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Ausgabe:

1975

Spalte:

704-706

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Vergote, Antoine

Titel/Untertitel:

Interprétation du langage religieux 1975

Rezensent:

Kieffer, René

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 9

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genannt: 1. Wiowoit (Mitspricht „die Theologie den gegenwärtig
als optimal angesehenen Kritorien der Wis-
senschaftlichkcit ohne sieh Bedingungen zu unterworfen
, die sie sich rechtens nicht zu eigen machen
dürfte" ? (24f.). 2. Wie lassen sich die verschiedenartigen
Ansätze in der Aufgabenstellung der Thoologie für Zielsetzungen
und Methoden so wissenschaftsthoorotisch
genoraliaieron und präzisieren, daß man zu begründeten
Entscheidungen für eine bestimmte kommen kann ?
t. Wio kann „auf wissonsehaftsthooretischor Grundlage
die Forschungspraxis der Theologie im einzelnen kritisiert
, d. h. auf ihre Leistungsfähigkeit hin überprüft
werdem ..." ? (25). 4. Was kann wissonschaftsthooreti-
scho Verallgemeinerung an der Thoologie als auch für
andere Einzelwissonschafton klärend und anregend erkennen
?

Dieses Programm eröffnet einen ersten Haupttoil A:
,,Ansätze zu einer wissonschaftsthooretischen Selbstreflexion
der Thoologio" (Gerhard Sautor). Ihm folgt,
als nähero Ausführung dieses orston Haupttoiles, die
obligatorische historische Kinführung. Sie greift auf den
.üoutschon Idealismus' zurück, der dio Idealvorstellung
von Wissonschaftlichkeit als allgemeingültiger, ratio-
nalisiorbarer, ja reproduzierbarer Erkonntnis, überhaupt
dio Idee dor Universität, hervorgebracht habe
(27f.). In dieser fand sich dio Thoologio in der Doppel -
funktioni Repräsentantin der Kirche in der neu geschaffenen
Wissenschaftsorganisation und Repräsentantin
dor modernen Wissenschaften gegenüber der
Kirche zu sein (31). Ähnlich „der Vormittlungsvorschlag
Sohloiormachors" (33ff.), dor in „Intogrationsvorsuche
der Thoologio" und „Emanzipationsvorsuche" (Dialektische
Thoologie) auseinandertrieb. Die jüngste Zeit
orschoint gekennzeichnet durch „Revisionsbemühungen
". -—■ Schon dieser historischo Abriß spricht eine
wichtige Kritik aus: Die Theologie verläßt sich zu sehr
>,auf eine Orientierung an der Kontinuität ihrer eigenen
Vorgeschichte" (30). Dio üriontiorung an der Umwelt
bleibt überwiegend formal-methodologisch, zumal „die
immer neue Auslegung und Ausführung der klassischen
Texte der Theologie zu ihrer ausschließlichen Problem-
oriontierung wurden" (31).

Einen breiten Raum nimmt der Hauptteil B ein:
• iGrundproblome dor Wissonschaftstheorie" (S. 51—
'43). Hier we rden in fünf Einzolaufsätzon die Allge-
'"eiii|>r<>b|eme von Wissenschaftstheorie erörtert, insbesondere
die Entwicklung der Logik und moderner
Wissenschaftsorganisation betreffend. Diese Einzolauf-
Bätze sind folgende: Die Hauptlinien der wissenschafts-
'■heorot isehen Diskussion Im 20. Jahrhundert (Wolfgang
Haddatz), Theorie der Theoriebildung (Wolfgang Rad-
datz), Methodologie (Gisbert König), Wissonsohafts-
"Giik (Hans Günter Ulrich), l'ragmatologie (Hans

Wilfried Haase/Gerolf Schultzky). So interessant .....I

'"'lehrend diese Aufsätze sind, eine unmittelbare theo-
'°gische Relevanz kann nur der theologische Fachkenner
'"'isteilen — und im Grunde nur e contrario aus der
''■'"sieht in dio völlige Audorsartigkcit der theologischen
Erfordernisse für logische Kegelbildung, wie sie nachher
"" Sohluflteü D deutlich (wonngloich u. E. nicht deut-
genug ausgesprochen) wird. — Theologisch bemor-
**OCWer1 im Prinzip ist natürlich die „ Wissenschafts-
•*bik" und damit dei Hinweis darauf, daß die Wisson-
^' ''alistheorie auch eine „ethische Dimension" hat.
"I)'>* wisMiiiHchaftsethischo Problem ... besteht darin,
XV|" in ihn (lang des Wissenschaftsfortschritts Fragen
,(,,,. prioritft(, vol, |„.Ht jumilein Wissen ein bezogen
u"i«len können" (I IH). Oberhaupt geht es um „die Wi
'""•liohkeil der Zuordnung von Wissenschaft und Q»"
*°"»cliart, Wissenschaft und Politik" (119). Dies auf

