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Ausgabe:

1975

Spalte:

48

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

(Livres VI - XII. Index) 1975

Rezensent:

Knorr, Uwe Walter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 1

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referiert, für die theologiegeschichtliche Einordnung
bleibt es zunächst bei allgemeinen Wertungen (S.l-16).

Im Hauptteil wird Justins Theologie in Felder eingeteilt
, die nach Abgrenzung und Anordnung den loci
der klassischen Dogmatik entsprechen. Den Anfang
macht die Lehre von Gott, dem Vater des Alls, als deren
Quelle die Schrift und (der vom logos spfermatikos belehrte
) Plato aufgewiesen werden (S. 17-27). Kap. 2 entfaltet
Justins Lehre vom Logos, in der sich die Umrisse
der kirchlichen Logoslehre erkennen lassen, wenn
er von diesem als Prototokos und Gott, als Kugel und als
Träger vieler Namen, als kosmischer Vernunft und aktiver
Kraft der alttestamentlichen Heilsgeschichte redet
(8.28-43). Die Kosmologie sieht er als Mittelposition
zwischen der platonischen Vorstellung von der (Göttlichkeit
der Welt und dem marcionitischen Dualismus
durch das Festhalten am Geschaffensein aus formloser
Materie und der Zuordnung auf den Menschen hin
charakterisiert (S.44-54). Als Feinde der Welt wirken
die Dämonen, die hinter den Christenverfolgungen, aber
auch hinter Magie und Mythen der Heiden stehen (S.55
bis 05). Dem Philosophen Justin erscheint zwar der
Platonismus als Brücke zum Christentum, dennoch ist
seine auf Beweisbarkeit insistierende theologische Er-
kenntnislehre unplatonisch und muß - wie Osborn in den
für sein Verständnis Justins zentralen Kap.5 (The
knowledge of the truth) und Kap. 6 (The love of truth)
darlegt - in Fortsetzung des Zeugnisgedankens begriffen
«erden, wie er das .Joliannesevangelium und den
l.Johannesbrief bestimmt (8.66 86). Hieraus ergibt
sich der vom Vf. eindrucksvoll aufgewiesene Zusammenhang
von Religionsphilosophie und Schrifttheologie. In
einem Jahrhundert, als dessen religiös-philosophische
Signatur die Sehnsucht nach verläßlicher Wahrheil
erscheint, ist für Justin die Sicherheil nur durch die
Schrift gegeben, in der die durch den Logos erleuchteten
Propheten geredet haben. So ist ihm die wahre Philosophie
in der Schrift enthalten und wird vermittelst
einer Methode, die der Typologie der jüdischen Ap<>-
kalyptik nähersteht als der Allegorese Philos, herausgehoben
(S. 87-110). Trotz der Großzügigkeit der Kon
zeption weicht der Vf. auch vor Spezialfragen der Hermeneutik
nicht aus. Bei den alttestamentlichen Zitaten
hält er den Gebrauch von Testimonien für wahrscheinlich
, rechnet jedoch mit einer durch die Überlieferung
bewirkten Modifizierung (S. 111-121). Ähnlich bietet
sich ihm die Rezeption der Evangelientradition dar.
Justin greift auf eine Kvangelicnharmonie zurück, die
ursprünglich mündlich überliefert war, was die Vielfalt
der Kombinationen ebenso erklären soll wie Aufnahme
von Glossen und apokryphen Motiven (122-138). Die
abschließenden Kapitel behandeln Anthropologie (S. 139
bis 153). Geschichtstheologie (S. 154-170), Ekklesiolo-
gie (S. 171-185) und Esehatologie (S. 186-198). Das
Menschenbild Justins wird im Bezugsfeld von tricho-
tomischer Natur und geschichtsbestimmender Wahlfreiheit
(autexousia) gesehen. Aufschlußreich ist der
Blick auf die Geschichtstheologie, die mit dem 3-Pha-
sen-Schema der heilsgeschichtlichen Theologie des
Lukas verglichen wird, wobei Justin stärker als dieser
den [nterimscharakter der Zeit, nach Christus betont,
Hier bedürften beide Seiten des Vergleichs, die aus
schließlich an Conzelmann orientierte Sicht des Lukas

und das im Kontrast dazu konstruierte Bild Justins,
einer gründlichen kritischen Nachfrage. Das oft behau

«leite Problem der Eucharistie nimmt nur einen unter
geordneten Platz im Zusammenhang der Ekklesiologie
ein (S. 181 ff.). Daß Justin als erster von der Parusie als
dem zweiten Kommen Jesu spricht und die bei ihm zu
konstatierende Unsicherheit in der Frage der Unsterblichkeit
der Seele bestätigt die vom Vf. aufgewiesene

Brückenstellung seiner Theologie auc h im eschatolo-
gischen Bereich. Bin resümierendes SchluSkapitel weist
Justins Denken seinen Platz im Gestaltwandel der
Theologie des 2. Jahrhunderts3 an (S. 199-203).

