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Ausgabe:

1975

Spalte:

675-676

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Pokorný, Petr

Titel/Untertitel:

Der Gottessohn 1975

Rezensent:

Baumbach, Günther

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Seite 1

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Ö73

Theologische Literaturzcitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 9

674

Zwar spricht es der Herausgeber der FS Schnacken
bürg im Herder-Verlag, J. ünilka, aus, daß es nicht
die Regel sei, einem Kollegen schon zum 60. (Geburtstag
eine Festschrift darzureichen, aber im Falle K. Schnakkenburg
wird diese Kegel gleich doppelt durchbrochen.
Neben der Gabe von Freunden und Kollogen steht eine
solche von Schülern, die im Echter-Verlag erschien. Der
Rang des auf diese Weise (Geehrten wird obenso durch
den Inhalt der beiden Bände deutlich gemacht.

Es ist natürlich, daß der Band „Neues Testament
und Kirche", der in bewährter vorzüglicher Ausstattung
vom Verlag vorgolegt wird, die größere inhaltliche Bedeutung
beansprucht. Er spiogelt in interessanter Weise
bestimmte Charakteristika der gegenwärtigen neu-
testamontlichen Arbeit gerade auch in ihrer Verschränkung
zwischen den Konfessionen wider. So
dürfte durchaus signifikant sein, daß U. Wilckens „Der
euehariBtisehe Abschnitt der johanneischen Red«! vom
Lebensbrot (Joh 6,51c—58)" (S. 220—248) den von
ihm behandelten Text als ursprünglichen Bestandteil
des Evangeliums versteht, in dem eine bestimmte
sekundäre Traditionsstufe der Abendmahlsüberlieferung
vom Evangelisten aufgenommen und im Sinne seiner
Theologio interpretiert wird. Andererseits greifen die
Aufsätzo der beiden Katholiken R. Pesch „Die Verleugnung
des Petrus. Eine Studie zu Mk 14,54. 66—72
(und Mk 14,26—31)" (S. 42—62) und P. Hoffmann
„Der Petrus-Primat im Matthäusevungelium" (S.94—
114) betont auf dio Geschichte (des historischen)
Jesu(s) zurück, wobei bei P. Hoffmann das dogmatische
Interesse an diesem Rückgriff besonders deutlich wird
(mir freilich das auch historisch-exegetische Recht dazu
besonders fragwürdig zu sein scheint; vgl. dazu auch
in dem Aufsatz von F. Hahn S. 181,185). Wie ein
Kontrast stehen daneben dio tiefgrabenden und grundsätzlichen
Überlegungen von H. Schlier „Zur Frage:
Wer ist Jesus ?" (S. 359—370) mit ihrem Ziel, daß Jesus
nur richtig erkannt worden kann im Bekenntnis zum
Christus Jesus dor Schrift.

Ökumenisch bedeutsam ist der überzeugende Aufsatz
von F. Mussner „Eph 2 als ökumenisches Modell"
(S. 325—336), in dem vorsucht wird, zu zeigen.wie ökumenisches
Denken gerade das je Eigene in dio Zusam-
'"enarboit einbringen sollte und kann, es aber in Beziehung
setzt zu dem Donken des anderen. Im Vollzug
solcher Arbeit wird übrigens der wirklich „ökumenische"
Charakter des Eph deutlich, der nicht als frühkatho-
lisoh abzutun ist. Dieser Arbeit ordnet sich gut die
schöne Studie zu von P. Stuhlmacher „ ,Er ist unser
Friede' (Eph 2,14). Zur Exegese und Bedeutung von
Eph 2,14—18" (S. 337—358). Von ökumenischer Bedeutung
ist ebenfalls der Aufsatz des Herausgebers

Gnilka „Methodik und Hermeneutik. Gedanken zu
Situation dor Exegese" (S. 458—475), der auch in einer
gewissen Ratlosigkoit eine den Konfessionen gemeinsame
Situation reflektiert. Einen konkreten Niedi-r-
«chltig methodischer Bemühungen der Gegenwart um
jM> Exegose als Literaturwissenschaft findet man deutlich
in dor Anlage und Durchführung des bereits genannten
Aufsatzes von R. Pesch einerseits und desjenigen
von F. Hahn „Die Jüngorberufung Joh 1,35—61"
(8. 172- 190) andererseits; in beiden Arbeiten wird
'"cht Methodenreflexioa getrieben, sondern Methode
•Angewendet, und das erweist sich als fruchtbar.
* In einigen Arbeiten tritt der okklcsiologische Blick-
Punkt katholischer Exegese deutlich hervor. So bei I.