die Theologie zu übertragen, verlangt abor die Zwischenschaltung
der Ekklesiologie und einer Theologie der
( iesellsehaft. IJnmit tolhnrcro Konsequenzen würden sieh
allerdings ergeben, wenn dio Wissonschaftsothik eine
Psychologie des Wissenschaftlers zum Partner hätte,
die all diejenigen Eigenarten und Unarten des Wissenschaftlers
als Mensch und in dor Person aufdeckto (Man
denke an Eduard Sprangers Beschreibung dos .theoretischen
Menschen' in soinen .Lebensformen'I), denen
zur Steuer eine Wissonschaftsothik dor Person eine
nicht geringoro Relevanz zeigte als dio Wissenschafts-
ethik der Gesellschaft. Violleicht kann es dor besondere
Beitrag des Theologen an diesoin Thema sein, auf
oine Verengung und geradezu typische Vorentscheidung
heutiger Wissenschaftstheorio (im Sinne dos Hauptteiles
B) aufmerksam zu machen, dio in einem zu beobachtenden
Zug zur Verobjoktivierung und Vorsachli-
chung aller Probleme liegt, der dann an der Wissonschaftsothik
(und „l'ragmatologie") nur noch mit Sachrelationen
und Sprachzwängen rechnet. Es ist die Schou
vor jedem ,Psychologismus' sowie das Reizwort „Moral-
lehro" (oder gar „Standesothik"), was der mannigfachen
Störfaktoren vom Subjekt Mensch und monsch-
lich-mitmenschlicher Kooperation her nicht mehr gewahr
werden läßt. So muß ich dem Satz widersprechen:
„Der Wissenschaftler ist ,als Wissenschaftler', solange
er nichts anderes tut als forscht, von jeder ethischen
Keflexion ausgenommen ..." (Ulrich, 111).

Auch der Hauptteil (': „Wissenschaftstheorie in den
Einzelwissenschaften'' hat seinen Wert mehr als allgemeine
Information denn als Ausmessen eines Geländes
, auf dorn seßhaft zu werden theologischo Arbeit
überredet werden könnte. Das gilt nicht nur für dio
„Theoriebildung der Naturwissenschaften" (Gisbert
König), sondorn auch für „Die Theorie dor Sozialwissenschafton
" (Wolfgang Raddatz). Ein weiterer Aufsatz
„Theoriebildung in den Geisteswissenschaften" (Jürgen
Court in/Hans-Wilfried Hanse) bringt, und das ist lehrreich
, das Problem der „Historisierung der Geisteswissenschaften
" (169), vorab in der Theologie, zur
Sprache. „Daß die Geschichte innerhalb der Theoriebildung
eine so zentrale Rollo einnahm, ist der Sache
nach keineswegs selbstverständlich. So hat etwa ein
großer Teil der geisteswissenschaftlichen Disziplinen,
wie die Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaft en,
nur ein selir bescbrankt.es historisches Interesse entwickelt
" (1 <>(>). „Die Dominanz historischer Verfahrensweisen
gilt bis heute in vielen Disziplinen als Garant
der Wissenschaftlichkeit (vgl. etwa Germanistik, Theologie
)" (169f.).Der Aufsatz über „die Theorie der Sozialwissenschaften
" ist natürlich dadurch nicht ohne Interesse
für den Theologen, daß er das ganz Grundsätzliche
unterstreichen und an Beispiel und Autorität erhärten
kann, daß die Zeiten vorbei sind, wo Wissonschaftlichkeit
und Parteilichkeit sich gegenseit ig ausschlössen. Es
mag sogar von Vorteil sein, eine Musterdebatte über
.roine' (wertfreie) und .engagierte' Wissenschaft (189)
auf neutralem Boden und mit fremden Namen vorgeführt
zu bekommen. Trotzdem schlägt man mit
Erleichterung und Spannung zugleich den letzten
Hauptteil D auf: „Grundziige einer Wissenschafts-
theorie der Theologie" (Sautor).

Wie schon angodoutet, kommt derjenige nicht auf
seine Kosten, der eine Enzyklopädie oder Methodologie
früheren Verständnisses, vielleicht gar hermenoutische
Technik, erwartet — auch nicht der primär historisch
fragende Theologe. Es geht um ein Kapitel systematisch
-theologischer Grundlagenproblematik. .Theologie'
im engsten und strengsten Sinne wird kritisch orfragt:
Wie ist Heden von Gott zu verantworten? Folgende