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Ausgabe:

1975

Spalte:

686-687

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schlieben, Reinhard

Titel/Untertitel:

Christliche Theologie und Philologie in der Spätantike 1975

Rezensent:

Schneider, Carl

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683

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 9

88 I

Eigentlich hatte ihn bisher die Musik mehr interessiert
als die Geschichte. Er zweifelte selbst daran, ob er noch
die Zeit und die Kraft haben werde, ein solches Werk
zu vollenden. Sechs Jahro später erschien der erste
Teil (XVI, 275 8.J vgl. ThLZ 95, 1970, 757—759), 1970
bereits der zweite Teil (XIX, 324 S.; ThLZ 96, 1971,
440—441), 1972 der dritte Teil (XI, 377 S.J ThLZ 98,
1973, 527—528), ebenfalls 1972 der vierte Teil (XII,
298 S.; ThLZ 98, 1973, 592—593), und nun folgte 1974
der fünfte Teil, der die Geschichte der bedeutendsten
Provinz, der sächsisch-thüringischen und zugleich der
sächsischen Reformkongregation bis zum Untergang
der beiden bietet. Die Provinz umfaßte einen Teil von
Nordfranken, dann Thüringen, Sachsen und Meißen,
Teile von Hessen, Westfalen und Hannover, die Mark,
Pommern, West- und Ostpreußen. Der hier vorliegende
Band ist nicht zuletzt deswegen so wichtig, weil er
zugleich einen wichtigen Beitrag zur Vorgeschichte und
Geschichte der Reformation darbietet, auch wenn K.
ausdrücklich darauf hinweist, „daß es nicht Aufgabe
die se r Arbeit sein kann, eine Biographie Luther« oder
eine Geschichte der Reformation zu schreiben" (459).

Das Werk gliedert sich in zwei große Abschnitte:
im ersten wird die Geschichte der sächsisch-thüringischen
Provinz bis zu ihrem Untergang dargestellt
(3—380), im zweiten die Reformbewegung in den deutschen
Ordensprovinzen und dio sächsische Reformkongregation
bis zu ihrem Untergang (380—523). Im ersten
Abschnitt wird zunächst die Geschichte der einzelnen
Konvente berichtet; os sind nicht weniger als 38 Konvente
, die alle mit der gleichen Präzision dargestellt
werden. Bei jedem wird alles bisher erhobene Urkunden-
material zusammengestellt und kritisch gesichtet. Die
Arbeit verrät einen immensen Fleiß und eine umfassende
Sachkenntnis gerade auch der so schwer erreich-
baren Lokalquellen. Allein dem Erfurter Konvent sind
über hundert Seiten gewidmet; sie stellen eine eigene
Monographie dar, wie wir sie in dieser Ausführlichkeit
bisher nicht besitzen. Zuerst berichtet K. über das alte
Generalstudium des Ordens in Erfurt, an dem so bedeutende
Theologen wie Heinrich von Friemar d. Ä., Hermann
Schildesehe und Jordan von Sachsen gelehrt
haben. Ausführlieh wird von dem einflußreichen Wirken
der Augustiner an der Universität Erfurt berichtet,
schließlich eine reich dokumentierte Liste der Erfurter
Prioren bis zum Jahre 1560 geboten, als der letzte
Erfurter Augustiner starb. Auch der Magdeburger und
Würzburger Konvent wird ausführlich behandelt. Nach
der Geschichte der Konvente folgt eine solche der Pro-
vinziale von 1300 bis zum Untergang der Provinz. Für
die Reformationsgeschichte entscheidend wurde die
sächsische Reformkongregation mit ihren bedeutenden
Vikaren Heinrich Zolter, Andreas Proles, der mit einer
kurzen Unterbrechung von 1461 bis 1503 Vikar war,
und Johann Staupitz, der die Reformkongregation von
1503 bis 1520 leitete. In diese Zeit fällt der Beginn der
Reformation Martin Luthers, der 1505 in den Orden
eintrat. Eine ausführliche Darstellung der inneren Entwicklung
Luthers als Ordensmitglied hätte den Rahmen
des Werkes wohl gesprengt ; bei der Bedeutung, die die
Reformation für den Orden und gerade für die sächsisch-
thüringische Provinz gehabt hat — sie führte ihren Untergang
herbei —, mag jedoch eine zu knappe Darstellung
nicht voll befriedigen.

