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Ausgabe:

1975

Spalte:

636-640

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Göllner, Reinhard

Titel/Untertitel:

Der Beitrag des Romanwerks Gertrud von Le Forts zum ökumenischen Gespräch 1975

Rezensent:

Bertinetti, Ilse

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 8

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Vf. stellt seiner wissenschaftlichen Ehrlichkeit ein eindrucksvolles
Zeugnis aus, indem er ausdrücklich auf Lük-
ken und notwendige Ergänzungen seiner Studie aufmerksam
macht, ebenso auch lohnende Ansätze für weitere
Forschung aufzeigt. Für letzteres möchte ich nur auf
die wichtige Feststellung verweisen: „Die Zusammenhänge
zwischen Liturgie der Kirche und politischer Öffentlichkeit
, überhaupt die Soziologie der Liturgie, bedürfen
dringend der Aufarbeitung" (357).

Zum Schluß sei durch den Hinweis auf die einzelnen
Kapitel der Studie wenigstens angedeutet, von welch
umfassenden Voraussetzungen her Vf. „Das Messensystem
der frühmittelalterlichen Klosterliturgie" (= Kap.
VII) neu zu deuten vermag: Kap. I. Fragestellung und
Arbeitsmethode; Kap. II. Die Feier der Eucharistie im
Kloster der Benediktregel; Kap. [IL Der Befund derCon-
suetudines monasticae bis zum 11. Jh.; Kap. IV. Zeitgeschichtliche
Voraussetzungen in der Umwelt der fränkischen
Klöster; Kap. V. Die monastischen Voraussetzungen
; Kap. VI. Liturgie- und kultgeschichtliche Voraussetzungen
. — Ein Verzeichnis der Abkürzungen und abgekürzt
zitierten Literatur sowie ein reichhaltiges Namen-
und Sachregister (365—380) erleichtern die Benutzung
des Buches. Einige Druckfehler begegneten dem Rezensenten
.

Greifswaid William Nagel

MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE

MAU ecke, Dieter: Mission als Zcugendicnst. Karl Barths
theologische Begründung der Mission im Gegenüber
zu den Entwürfen von Walter Holsten, Walter Freytag
und Joh. Christiaan Hoekendijk. Wuppertal: Rolf
Brockhaus [1972). 288 S. 8°.

Titel und Untertitel dieser Bonner Promotionsschrift
enthalten bereits eine kurze Inhaltsangabe. Aus den „methodologischen
Vorüberlegungen" (S. 7—11) erhellt, daß
„wir im ersten Teil die Äußerungen der genannten Missionstheologen
mit den Augen des Systematikers Barth
und im zweiten Teil das Werk des Systematikers mit den
Augen von Missionstheologen zu lesen haben" (11). So
werden im [. Teil (13—166) „Probleme der gegenwärtigen
Missionstheologie" anhand der Entwürfe der drei
genannten Fachtheologen kritisch dargestellt, die nur die
Gesprächsvoraussetzung für den II. Teil „Die theologischen
Voraussetzungen der Mission nach Karl Barth"
(167—288) bedeuten. Leider fehlen sowohl ein Sach- und
Namenregister als auch ein Literaturverzeichnis.

Holsten „möchte die Botschaft von der Rechtfertigung
des Mensehen durch Gott allein aus Gnade und allein
im Glauben nicht nur zum Zentrum der missionarischen
Verkündigung, sondern auch zur Grundfrage einer
neu zu durchdenkenden theologischen Religions- und
Missionswissenschaft machen. Er möchte die Mission
vor der Versuchung bewahren, Geschichtsmetaphysik zu
treiben, statt sich ausschließlich auf das Wort vom Kreuz
und das darin ergehende Urteil über des Menschen Sünde
gegründet zu wissen" (63). Er selbst freilich unterliege
einer „geschichtsmetaphysisch-hermeneutischen Prämisse
", die in der „Antithese von ,extra nos' und ,in no-
bis'" besteht. „Wenn Mission nur unter der Voraussetzung
geschehen soll, daß Menschen sich entscheiden, nicht
"us sieh selbst, sondern aus Gott zu leben, dann müßte
"uch positiv gesagt werden können, wer Gott, wer Gott
in Jesus Christus ist" (ebd.).