la Potterie „Das Wort Jesu .Siehe, deini Mutte r'
Und die Annahme der Mutter dun Ii den Jünger (Joh
'U.27b)" (S. 191—219), nach dem es in Joh 19, 27
«•Tttia geht, daß der Jünger Jesu die Mutter Jesu
ttlȟinmt, die zugleich die Kirche ist und zur Mutter

der Kirche wird. „Aber diese Ekklesiologie ist selbst
nichts anderes als eine Verlängerung seiner (sc. Joh)
Christologie" (S. 219). Dem ordnet sich der wichtige
Aufsatz von J. Dupont „La portee christologiquo de
l'evangelisation des nations d'apres Luc 24,47" (S. 125—
143) zu mit dem Nachweis, daß für den christologisehen
Universalismus des Lukas die Mission in strengem Sinne
zur Christus-Geschichte hinzugehört. Hier ebenfalls zu
nennen ist der neue Versuch auf einem alten Exporimen-
tierfeld von H. Zimmermann „Christushymnus und
johanneischer Prolog" (S. 249—265), durch den V. 1
und V.14a dem Evangelisten zugeteilt und als die
Bedeutung der Fleischwerdung herausgestellt wird,
„daß Christus selbst in diesem Wort (sc. dem menschlichen
Wort des Johannesevangeliums, der Kirche)
gegenwärtig und anwesend ist" (S. 262). Solcher ekkle-
siologischen Blickrichtung an die Seite zu stellen ist
der eindrückliche Aufsatz von C. F. D. Moule „Neg-
lected Features in the Problem of ,the Son of Man' "
(S. 413—428), der — im Gefolge einer englischen Tradition
— im Menschonsohn das Symbol für das treue
Gottesvolk sieht, als dessen Herz, Zentrum und Brennpunkt
Jesus sich gewußt und bezeichnet hat.

Es sind insgesamt 32 profunde Arbeiten, die zu
Ehren Schnackenburgs in dieser FS zusammengestellt
sind. Wir müssen darauf verzichten, alle Autoren und
die Titel ihrer Beiträge hier zu nennen. Das fällt deshalb
freilich schwor, weil zu leicht der verkohrte Eindruck
entsteht, als halte der Rezensent die doch Genannten
für wichtiger und in irgendeiner Weise bedeutender.
Studien zu exegetischen Einzelfragen, die sich auf dio
Erhellung eines engbegrenzten Bereiches beschränken
(und die durchaus ihre Berechtigung haben), finden
sich kaum; dio Beiträge sind darauf gorichtet, größere
Zusammenhänge in den Blick zu fassen und zur Lösung
übergreifender theologischer Fragen einen Beitrag zu
leisten. Als problematisch im Rahmen einer FS habe
ich freilich die Auseinandersetzung von A. Vögtle
,, ,Theo-logie' und .Eschato-logie' in der Verkündigung
Jesu?" (S. 371—398) mit H. Schürmann (dor soinor-
seits wieder einen gewichtigen Beitrag boisteuert:
„ ,Das Gesetz des Christus' (Gal 6,2). Jesu Vorhalten
und Wort als letztgültige sittliche Norm nach Paulus"
(S. 282—300) empfunden, auch wenn dio anstehende
Nachfrage durchaus eine gründliche Diskussion vordient;
der Aufsatz von W. G. Kümmel „Heilsgeschiehto im
Neuen Testament?" (S. 434—457) enthält ebenfalls
scharfe Auseinandersetzung (besonders mit G. Klein),
hat aber einen ganz anderen Charakter.

Über die exegetischen Beiträge hinaus werden auch
solche aus anderen Disziplinon geboten: J. B. Metz
„Messianischo Geschichte als Leidensgeschichte. Meditation
zu Mk 8,31—38" (S. 63—70); J. Reuß „Evangelien
-Erklärungen vom 4. bis 9. Jahrhundert in dor
griechichen Kirche" (S. 476—496); P. Neuenzeit
„Auswirkungen der Exegese auf den heutigen Bibel-
unterricht, oder: Biblischer Minimalismus im Kommen
oder Vergehen?" (S. 497—518); P. Rahner „Kritische
Anmerkung zu Nr. 3 des dogmatischen Dekrets ,Dei
verbum' dM II. Vaticanums" (S. 543—549); H. Fries
„Fehrbachs Herausforderung an die Theologie, (S. 550

bis 573). . ,

Die „Schülerfestschrift" ist in Umfang und Ausstattung
bescheidener. Sie hat aber auch gar nicht die
Absicht, „das hohe Podium der üblichen Gattung
wissenschaftlicher Festschriften zu besteigen", es soll
in ihr „keine exegetische Fachdiskussion gepflegt werden
". Vielmehr: „Dio Leitidec dieses Buches besteht. ..
darin, Bezüge zur Praxis herzustellen". Die Beiträge
„wollen die Grenze zwischen Bibel und heutiger Welt
überbrücken, den Rand, das weiße Niemandsland