Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1975

Spalte:

667-668

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rad, Gerhard von

Titel/Untertitel:

Gottes Wirken in Israel 1975

Rezensent:

Wagner, Siegfried

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

ÜU5

Theologische Litoraturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 9

066

und der mit ihm verbundenen Vorstellungen gewinnen,
wenn man sich auf alttostarnentliche Nachrichten über
enge geschichtliche Beziehungen zum vorisraelitischen
Kuli wesen der davidischen Königsresidenz stützen
könnte. Dies versucht St. und stellt zunächst derartige
alt testamentliche Aussagen in einer „Vorbemerkung"
zusammen (S. 6—dl). Neue Beobachtungen treten
dabei zu den bisher bereits von den Vertretern der
„Jebusiterhypothese" genannten Anhaltspunkten nicht
hinzu. Immerhin ist der Vf. im Hinblick auf die Identifizierung
Nathans als jebusitischer Kultprophet zurückhaltend
(S. 8f.). Etwas reduziert wird auch di r
Kranz phantastischer Legenden, den Alttestamentier
unserer Tage um das Haupt des Priesters Xh(I«h| wanden.
Doch bleibt auch bei St. Sadoq der jebusitische Oberpriester
, der nach der Eroberung Jerusalems durch
David seine Funktion behält und sieli schließlich in
der Auseinandersetzung mit seinem jahwist ischon Kollegen
Abjat bar erfolgreich zu behaupten weiß. Zurückhaltender
ist der Vf. weiterhin in der Bemessung des
Kinllusscs des jebusitischen Königtums auf die Gestaltung
der davidischen Königsherrsehaft. Er Unterscheidet
zwischen dem „unisraelit iseh-stadtstaatliehen Königtum
" (S. 9), das David wie „seine jebusitischen Vorgänger
" in Jerusalem innehatte, und dem „anders
strukturiertenKfinigsamt Israels", das David „in Personalunion
bekleidete" (S. 8). Trotz dieser Modifikationen
ist der Rez. nach wio vor der Meinung, daß
keine hinreichenden Argumente vorhanden sind, um
die These von einem weitgehenden Einfluß des jebusitischen
Jerusalem auf Kultwesen und Königtum in
Israel wahrscheinlich zu machen1. Das Bemühen des
Vf.s um eine etwas realistischere Version der Jebusiter-
bypothoso führt im übrigen nur zu neuen Schwierigkeiten
und Widersprüchen 2.

2. Allgomeine Erwägungen über den Einfluß des
jebusit ischen Kult Wesens auf Israels Religion besagen
nun freilich noch nichts Konkretes über eine entsprechende
Herkunft der El-Traditionen im Alten
fest innen). Es müßte weiterhin zumindest der Nachweis
Brbracht werden, daß El im vordavidisehen Jerusalem
ein bedeutender Kultgott gewesen ist. Der Vf.
VSrmag dafür im wesentlichen auch nur die übl i« • 11 ■ n
UD einzelnen Umstrittenen Belege anzuführen | Einmal
wird auf 2 Sam 24 vorwiesen. Dort scheint in der Bezeichnung
des von David erworbenen flsltndcs mii
yoren iiruimui der Name des indogermanischen Himmels
Kottes llruwna/Varuna überliefert zu sein. Ist das richtig
, dann liegt die Vermutung nahe, „daß die Jebusi-
ter einen Himinelsgott verehrten, der von der zugezogenen
hurrit isch-indogormanisehen Bevölkerungs-
•Ohioht mit Uruwna identifiziert wurde" (S. 10). In
diesem von den Je busit «in wahrscheinlich verehrten
Himinelsgot t soll der kanaanäische Gott El zu erkennen
N°in. Weiterhin wird die im einzelnen problematische
Malkiscd. •((-Episode von den 14,18—20 herangezogen,
''"' El in (Jörn ) „Schalem" beheimatet, ihn durch den
'^'inamen 'eljon als Himmelsgott und Herrn des Pantheon
sowie als „Schöpfer von Himmel und Erde '
'•''arakterisiert

