Vorstellungen finden ihre Bezugspunkte
in 1 Sam 5 und 6. Diese Kapitel werden zunächst
literarkritisch analysiert , dann der jeweils herausgestellte
Grundbestand nach seiner syntaktisch-stilistischen
Besonderheit und seiner Struktur befragt. Das
Ziel von 1 Sam 4,5-9; 5,1-6,14.16 wäre es, zu zeigen, daß
Jahwe immer bei der Lade ist und sich Dagon überlegen
erweist. Zu beachten ist das starke Gewicht, das die
Analogie der Ägyptenereignisse in der Darstellung hat.
2 Sam 6 bleibt außerhalb des Ansatzes bzw. wird
(S. 129-150) nach seinem literarischen Verhältnis zu
1 Sam 6 befragt (keine literarische Einheit; dem Vf.
von 1 Sam 6 hat 2 Sam 6 bereits vorgelegen). Da Rost
selbst später 2 Sam 6 nicht mehr zu seiner Ladeerzählung
gerechnet hat (lt. mdl. Mitteilung), kann das hier
auf sich beruhen bleiben.

Der Autor dieser eigentlichen Ladeerzählung hat die
„Katastrophenerzählung" seinem Werke vorangestellt
und ihr damit die Funktion einer theologischen „Aus-
sageerzählung" von der Geschichtsmächtigkeit der
Lade gegeben, die am Schicksal der [unterbliebenen
Glieder der Familie Elis nicht mehr interessiert war, sondern
weit darüber hinausführte. Die „Katastrophen-
erzählung" weist ebenso wie die „Aussageerzählung"
mit ihren Rückbeziehungen auf die Agyptenereignisse
in den (forden Israels (vgl. dazu o.). Per geschichtliche
Hintergrund könnte die Assyrerbedrohung, die Eni
stehung in der Zeit Hiskias anzusetzen sein, als der Zusammenbruch
des Nordreiehes die theologische Aufarbeitung
seines Gedankengutes forderte. Zugleich sollte
wohl die alte konservative Ladetheologie der herrschenden
modernen Zionstheologie entgegengestellt werden.

Man weiß dem Vf. Dank für seine fleißige und eingehende
Untersuchung und wird alle seine Ausführungen
und Positionen sorgfältig durchdenken. Dennoch bleibt
eine Reihe von Fragen sowohl exegetischer wie auch
grundsätzlicher Art. In seiner Auffassung von 4,11) folgt
Vf. der LXX, die aus Angreifern Angegriffene macht. Er
stimmt darin mit der .Mehrzahl der Ausleger überein,
doch erklärt sich deren Urteil aus einer Überschätzung
des textkritischen Wertes der LXX, der gegenüber man
heute zurückhaltender urteilen muß. Eine Änderung
eines Angriffs- in einen Verteidigungskrieg wäre aus der
theologischen Sicht späterer Zeit leichter zu verstehen
als der umgekehrte Vorgang (vgl. etwa 1 Sam 7,2ff.).
Handelt es sich aber um einen zunächst begrenzten
Versuch, philistäischen Druck zu mildern (vgl. et wa
1 Sam 14), so gehörte trotz des glücklosen Ausganges
(zu dem das Ende der Saulgeschichte zu vergleichen
wäre) bereits die Grundschicht in den Vorstellungsbereich
des Jahwekrieges, wäre zugleich einer isolierten
Auffassung von v 5-9 der Boden entzogen (unbeschadet
einer späteren Umstilisierung eines ursprünglich einfacheren
Berichtes). Da die Philister ja Sieger bleiben
(die nächste Analogie wäre vielleicht 2. Sam 10,12)
kann man sowieso von einer Dynamisierung der Ladevorstellung
hier nur sehr schwer reden.

Im Zusammenhang damit wäre zu bedenken, ob die
formkritische Analyse und die Frage nach der Struktur
der einzelnen Einheit nicht zu eng gefaßt ist. Wie soll
man sich eine „Katastrophenerzählung" vorstellen, die
etwa 300 Jahre überliefert wurde, obwohl das Interesse
an den Vorgängen längst erloschen war, zudem das
ephraimitische Heiligtum der Lade schon vor Saul verlorenging
, dann von David nach Jerusalem verbracht
worden und dort geblieben war (was vermutlich eine
Prestigegewinn auch für die Lade bedeutete). Was
konnte dann aber noch in den Norden weisen?

Diese Geschichte der Eliden oder besser des Heiligtums
von Silo, das seine Bedeutung verlor, ob es nun
von den Philistern zerstört wurde oder nicht, muß wohl
im Zusammenhang mit der Geschichtsentwicklung im
Übergang von der Richter- zur Königszeit gesehen und
in ihn hineingestellt werden.

Dann wird aber auch deutlich, wie anders und zugleich
wie wenig einheitlich das ist, was Kap. 5 und 6 über
die weiteren Schicksale der Lade berichtet wird; jedenfalls
ist es kein geschlossener literarischer Zusammenhang
, in dem man die theologische Absicht eines Autors
sehen darf. Gewiß lassen sich Anklänge an die Ideologie
der Jahwekriege sehen, aber sie sind weithin abgeblaßt
und z. T. geradezu zur'Burleske geworden, wie sie volkstümliche
Überlieferung charakterisiert, die sich meist
über die theologischen Konsequenzen dessen, was sie
erzählt, nicht mehr klar wird. Es wird sich vermutlich
um fließende Überlieferung und Zusätze verschiedener
Zeiten handeln. Das älteste und urtümlichste Stück