Auch dieser fünfte Teil des Werkes verdient wiederum
das volle Lob, das schon den ersten vier Teilen
gespendet wurde. Hier haben wir endlich eine ausführliche
kritische Ordensgeschichte der deutschen Augustiner
-Eremiten, die allen Ansprüchen einer umfassenden
und zuverlässigen Quellenbenutzung entspricht.
Man merkt es dem Werk an, daß es das Erbe des zu

früh verstorbenen Ordenshistorikers W. Hümpfner OSA
erfüllen wollte, der nur dazu gekommen ist, einen Aufsatz
über „Die äußere Geschichte der Augustiner-Eremiten
in Deutschland" zu schreiben. Auch K. beschränkt
sich fast ausschließlich auf die äußere Geschichte
des Ordens. Das war wohl eine methodische
Notwendigkeit. Es wäre aber sehr wünschenswert,
wenn als Ergänzung zu diesem Werk noch eine innere
Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten geschrieben
würde, für die A. Zumkeller schon so viele
Vorarbeiten geleistet hat.

Bei der enormen Menge des dargebotenen Stoffes
ist es nur zu natürlich, daß sich einige Druckfehler.
Versehen oder Unebenheiten eingeschlichen haben; sie
sind durchweg unbedeutend und lassen sich leicht korrigieren
. Einige Einzelbemerkungen seien angefügt; sie
beschränken sich auf die Geschichte des Erfurter Konventes
. Zu S. 41: Mit Recht wird neben dem Magister
Heinrich von Friemar d. Ä. auch der Lektor des gleichen
Namens hervorgehoben; er besaß hohes Ansehen
im Konvent, schon weil er der Neffe des Magisters und
sein Nachfolger als Beichtvater des einflußreichen Gönners
der Augustiner, des Grafen Borthold von Hennoberg
war, wie uns das Calondarium anniversariorum der
Erfurter Augustiner ausdrücklich sagt (Magdeburg.
Staatsarchiv, Copiar 1483a fol. llr). — Zu S. 56 Anm.
301: Überraschend ist immer wieder,wie großzügig die
Provinz für die Ausbildung ihrer Lektoren sorgte:
Lektor Johann von Apoldia wird zum Studium in
Oxford bestimmt; es hätte noch hinzugefügt werden
können, daß auch der andere Lektor Nikolaus Meylding
im Ausland studierte; wir finden ihn 1410 in Padua
bei der Promotion zum Doktor der Medizin des späteren
Erfurter Marienkanonikers Johannes Eckardi von Kassel
, der damals gerade Rektor der Universität der
Philosophen und Mediziner in Padua war. An dieser
Promotion nahm auch der berühmte Rechtsgelehrte
Franziscus Zabarella teil. — Zu S. 89: Mit den W'eiß-
frauen sind nicht die ZisterzieiiHerinnen, sondern die
Magdaletierinnen gemeint (ebenso Anm. 349 und 471).
- Zvi S. 220: Bei der Beachtung, die heule Thomas
Müntzer findet und angesichts der Tatsache, daß selbst
ein solcher Fach mann wie Günther Kranz in KGG* IV I I H.'t
sieh hat zu der Behauptung verleilen lassen, Müntzer
sei „Mönch, vermutlich im Augustinerkloster in Qued-
linburg" gewesen, wäre eine klare Abweisung dieser
falschen Behauptung wohl am Platz gewesen. — Zu
S. 436: Der „Vocabularius juris" ist nicht von Johann
von Baden, dem Erzbischof von Trier, selbst verfaßt,
sondern wurde an der Universität Erfurt für die drei
Markgrafen Johann, Georg und Markus von Hoden
zusammengestellt, wie die handschriftliehe Widmung
des Buches ausdrücklich vermerkt; der Vocabularius
war die Grundlage für die Vorlesung, die Johann von
1452 an in Erfurt hörte und mitschrieb.

Sehr dankenswert ist es, daß K. in mühevoller Arbeit
eine ausführliche Liste der Prioren und Offiziale"
de* Erfurter Augustinerkonvents zusammengestellt luit
(77—104). Alles bekannte Material ist liier zusammengetragen
, gesichtet und in die rechte Ordnung gebracht ■
Nur an ganz wenigen Stellen regen sieh Bedenken. So
ist S. 88 eine Urkunde für 1484 angesetzt — sohon
Overmann, Urkundcnbuch der Erfurter Stifter und
Klöster III 306 ordnete sie so ein —, obwohl die Urkunde
als Jahr ausdrücklich 1494 nennt. Daher wird
auch die Schlußfolgerung, daß der damalige Schaff''''
Martin Morser heiße, nicht stimmen, zumal die Ur-
künde ihn ausdrücklich Johann — also wohl Joha'1"
Lor — nennt. — Zu S. 91: Ob im Jahre 1501 Johann
Nathin Prior war, kann wohl nicht sicher behaupt''1
werden. Die Urkunde sagt, nur: „...hat der hoch«'"