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Ausgabe:

1975

Spalte:

689-693

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Verheule, Anthonie F.

Titel/Untertitel:

Wilhelm Bousset, Leben und Werk 1975

Rezensent:

Colpe, Carsten

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Theologische Literaturzoitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 9

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des Buches, der aber doch vielleicht etwas übertrieben
ist, rechtfertigt solche Thesen. Einseitig im Vordergrund
stehen bei Cassiodor Rhetorik, Dialektik und
Grammatik; hier finden sich bei Sch. einige hübsche
Einzelbeobachtungen. Sch. sucht Cassiodor möglichst
als letzten großon antikem Schriftsteller hinzustellen.
Dabei sagt er selbst (S. 94), daß ihm „Homer gerade
dem Namen nach bekannt zu sein scheint". Was ist
dann eigentlich antik ?

Speyer a. Rh. Carl Schneider

(irügoire de Nazianze: Lettre» Theologiques. Introduction,
texte critique, traduetion et notes par P. Gallay avec la
collaboration de M. Jourjon. Paris: Lea liditions du Cerf
1974. 113 S. 8° = Sources Chretiennes, dir. C. Monde-
sert, 208. ffr. 38,—.

In der großen Ausgabe der Briefe Gregors von Paul
Gallay (GCS 53, Berlin 1969) stehen die Briefe 101, 102
und 202 nicht, da sie nicht unter den Briefen, sondern
unter den Reden überliefert sind. Es sind Sendschreiben
theologischen Inhalts, und obwohl sie an einzelne Personen
gerichtet sind, enthalten sie keine persönlichen
Mitteilungen, sondern haben von vornherein eine breitere
Wirkung im Auge. Ihr gemeinsamer Inhalt ist der
Kampf gegen die Lehre des Apollinaris.

Ep. 101 und 102 sind an den Priester Kledonios
gerichtet, Gregors Stellvertreter in Nazianz, und entstanden
wohl Mitte 382. Gregor ist besorgt, weil die
Apollinaristen in seiner Gemeinde stark an Boden gewinnen
. Ep. 202 an Nektarios, Bischof von Konstan-
tinopol, warnt vor verschiedenen Häresien (Eudoxios,
Makedonios, Elousios, Eunomios und deren Anhängern),
besonders aber vor den Apollinaristen. Die Thesen einer
ihm erst kürzlich bekannt gewordenen Schrift des Apollinaris
gibt Gregor ausführlicher wieder. Devote Anredefloskeln
täuschen nicht darübor hinwog, daß er
Nektarios für zu konziliant hält. Der Brief mündet in
den Appell, beim Kaiser vorstellig zu werden. Das
Edikt des Theodosios vom 10. 3. 388 gegen die Häresien
mag ein Erfolg dieses Drängens gewesen sein. Der
Brief wäre dann um 387 geschrieben.

Unter Einsatz seiner ausdrucksstarken, rhetorisch
geschulten Sprachkraft wendet sich Gregor gegen Apollinaris
. Diesor hatte zusammen mit seinem gleichnamigen
Vater, der ursprünglich Redolehrer in Alexandria
war, die Maßnahmen Julians gogon christliche Lohrer
damit beantwortet, daß er die biblischen Schriften in
klassische Verse umsetzte. Das trägt ihm nun den Vorwurf
Gregors ein, er habe ein drittes Testament schaffen
wollen. Der Kernpunkt des Konflikts ist jedoch die Vorstellung
des Apollinaris über die Art, wie Jesus Gott
und Mensch zugleich sein könne. Um die Paradoxie zu
lösen, nahm Apollinaris an, mit Leib und Seele eines
Menschen habe sich göttlicher Geist (Logos, Nus) vereint
. Zwei volle Einheiton, voller Mensch und voller
Gott, könnten sich unmöglich voll vereinen. Jesus habo
keinen irdischen Vater, so bedeute die Jungfrauenge-
burt die physische Einigung, durch die der göttliche
Geist in den irdischen Menschen eingeht. Der lebendige
Logos ist es, auf dessen Wirkon os in Jesus ankommt.
Einer solchen Lohre fehle es weder an Scharfsinn noch
an Größe (noblosse), resümiert M. Jourjon im historisch
-theologischen Teil der Einleitung, der eine verständnisvoll
abwägende Darstellung der Gedanken dos
Apollinaris und der Gegenargumente Gregors gibt.