W. Frey tags Begründung der Mission weist nicht
nur das apokalyptische Element ab, sondern überbietet es
durch den eschatologischen Grundansatz: Mission ..im
B'ick aufs Ende": „Von hier aus empfängt der Ruf zur
Bulle seinen Nachdruck, die Sammlung der Gemeinde
'hie Dringlichkeit und die Arbeit in der Welt ihre Notwendigkeit
" (100). „Obwohl der eschatologische Grundansatz
Freytags sehr verschieden von dem Holstens ist,
gibt es doch hinsichtlich der Relativierung alles innerweltlich
Gegebenen eine Gemeinsamkeit zwischen beiden
. Für beide ist die Überzeugung grundlegend, daß
das, was in der Mission geschieht, Gottes eigene Sache ist
und bleibt. Freilich: bei Frey tag steht einer Relativierung
eine mindestens ebenso kräftige Validierung von
Schöpfungsgegebenheiten gegenüber, die bei Holsten
fehlt bzw. nur via negationis erreicht wird. Aber auch bei
Freytag sind alle Schöpfungsgegebenheiten vorletzter
Natur. Sie bieten keine bestimmten Anknüpfungspunkte
für die Mission" (ebd.).

Hoekendijks groß angelegte Neuinterpretation
von Mission konkretisiert sich vor allem in den Begriffen
Bund, Schalom und comprehensive approach. „Daß sich
bei Hoekendijk die Analyse der gesellschaftlichen Situation
und der Anspruch des Evangeliums an die Kirche
genau einander entsprechen, ist wiederum durch Hoekendijks
Verständnis von Schalom präjudiziell: Ist Gottes
Geschichte mit der Welt Heilsgeschichte, die sich in der
apostolischen Aktion der Kirche als Teilnahme an dieser
Geschichte in Form von Schalom manifestiert, so muß
die Kirche den immanenten Tendenzen der Geschichte
folgen, genauer: diese aufspüren und sich an ihre Spitze
setzen. Den konkreten Willen Gottes erkennt die Kirche
aus diesen Tendenzen in der Geschichte. Missionarische
Theologie rückt so zusammen mit einer ,Theologie der
Revolution' ... Was Schalom, was der Inhalt des Evangeliums
konkret ist, können wir nach Hoekendijk ohne
den Blick auf die Welt, d. h. ohne totales Engagement in
der Welt, gar nicht wissen. Dahinter steht eine bestimmte
Auffassung des Bundes Gottes mit dem Menschen, der
sich in einer unendlichen Fülle von Formen der Ordnung
des Geistes immer wieder neu konkretisiert. In diesem
variablen und pluriformen Sinn soll nach Hoekendijk der
,Bund für die entscheidende, Gemeinschaft konstituierende
Kategorie gehalten werden. Wirkliche Gemeinschaft
(schalom) ist das Ergebnis eines Bündnisses'... Wirkliche
Gemeinschaft bildet sich aber nur in dem Phantasie
- und vertrauensvollen Engagement von Menschen an
den Brennpunkten der Welt" (143f.). Für H. „heißt .Entdeckung
des ganzen Menschen' den Menschen nicht nur
als Summe ,aller' seiner anthropologischen Gegebenheiten
(Seele und Leib etc.), sondern in seiner multidimen-
sionalen Sozialverllochtenheit zu sehen und ernst zu
nehmen. Missionarische Theologie muß in diesem Sinne
.politische Theologie (d. h. ,für die Polis')' . . . sein. Wir
dürfen nicht so tun, als ob die Menschen ,nach einem gnädigen
Gott Ausschau hielten' ..., der sie von der Sünde
rettet, die die Kirche ihnen vorhält, als ob also die Kirche
Gerichtshof der Welt sei. Nach Hoekendijk muß nicht
die Welt der Kirche, sondern die Kirche ,der Welt Rede
und Antwort' stehen" (146).

Die Begriffsbestimmung von Mission bei Holsten, Freytag
und Hoekendijk führt zu einer jeweils verschiedenen
Bestimmung des Verhältnisses von Heil und Wohl. „Nach
Holsten hat Mission mit den objektiven Voraussetzungen
des Existierens. also der Verfallenheit des Menschen an
die Mächte des Daseins, aber nur indirekt mit den objektiven
Bedingungen der Existenz, d. h. der sozialen, wirtschaftlichen
, politischen Ordnung des Adressaten des Ke-
rygma zu tun.denn Holsten sieht zwischen Heil und Wohl
einen qualitativen Unterschied" (165). Freytags Mis-
sionsbegriff ist ebenfalls auf das Heil ausschließlich konzentriert
, aber doch für die Folgewirkungen der missio
Dei auf das Wohl der Menschen offen. Hoekendijk indes
identifiziert im Schalom Heil und Wohl: „Überspitzt
könnte man sagen, daß nach Hoekendijk Mission die
Konkretisierung des Satzes ist: Intra ecclesiam nulla Salus
est. Kirche ist (und macht) nur im Akt ihrer Zuwendung
zur Welt des Heils teilhaftig" (166). Denn „die Kir-