Dieses Buch hat viele Anregungen verarbeitet und
vermag deshalb mannigfache Anregungen zu geben, auch
die, weiter- zu fi'iigen, wo die vom Vf. gegebene Auskunft
der Präzisierung oder der- Korrektur bedürftig erscheint.
Etwa ob man von einer näheren Bekanntschaft Justins
mit der jüdischen Exegese sprechen kann (so S.95 unter
Bezugnahme auf Shotwell und L.W.Barnard, VC 14,
i960, 391 406). Oder ob das, was der Vf. „the homeric
question of the Canon" genannt hat, die Rezeption der
evangelischen Tradition bei Justin, durch seine Theorie
(S.132ff.) eine tragfähige Lösung erfuhr, Oder wie angesichts
der erneut in Gang gekommenen Diskussion
Elber die „samaritanische Gnosis", die (allzu knapp behandelten
) Angaben Justins (Iber Simon Magus zu beurteilen
sind. Wie immer die Ant wor t-ausfallen mag im
Gespräch über die Theologie des 2. Jahrhunderts, das
dank der Bedeutung des Gegenstandes für Kirchenhistoriker
und Neutestamentier an Breite und Intensität

noch gewinnen wird, ist auf diesen Beitrag aus Aurlra
lien auf lange Zeil nicht zu verzichten.

h i H' Saale Wolfgang w lefel

1 fwtla Martyr. Iii« l.ilr und TIioiikIiI. ('iiinlirltliP- l'.MiT, tri. Thl,Z IM,
l'.MW Sp.4h-50.

- The Phüovophy ot Clement of Alexandrla, Cambridge 1987;

a Der VI', hat Hii-li dazu ain-h wHouilcrf wauLti-rt: JiihIui'h KrKpiuim: lo

s,-i.nid Century CbaDeages, Austratlau Blblk-al Knvicw. 11. iiwmi. :i7 r>i.

(iosinas Iiidiroplrusfrs: Topograph!« Uirölirimo. Tonic III
(Livrcs Vl-XfI. Iudex). Int nxlnct ion, texte oritique, ilhis-
tration, traduetion et note» par W.Wolska-Conus. Paris:
Edition« du Cerf 1973. 487 S. m. Abb. 8 Sources Chrc-
tiennes 197, dir. par C.Mondesert. ffr. 145,—.

Mit. dem vorliegenden dritten Hand bat .VT""- W. Wols-
ka-Conus die Edition der Christlichen Topographie
desoft belächelten und doch, wie neuere Untersuchungen
gezeigt haben (s. ThLZ 95, 1970 8p.616), sehr ernst zu
nehmenden Kosmas abgeschlossen. Es ist eine Ausgabe,
die als mustergültig gelten darf. Zu der gründlichen Bearbeitung
des Textes, zu der hilfreichen, durch kurze
Oberschriften übersichtlich gegliederten Übersetzung,
zu den zahlreichen, sonstschwer zugänglichen Abbildungen
bietet dieser letzte Band mit seinen sechs ausführlichen
Registern ein wertvolles Hilfsmittel zur Krschlie-
ßung des umfangreichen Wer ks.

In den z.T. kurzen Büchern VI X geht Kosmas auf

Einwände und Kragen ein, die sein Werk, das in der
ursprünglichen Fassung mit dem gewichtigen Buch V
«diloß, hervorgerufen hatte. Die Bücher XI und XII
enthalten vermutlich Fragmente aus dem im übrigen
untergegangenen opus des Kosinas über die Geographie.
Sicherlich hat man darin im wesentlichen das „Beiwerk"
(s. das Urteil des ersten Herausgebers B. de Montfaucon)
zu sehen, doch dürfte auch dies noch immer Interesse
beanspruchen etwa das Zitat aus der a h-xa rulrinischen
Liturgie (VII,97) oder die Ausschnitte aus den Festbrie-
fen des Athanasius von Alexandrien (X,3 13) und
anderes mein .

Wie immer man darüber auch urteilen mag, man wird
der gelehrten Herausgeberin nicht genug danken können
für die unermüdliche Mühe, mit der sie uns ein in vielerlei
Hinsicht aufschlußreiches Dokument spätuntiker
christlicher Theologie und Forschung neu erschlossen
hat.

Tablngen Uw* w. KaOff