:'. Da nicht gerade viel über den jebusitischen Jeru-
*alemer El zu erfahren ist, sucht St. den fehlenden
'"forinationen durch Anwendung der Methode des reli-
K'O'iHphäiiomcnologischen Vergleichs abzuhelfen. Die
'nts|,rechenden Bemühungen nehmen einen großen
■eil de,. Untersuchung ein und wenden sich zunächst
(|<'"» .('haoskainpfmythos' zu, dessen religionsvergloi-
0,""ide Darstellung mit der überraschenden lapidar« n
''•'«••Stellung eröffnet wird: „Der Chaoskampf ist eines
''•'■" 'l'hemen der Jerusalemer Tradition, die all Erbe d« r

jebusitischen Stadtreligion anzusprechen sind" (S. 12).
Die im einzelnen interessante Erörterung berücksichtigt
Chaoskampfvorstellungen in den Überlieferungen
Mesopotamiens, Ugarits, Ägyptens, Kleinasiens und
Indiens (S. 14—60). Im nächsten Arbeitsgang worden
die in poetischen Texton des Alten Testaments anzutreffenden
Chaoskampfmotive hinzugezogen (S. 60—66)
■— und schon ist der Altjerusalemer Chaoskampfmythos
in den Gnmdzügon rekonstruiert. Offen bloibt vorerst
noch die Frage nach dem Gott, der im vorisraelitischen
Jerusalem als Chaoskämpfer angesehen worden ist;
wonngleich der aufmerksame Leser schon ahnt, daß El
als Träger dieser Funktion ormittelt werden wird.

Nach den gloichen methodischen Grundsätzen wird
das Thema clor .feindlichen Kreinilvolkir' behandelt.
Herausgearbeitet werden engero Beziehungen zwischen
den zahlreichen alttestamentlichen Belegen und verschiedenen
entsprechenden Äußerungen in mesopota-
mischen Lobliedern (S. 72—101). Betonung erfährt
weiterhin die Verbindung zum Chaoskampfmythos.
Der vom Leser erwartete Beweis für die jebusitische
Herkunft der alttestamentlichen Vorstellungen beschränkt
sich auf die Beobachtung, daß einige Belege
wahrscheinlich auf die frühe Königszeit zurückgehen.
„Das Völkerkampfmotiv hat in Israel also seinen Ort
seit der frühesten Königszeit. Wio das Chaoskampf-
motiv ist es als jebusitisches Erbe anzusprechen" (S. 89).

Endlich wendet sich die Untersuchung dem Thema
„der ferne Gott und seine Geschichte" zu (S. 102—125).
Behandelt werden insbesondere An und Bali] als näher
bekannte Typen des fernen Gottes. Sie stehen hinter
den nahen Göttern und wirken als ordnende Macht
durch die nahen Götter oder auch durch den König.
Nur wenn die Ordnung in Natur und Geschichte selbst
gestört ist, treten sie unmittelbar in Erscheinung. Deshalb
sind die nahen Götter die tragenden Gestalten des
Ordnung schaffenden Mythos, während in Klageliedern
angesichts der gestörten Ordnung die fernen Götter
angesprochen werden. In den Staatsvorträgen erscheinen
demgemäß die fernen Götter als die eigentlichen
Garanten und tragen hier „übernationalen Charakter"
(S. 125). Allerdings sind die Funktionen der nahen und
fernen (lütter nicht «personal zu unterscheiden. Enlil
ist zugleich ferner und naher Gott. Entsprechende«
zeigt sich bei El. der ja auch sonst mit Enlil verwandt
ist (S. 126ff.). Diese Erwägungen gestatten es dem Vf.,
eine ziemlich breite Auswahl von Punktionen des alt-
testaincntlielien Jahwe auf den Altjerusalemer El SU-
rüekzu führen.

Insgesamt zeigen diese Untersuchungen, wie schwierig
es ist, auf Grund von religionsphänomenologischen
Vergleichen eine aus originalen Zeugnissen nicht zu
ermittelnde konkrete Ausprägung altkanaanäischor
Religion einleuchtend zu rekonstruieren, vor allem
wenn dabei zugleich bestimmte kultgoschichtliche Zu-
ISnunenhange oder Abhängigkeiten hergestellt werden
sollen. „Es ist klar, daß diese Vergleichsarbeit nicht
zu schlüssigen Resultaten führen kann, sondern bei
mehr oder weniger wahrscheinlichen Hypothesen stehen
bleiben muß. Außerdem sind nicht alle Ergebnisse im
selben Maß.- wahrscheinlich" (S. 5). Dieser selbstkritisch
«!, Bemerkung, die der Vf. seiner Untersuchung
voranstellt, ist nichts hinzuzufügen.

4. Angesichts der mit der religionsphänomenologischen
Methode verbundenen Unsicherheiten bemüht
sich St. laufend um die religionsgeschichtlichen und
religionspsychologischen Grundlagen der Verg/eichs-
„rb. it wobei er insbesondere den „Denkformen" Mythos
und Kultlied nachgeht (S. 12ff.,66ff., 102ff., 117ff.).
Diese Ausführungen, die sich auf die zweifellos geistvollen
, für das Verständnis des WeBons altorientalischei