P. Gallay stellt im philologischen Teil der Einleitung
die Überlieferung kurz vor. Er stützt sich dabei auf die
Vorarbeiten von J. Bornardi für die geplante Ausgabe
der Reden Gregors in den „Sources chretionnos" und
übernimmt die dort zugrundogelegton zehn alten Handschriften
(9. und 10. Jh.). Dabei orhalton dio sechs

Zeugen der Familie N, voran die Unzialhandschriften
A (Ambrosianus E 49—50) und B (Parisinus gr. 510),
den Vorrang vor Familie M. Nur N faßt alle drei Texte
zusammen, während M Ep. 202 von den anderen trennt.
Dio Titel sind nicht einheitlich gefaßt, doch überwiegt
der Begriff „Brief". So ist os vorständlich, daß seinerzeit
dio Mauriner gegen die Üborlioforung und dio älteren
Ausgaben die drei Texte in dio Briefsammlung stellten
, eine Ordnung, dio durch den Nachdruck in Mignes
Patrologie Bd. 37 zur Vulgata wurde. Da aber Gregor
die Sammlung seiner Briefe selbst in die Wogo loitoto
und diese Sondschreibon nicht mit aufnahm, ist es
richtig, zur Überlieferung zurückzukehren. Dio Sonderausgabe
als „theologische Briefo" trägt der besonderen
Situation Rechnung.

Einer gonaueren Begründung bedürfte Gallays Angabe
(S. 26), Ep. 102 folge auf Ep. 101, wie der Anfang
bezeuge. Dio Überlieferung ist, worauf er nicht hinweist
, durchaus gespalten. Ep. 102,1 klingt nicht so,
als habe Gregor kurz zuvor dem Kledonios bereits ausführlich
geschrieben „Du bittost mich um eine kurze
Darlegung, und ich schreibe dir, was du auch ohne
meinen Brief weißt" usw. Daß Ep. 101 teilweise voranstellt
, wäre hinreichend daraus zu erklären, daß der
Brief in der Tat der gewichtigere ist.

Dio Übersetzung bemüht sich um angemessene
Wiedergabe der nicht leichten Gedankengänge und
Termini. Gelegentlich hilft sie sich durch Zufügung der
Originalbogriffe in Klammern — (allo kai allo), (hon
kai tauton). Dio erläuternden Anmerkungen sind unter
solchen Umständen besonders willkommen. Biblische
Zitate und Anspielungen sind nachgewiesen und in
einem Rogistor zusammengestellt. Das Wortregister
enthält gelegentlich Erläuterungen. Vielleicht hätte
man die spezifischen Begriffe dos Apollinaris besonders
markieren können.

Das Vorwort sagt den Mitgliedern eines Arbeitskreises
Dank, der im Institut der Sources Chretionnos
die Ausgabe genau durchdiskutiert hat. Das Ergebnis
rechtfertigt dio gemeinsamen Bemühungen von Theologen
und Philologen. Der Ausgabo der Reden Gregors,
an der seit 1972 in gleicher Weise gearbeitet wird,
sieht man mit Erwartung entgegen.

Berlin Ursula Treu

Hausi'hild, Wolf-Diotor [Hrsg.]: Der römische Slant und die
frühe Kirche. Gütersloh: Gütersloher Verhigshaus Oord
Mohn 1974. 77 S. gr. 8° = Texte zur Kirchen- und Theo-
logiogeschichtc, unter Mitarbeit von G. A. Benrath,
H. Scheible und K.-V. Selge hmg. v. O. Ruhbach, 20.
Kart. DM 19,80.

Nach einer losensworten Einführung bringt H. die
wesentlichen Quollenstücko zum Thema unter folgenden
vier Rubriken: I. Staatliche Maßnahmen gegen die
Christen im 1. und 2. Jahrhundort, II. Zur Beurteilung
der Christon durch ihre Umwelt (mit der aus Origenes
rekonstruierten „Polemik" des Celsus, Passagen aus
des Minucius Felix „Octavius" und Ausschnitten aus
Tertullians „Apologoticum"), III. Dio Ohristonverfol-
gungen des 3./4. Jahrhunderts (bis zu den Edikten des
Maximinus Daia), IV. Von dor Toloriorung zur Reichs-
kircho (umfaßt neben Toleranz- und Begünstiguugs-
orlasson einen kleinen Teil der antiheidnischon und
antihärotischon Gesetzgebung). Das Literaturverzeichnis
enthält die für den Lehr- und Studionzweck erforderlichen
Toxtausgabon und oino immerhin stattliche
Literaturauswahl.

Obwohl der Anrnorkungsteil, sicher aus technischen
Gründen, sehr knapp gehalten ist, dürfte das Heft den
beabsichtigten Zweck, den Lehrbetrieb zu unter-