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Ausgabe:

1975

Spalte:

626-628

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kugler, Georg

Titel/Untertitel:

Neue Familiengottesdienste 1975

Rezensent:

Kehnscherper, Günther

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 8

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relevant, niemals der historische Jesus als Persönlichkeit,
von dem nur das Daß seines Gekommenseins festzuhalten
ist. Die im Christus-Kerygma enthaltenen Mytholo-
gumena wie Auferstehung, Himmelfahrt, müssen existen-
tial interpretiert werden. Dadurch wird die Christologie
zu einer „Hohlform, deren Inhalte nur im subjektiv-unkontrollierten
Zugriff des Glaubens ihre Berechtigung
erhalten" (38). H. Braun radikalisiert: auch der Christus-
und Gottesglaube des NTs müssen entmythologisiert, in
ein existentielles Verständnis übersetzt werden. ,.Die
Anthropologie ist... die Konstante; die Christologie dagegen
ist die Variable" — und damit scheint die Grenze
einer rein funktional gedachten Christologie überschritten
(43). G. Ebeling fragt demgegenüber nach dem historischen
Jesus zurück als dem Zeugen und Vorläufer des
Glaubens. Leitend ist dabei die Frage nach der kerygma-
tisch qualifizierten Situation des Menschen, wie sie bei
Jesus gegeben ist, sofern er Gewißheit aus Glauben ermöglicht
und darin Gott zur Sprache bringt (44ff.). Mit
Ostern wird der Zeuge des Glaubens als Grund des Glaubens
bezeugt, der Glaube Jesu zum Glauben an Jesus.
Wird die Christologie hier aber nicht zu einer Funktion
für den Gottesglauben ohne relative Eigenständigkeit?
Geht die Bedeutung Jesu für den Glauben qua Inhalt
nicht in seiner Funktion (Weg und Vorbild) auf? In dieser
funktionalen Jesulogie wird die Auferweckung relativiert
zur möglichen Fortereignung von Jesu Glauben (50).

2. K. Barth versteht Christologie als Gottes ewiges Geschehen
mitten in der Zeit, als Mitte und Entfaltung der
Theologie. Menschwerdung und Offenbarung gründen in
Gottes eigener Urentscheidung, die sich in Christus in
der Einheit von erwählendem Gott und erwähltem Menschen
darstellt. Dabei sind Person und Werk Christi in
eins zu sehen und diese wiederum in eins mit dem Stand
der Erhöhung und Erniedrigung, wobei die exinanitio gerade
als gottheitlicher, die exaltatio als menschheitlicher
Akt verstanden werden. Die Zwei-Naturen-Lehre wird
durch die Erwählungslehre bestimmt. Die Drei-Ämter-
Lehre wird gefaßt in: Priester, König und Prophet. Fraglich
bleibt bei dieser christozentrischen Konstruktion, ob
die Anthropologie nicht letztlich ausfällt, die Versöhnung
zu einem Geschehen zwischen Gott und Gott wird, Kreuz
und Auferstehung zu bloßen Erscheinungsweisen Gottes
werden und der „Monolog im Himmel" stattfindet. In
unverkennbarer Verwandtschaft zu Barths Denken entfaltet
v. Balthasar seine Gehorsamschristologie in den
drei Kreisen des Personalen, Ästhetischen und gestaltenden
Teilhabens: „Erst die theo-logische bzw. trinitarische
Dimension des Christusereignisses erschließt dessen
ganze Tiefe ...; den Zugang aber eröffnet nur ein geistlich
-meditatives Schauen der Herrlichkeit Gottes in der
Gehorsamsexistenz Jesu. Zugleich gibt allein der eigene
Nachvollzug von Christi Gehorsam und Liebe den Weg
zu dieser tieferen Schau frei" (64 f.). Hier liegt eine mehr
existentielle, meditative, fast assoziative, nicht aber methodisch
streng durchgeführte Christologie vor.

3. „Christus ist kein der Welt hinzugefügtes Beiwerk,
kein Schmuck ... Er ist das Alpha und das Omega, der
Anfang und das Ende, der Grundstein und der Schlußstein
, die Fülle und der Erfüllende... Er ist das einzige,
wertvolle und konsistente Zentrum, das am kommenden
Gipfel der Welt funkelt" (Teilhard). In dieser dynamischfunktionalen
, kosmologischen Christologie erscheint Jesus
Christus als Evolutor, Beseeler und Sammler aller Energien
, als Konkretion des Punktes Omega und Beweger der
Evolution, als der Christus Universalis (Kol 1,15 ff.; Eph
4,9f.; Joh 15,1). Die menschliche Wirklichkeit Jesu hat
hier aber keine konstitutive Bedeutung mehr; der SuperChristus
als Repräsentant der Super-Menschheit absorbiert
seine eigene individuelle Geschichte. Ein Hang zum
mystischen Spiritualismus läßt bezweifeln, ob Christus
hier in einer neuen Christologie „reinkarniert" wird. Bei

