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Ausgabe:

1975

Spalte:

696-698

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Aaron bis Crescentianus von Rom 1975

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Ü93

Theologische Literaturzeitung 10(1. Jahrgang 1975 Nr. 9

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war (gleich auf S. 1 hervorgehoben); so bewundernswert
weit sie ihren Blick auch öffnete, sie tat es nicht
woit genug, um zu erkennen, „daß das Christentum,
wie es auch mit der vermeintlichen Lenkung seiner
Eata stoho, unfähig gewesen ist, sich den Kolgen auch
nur einer einzigen Schwäche der menschlichen Dinge zu
entziehen" (Franz Overbeck, Christentum und Kultur,
aus dem Nachlaß hrsg. von C. A. Bernoulli, Basel 191!)
= Darmstadt 1903, S. 19).

Der Vf. sagt im Vorwort, es sei ihm schworgefallen,
in einer ihm fremden Sprache zu schreiben. Es ist ihm
gut gelungen (nur S. 94 lies „nooh" statt „nog"; S. 90
lies „den Weg für die Erkenntnis bahnte" statt „pio-
nierte"; S. 231 lies „wiederfindet" statt „zurückfindet";
S. 280 lies „islamisch" statt „islamitisch"), und der
deutsche Leser muß ihm nicht nur seinen hohen Re-
spekt bezeugen, sondern feststellen, daß die bekannte
Bogleiterscheinung des Zwanges, auf die Muttorsprache
zu verzichten, nämlich Konzentration auf das Wesentliche
, Einfachheit der Sätze, Abkappen aller Lust am
Spekulieren, in diesem Buch aufs Positivste zutage
tritt. Darüber hinaus ist der Vf. zu bescheiden, wenn
er sagt (S. 01), er habe nicht Sachkenntnisse genug, um
einen vollständigen Überblick oder eine umfassende
Würdigung der außerordentlich vielseitigen Lebensarbeit
Boussets zu geben. Da solche Bücher nur sinnvoll
sind, wenn sie einen Bruchteil des Ausmaßes ihres
Gegenstandes haben, konnte man vollständiger und
umfassender nicht sein. Der Vf. hat darüber hinaus
ein sehr gutes Gespür für die Herausdestilliorung von
weiterführenden Methoden aus dem kompakten Im in
ander von Reflektiertem und Unrefiektiertem, Analytischem
und Synthetischem, Polygenetischem und Diffu-
sionistischem, das für die Heligionsgeschichtliche Schule
charakteristisch ist. S. 191 hört er aus einem Satz
Keitzonsteins richtig heraus, daß dieser Erklärungen im
Sinne hat (die etwas anderes sind als der sonst bei
Heitzenatein soviel Baum einnehmende Nachweis eines
Einflusses auf literarischer Ebene). S. 285 sieht er Ansätze
zu einer historischen Psychologie in der alten
Keligionspsychologie; S. 289 gibt er Csoner so gut
■rieder, daß dieser als Repräsentant polygenetisoher
Erklärung, die bis dahin zumeist in der Ethnologie
Verhandelt wurde, in der klassischen Philologie hervor-
tritt.

Büchel Wie dieses müßte es noch viele geben.
Berlin <'arstnn ('olpe

luhlltf, Gerhard: llh> i-muji-lim lie LandfsWircln' in >iirl-
teitlberir und der Nutionalso/.ialisitlUK. Kino Dokumentation
zum Knohonkaiiipf. Bd. 2: Um eine deutsche Reichskirche
1933. Bd. 3: Der Einbruch de« Roichsbischofs in die
wiirt t eintier^iHclie Landeskirche 1934. Stuttgart: Calwor
Verlag 11972/1974]. 1120 u. 731 S. gr. 8°. Lw. je DM 48,—.

Band 1 dieser auf sechs Bände berechneten Dokumentation
wurde in ThLZ 98, 1973 Sp. 305ff. bespro-
°hen. Die hier vorliegenden Bände 2 und 3 behandeln
die Jahre 1933 und 1934 und gewähren damit einen
"'inutiösen Überblick über das Reichskirchenprojekt,
u'is Ende 1934 als gescheitert betrachtet werden mußte,
auch wenn Befriedungs- und Ausgleiclisversuche um
d'c Jahreswende 1934/35, die hier nicht mit dokumentiert
werden, manchem Kirchenpolitiker damals den
Hliok Im diese Erkenntnis noch getrübt haben dürften.

