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Ausgabe:

1975

Spalte:

630-633

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Häußling, Angelus Albert

Titel/Untertitel:

Mönchskonvent und Eucharistiefeier 1975

Rezensent:

Nagel, William

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 8

828

besuche seelsorgerliche Nacharbeit geschah. Wegen mancher
drängender Lebensfragen und ungelöster Probleme
in den Familien der Gemeinde hat es sich bewährt, öfter
in differenzierten Kreisen und Gruppen Familiengottesdienste
durchzuführen, wobei sich die Zahl der Mitarbeiter
spontan vergrößerte (183).

Ein Hauptanliegen bei der Erprobung dieser neuen
Gottesdienstform war es, die Unpersönlichkeit und
Fremdheit einer modernen Großstadtgemeinde zu überwinden
oder doch in Richtung auf eine Beheimatung in
der Gemeinde aufzulockern. Die Vf. sind kritisch genug,
zu sagen, daß sich diese Hoffnung noch nicht in der zunächst
erwarteten umfassenden Weise erfüllt hat. Aber
es hat sich erwiesen, daß der Familiengottesdienst heute
zumindest eine sehr wesentliche Teilaufgabe erfüllen
kann. Und wer diese neue Gottesdienstform einmal erprobt
hat, der wird sie unter den kirchlichen Diensten
nicht mehr entbehren wollen: Ein Familiengottesdienst
bietet in ganz besonderer Weise die Möglichkeit, i n
einem besonderen Kreis von Menschen oder für einen
speziellen Kreis von Gemeindegliedern mit ihren Familien
bei gleichartigen Lebensbedingungen, Berufsund
Familienproblemen Freude und Dankbarkeit zu artikulieren
, Fragen und Probleme, Zweifel und Anfechtung
in christlicher Verantwortung aufzugreifen, die
sonst unbewältigt bleiben, weil „kein Helfer da ist".
Wenn ein Pfarrer für einzelne Familien und Gruppen
seiner Gemeinde diese Aufgabe erfüllen kann, dann ist
der unternommene Versuch und die neue Form des Angebots
als fruchtbar zu bezeichnen. Und da die Vf. nachweisen
, daß die Vorbereitung eines Familiengottesdienstes
durch einen erfahrenen Helferkreis nicht mehr Zeit
beansprucht als ein sorgfältig vorbereiteter agendarischer
Gottesdienst, kann man nur wünschen, daß sich
möglichst viele Gemeinden an der Erprobung dieser Entwürfe
beteiligen und an ihnen weiterarbeiten.

Die Veranstaltungsskizzen (55—157), die meist von aktuellen
Lebensfragen ausgehend, den Problemfeldzug zu
Texten des Alten und Neuen Testaments in weitem Horizont
herstellen, wollen deutlich machen, warum zur
Lösung eines Konflikts in christlicher Verantwortung
oder zur Gestaltung von Lob und Dank in einer bestimmten
Situation gerade auf diese oder jene biblischen
Texte zurückgegriffen werden sollte. In jedem Fall besteht
ein Entwurf aus einer Vorüberlegung (A), Gedanken
zur Durchführung (B), einem Kommentar danach
(C) und der Aufzeichnung verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten
(D).

Ebenso wichtig sind aber die grundsätzlichen Aufsätze,
die diese Entwürfe begleiten. Besonders das Kapitel:
..Wie könnten Familiengottesdienste aussehen" (17—43)
stellt Leitfragen an diese neue Gottesdienstform, bringt
methodische Überlegungen zur Durchführung und regt
eine kritische Begleitung der Entwürfe an. Menschliche
Beziehungen und kirchliches Handeln müssen zusammenklingen
, bedingen aber Wissen, Methodenkenntnisse,
persönliche Offenheit und eine entsprechende Einstellung
als Grundvoraussetzung. Beachtenswert sind auch die systematisch
-theologischen Rückfragen an das Handeln der
Kirche im Familiengottesdienst im Abschnitt ..Theologische
Überlegungen zur Gestaltung von Familiengottesdiensten
". Auf die Abschnitte „Zur Gestaltung problemorientierter
Familiengottesdienste", „Zur Gestaltung
eines festlichen Familiengottesdienstes" und „Der Familiengottesdienst
braucht eine Basis" mit ihren wertvollen
religions-soziologischen Aspekten kann hier nur
kurz hingewiesen werden. Besonders sei aber noch auf
die Aufstellung von Kriterien zur Beurteilung neuer Gottesdienstentwürfe
aufmerksam gemacht, die den Abschluß
des Bandes bilden.