K. Rahner wird die kosmische Dimension vom Zwei-
Naturen-Dogma ausgehend im Horizont transzendentaler
Christologie und nachgeordnet korrespondierend der
Anthropologie verhandelt (potentia oboedientialis; Anthropologie
als deflziente Christologie). In den neueren
Schriften tritt die kosmologische und geschichtstheologi-
sche Perspektive noch stärker hervor (christozentrische
Protologie: Aufgipfelung der kosmischen Evolution in
Jesus Christus bzw. Heilsgeschichte im Kosmokrator).
Freilich stellt sich die Frage nach dem biblischen Fundament
dieser transzendentalen Christologie, nach der Bedeutung
des irdischen Jesus in diesen dogmatischen Chri-
stologumena und schließlich nach der Möglichkeit, Gott
als „bekannte Größe" voraussetzen zu können (89).

Pannenberg versucht mit seiner „Christologie der Auferweckung
Jesu", den Einsatz beim irdischen Jesus und
seinem Anspruch in die „Christologie von oben", nämlich
in die universale Bedeutung Christi für die Menschen
aller Zeiten, hinein zu vermitteln. Leitende Begriffe
sind dabei „Offenbarung als Geschichte", Universalgeschichte
, Ende der Geschichte, Prolepse in der Auferweckung
Jesu als Bestätigung seines proleptischen
Vollmachtsanspruches zu Erdenzeiten. Jesu Gottheit ist
nicht positionell vorausgesetzt, sondern ist aus seinem
Geschick zu erfragen. „Ein wenig zu kurz gerät allerdings
im Rahmen dieser Überlegungen das Kreuz Christi und
dessen universale Bedeutung" (97), woran Moltmann gelegen
ist: „Christologie der Auferweckung (als Theologie
der Hoffnung in eschatologischer Blickrichtung) und
Christologie des Kreuzes (als umfassende Theodizee Gottes
in politischer wie theo-logischer Absicht) bilden .. .
die beiden Spannungspole" (101). Stand in der Erwek-
kungschristologie der „Theologie der Hoffnung" der
funktionale Aspekt der Gestalt Jesu Christi im Vordergrund
, so wird in „Der gekreuzigte Gott" die politisch
gemeinte eschatologische Kreuzes-Christologie betont,
eingebunden in die Entfaltung der innertrinitarischen
Geschichte Gottes in Kreuz und Auferweckung Jesu. Dadurch
wiederum droht das Menschsein Jesu verkürzt zu
werden.

4. Anknüpfend an Phil 2,6ff. haben Schoonenberg und
Solle eine radikale Kenosis-Christologie entworfen. Er-
sterer will aus pastoralem Anliegen bewußt eine „Christologie
von unten" entwerfen: Dem chalkedonischen
Modell einer Person-Einheit Christi auf Kosten seiner
menschlichen Personalität muß die menschliche Person
Jesu gegenübergestellt werden (115 ff.): „Vor allem aber
ist in unserer Auffassung nicht die menschliche Natur en-
hypostatisch in der göttlichen Person, sondern die göttliche
Natur enhypostatisch in der menschlichen Person".
So erst kann die geschichtliche Existenz Jesu (Entwicklung
, Wachstum lt. Synoptiker) ganz ernst genommen
werden. Fraglich ist, ob man durch eine Umkehrung der
chalkedonischen Kategorien auch ihre metaphysische Restriktion
aufbricht (Wesens-Christologie). Eine ideo-
logiekritische Konstruktion einer praktischen „Theologie
ohne Zweiheit" findet sich in D. Sölles „Theologie
nach dem Tode Gottes". Christus ist Stellvertreter
Gottes; Gottes Gottsein ist als Selbstentäußerung
in Jesus Christus und dessen Tod geschehen;
jedes „das habt ihr mir getan" läßt Gott zwischen uns
Menschen wirklich werden. Theologie wird also als
Christologie formuliert und diese in eins mit der Anthropologie
expliziert. Die Christologie entfaltet sich in
der Ausdeutung des Kreuzes (als Leiden und Liebe) in
ihren politisch-gesellschaftlichen Dimensionen, freilich
in der Gefahr, (ohne Anhalt an Bibel und Tradition) »in
reine Anthropologie zurückzufallen" (132).

5. W. Kasper formuliert abschließend d rei Aufgaben
heutiger Christologie: Zunächst die Interpretation derein-
maiigen Geschichte Jesu in ihrer universalen Bedeutung,
also die christologische Frage im engeren Sinne (133 ff )