Streitigkeiten um Reiohskirchenvorfassung und
Jteichsbisehof im Krühjahr 1933 werden mit mancher-
,0j interessantem Material ins Blickfeld gerückt. Die
wi»rtt„niborgisehe Landeskirche gehört zu den wenigen

Landeskirchen, die damals gegen dio Kandidatur
v. Bodelschwinghs stimmten. Durch die Empfehlung
an jüngere Mitglieder seiner Kirchenbohörde in Stuttgart
, Mitglied der NSDAP zu worden, sowie durch
Kooptierung von Studentenpfarrer W. Pressel in den
Oberkirchenrat glaubte Bischof Wurm, einer erforderlichen
zeitgemäßen Ausrichtung seiner Kirchenbehörde
Geniige getan zu haben. Wurms ursprüngliches Wohlwollen
für die DC-Bewegung sowie die Mitgliedschaft
kirchlich profilierter Vertreter in ihr (Pressel, Hutten,
Gotthilf Weber u. a.) ließ die Anfang 1933 im Zusammenhang
mit dem Potential des NS-Pfarrerbundes
unter Pfr. E tt wo in geschaffene Glaubensbeweguag DC
in Württemberg rasch an Boden gewinnen. Sie zählte
bald mehr als 300 Pfarrermitglieder. Das Verhältnis
zwischen Wurm und der DC-Eühruugsgamitur unter
Dr. Schairer und Rohm, letzterer auf Wunsch Wurms
eine Zeitlaug zum SA-Seelsorger bestellt, war zunächst
gut. So gedang es auch, mit den Stimmen der Deutschen
Christen eine Ermächtigung für den Landesbisohof
durchzusetzen, die sich allerdings bald genug gegen
die l)( ^-Organisation und ihre kirchenpolitischen Ambitionen
selbst kehrte.

Zwar mußte für den Laudoskirchonfug eine IX'-
Mehiheit konzediert werden, doch gegen eine entsprechende
paritätische Umbildung des Oberkirehon-
rats wehrte sich Wurm mit Erfolg. Der damit ohnehin
begrenzte kirclienpolitischo Einfluß der Deutschen
Christen Württembergs, der in keinem Verhältnis zu
ihrer zunehmenden Aggressivität stand, schwand vollends
dahin, als im September 1933, zu einem Zeltpunkt
also, da sonst die DC-Landesorganisationen noch weithin
intakt waren, eine S-zession von ca. 170 DC-
Pfarrern entstand und dio Reihen der Württemberg!-
schon DC vorlioß, nachdem Landosleitor Rohm die Initiatoren
(Pressel, Hutten und Wobor) aus der DC-Bewegung
ausgeschlossen hatte. Es wird glaubhaft bezeugt
, daß «-ine DC-Kührung unter diesen kirchlich
anerkannten Persönlichkeiten gut das Doppolte der
bisherigen Mitgliodorzahl unter den Pfarrern erreicht
hätte. Auch kirchonpolitisch vorerst noch nicht organisierte
Pastoren schlössen sich dieser Gruppe an, die einen
^•mäßigten, kirchlich vertretbaren DC-Kurs fordorte,
aber angesichts der Taktik der bisherigen Landoslei-
tuiig, die sich an ihre L-itungsämtor klammerte, und
am Kainpfdenken der Nazis geschult, stur dio bisherige
Linie beibehielt, niohts ausrichten konnte. Die S Zession
näherte sich sukzossiv den bokormtniskirchliohon Kräften
, die sich aus den Kreisen der Kirchlich-Theologischen
Arbeitsgemeinschaften Württembergs rekrutierten
oder dem landesbischöflichom Vorgehen loyal folgten
. Neigungen, dialektisch-theologische Gedanken zentral
ins R -formprogramin oin/.ub -ziehen, sind schon in
der Krühzeit zu beobachten, wenngleich dio Ivirehlieh-
Thoologischo Sozietät uutor Pfr. Kormann Diem erst
später als radikale Gruppe innerhalb der Bokonntnis-
b -wogung Württemb -rgs entstand. Charakteristisch für
die gesamte Opposition sind solche Ausätze indes keinesfalls
. Die opponierenden kirchlichen Kräfteschlossen
sich zwar dem Pfarrernotbund zunäclist an; ein korporativer
Boitritt kam zustande. Ein Ausgleich zwischen
der Kirchenleitung und der württembergischon Staatsführung
Ende Januar 1934 konzedierte indes die freiwillige
Auflösung des Pfarrornotbundes in Württemberg
: auch oin Ergebnis der dem Kanzlorempfang am
25. L 1934 folgenden Aussprache mit dem Retohl
bischof Müller, dessen Versprechungen sich bald als
nicht real orwiesen.

Die Linie der württembergischon Landeskirchenleitung
im Jahre 1933 war zunächst stark duroh die Tatsache
bestimmt, daß Professor Fezer( Tübingen) in aus-