Das Buch gibt nicht nur einen bisher in dieser Art einzigartig
umfassenden, theologisch gründlich durchdachten
und praktisch anwendbaren Beitrag zum Thema Familiengottesdienst
, der die bisherigen Erfahrungen kritisch
und in ermutigender Weise verarbeitet, sondern ist
darüber hinaus nach Anlage und Methode wegweisend,
wie heute Probleme kirchlichen Handelns von der Praktischen
Theologie einschließlich der Liturgik, von der Systematik
, von der Seelsorge und von der Lernpsycholo-
gie her analysiert und mit „Maßstäben der Zukunft der
Gemeinde" konstruktiv bereichert werden können.
Greifswald Günther Kchnscherper

Spiegel, Yorick: Der Prozeß des Trauerns. Analyse und
Beratung. München: Kaiser; Mainz: Matthias-Grünewald
-Verlag [1973]. 323 S. u. 272 S. 8° = Gesellschaft
und Theologie, Praxis der Kirche, hrsg. v. G. Bäumler,
H.-D. Bastian, G. Biemer, R. Bohren, M. P. Engelmeier,
N. Greinacher, M. Josuttis, F. Kampfhaus, P. Krusche,
A. Müller, Y. Spiegel, R. Zerfaß, 14. DM 26,- und
DM 36,-.

Die vorliegende Arbeit enthält in gekürzter Form eine
1972 in Bochum abgeschlossene Habilitationsschrift und
dürfte die ausführlichste Monographie zum Thema in
deutscher Sprache darstellen, an der kein Spezialist vorübergehen
darf. Auch übrige Interessenten können sich
in die zum größeren Teil leicht lesbare Arbeit gut hineinfinden
. Sie steht unter dem Vorzeichen einer empirisch
arbeitenden praktischen Theologie. Eingegrenzt wird die
Thematik der Trauer auf den Bereich des Verlustes eines
Menschen durch den Tod: „In der hier vorliegenden Studie
wird von Trauer ausschließlich als Reaktion auf den
Tod eines geliebten Menschen und nahestehenden Menschen
gesprochen" (S. 11).

Im Teil I wird die Trauer unter individuellem Aspekt
bedacht. Nach dem Hinweis auf die ersten großen Psychologen
der Trauer wird auf die Beziehungen zwischen
Trauer und Krankheit aufmerksam gemacht. Psychosomatische
Erscheinungen sind weit verbreitet und führen
zu der nicht leicht lösbaren Frage, inwiefern Trauer normale
oder pathologische Züge trägt. Dann folgt eine Aufzählung
und eine Beschreibung von vier Trauerphasen:
1. Schockphase (Dauer etwa zwei Tage): 2. Kontrollierte
Phase, in der die Trauernden sozial stark mitgetragen
werden und die etwa bis zur Abreise der Angehörigen
nach der Bestattung dauert; 3. Phase der Regression, in
der sich ein Rückfall in unnormale Verhaltensweisen
nahelegt, um die Schmerzen zu überdecken (Dauer etwa
zwölf Wochen); 4. Phase der Adaption, in der die Trauer
menschlich verarbeitet wird (Dauer bis zu einem Jahr).
Dann folgt die entscheidende These: Ein pathologisches
Ti auerverhalten liegt vor, wenn von diesen statistisch
festgestellten zeitlichen Mittelwerten eine ungewöhnliche
Abweichung eintritt und der Trauernde in einer der
Phasen steckenbleibt. Die Aufgaben, die der Trauernde
zu lösen hat, faßt Vf. unter acht Aspekten zusammen, die
natürlich ineinander übergehen und sich auch ergänzen
lassen: Auslösung, Strukturierung des zuerst emotionalen
Chaos, Anerkennung der Realität, Entscheidung zum
Leben, Expression unakzeptabler Wünsche und Gefühle.
Bewertung des Verlustes, Inkorporation des Verstorbenen
, Neuorientierung.

Für die Seelsorge ergibt sich die Konsequenz, daß der
Seelsorger darauf zu achten hat, in welcher Phase sich
der Trauernde befindet, um entsprechend zu wirken und
eine entsprechende Trauerarbeit mit anzuregen. Schon
hier wird deutlich, wie unter seelsorgerlichem Aspekt die
Reduzierung des kirchlichen Geleits auf die Bestattung
und ein vorherlaufendes Gespräch untragbar ist.

Im 11. Teil wendet sich Vf. dem gesellschaftlichen
Aspekt der Trauer zu. Sie vollzieht sich eben auch in
einem sozialen Bezugsfeld. Was Vf. dazu beizutragen
hat, hat er stärker aus praktischen Erfahrungen vor allem
pastoraler Art zusammengetragen als aus soziologi-