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Ausgabe:

1975

Spalte:

615-617

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Der Kongregationalismus 1975

Rezensent:

Bassarak, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 8

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Predigten des 19. Jh.s von M. A. Potorzinskij sowie die
zahlreichen homiletischen Arbeiten von V. T. Pevnickij
aus dem letzten Viertel des 19. Jh.s, die sich u. a. auch mit
der Predigt im deutschen Luthertum befassen und ein
wertvoller Beitrag zum Abschnitt „Die Polemik gegen
die westlichen Konfessionen" gewesen wären. An Darstellungen
über die Geschichte der russischen Predigt
wird zwar die Arbeit von N. Kataev benutzt. Es fehlen
aber z. B.: M. A. Potorzinskij, Istorija russkoj cerkovnoj
propovedi v biografljach i obrazcach pastyrej-propoved-
nikov IX—XIX vv, 2. Aufl. Kiev 1891, sowie A. I. Razu-
michin, Istorija russkoj propovedi, Moskau 1904. Somit
erweist sich Felmys Arbeit zwar als ein wichtiger Beitrag
über die russische Predigt im genannten Zeilraum, es
harrt aber noch viel grundsätzliches Material der Aufarbeitung
.

Berlin-DDR Hans-Dieter Döpmann

Goodall, Norman [Hrsg.]: Kongregationalismus. Übers
v. E. Mann, A. österle, L. Wedel. Stuttgart: Evang.
Verlagswerk [1973]. 256 S. 8° = Die Kirchen der Welt,
hrsg. v. H. H. Harms, H. Krüger, G. Wagner, H.-H.
Wolf, XI.

Als Band XI der Reihe „Die Kirchen der Welt", für deren
Herausgabe Hans Heinrich Harms, Hanfried Krüger,
Günter Wagner und Hans-Heinrich Wolf zeichnen, erscheint
eine Aufsatzsammlung über den Kongregationalismus
. In zehn Kapiteln und einem Epilog äußern sich
zehn Autoren, alle aus dem angelsächsischen Raum. Im
I. Kapitel informiert Charles E. Surman über das geschichtliche
Werden und die charakteristischen Prinzipien
des Kongregationalismus. Das II. Kapitel beschreibt
spezifische Entwicklungen in Europa (Glynmor John) und
in den Vereinigten Staaten von Amerika (Douglas Horton
). Über den Kongregationalismus in Unierten Kirchen
unterrichten im III. Kapitel Ei nest Long (Unierte Kirche
von Kanada), erneut Douglas Horton (Unierte Kirche
Christi in den USA) und Arnold H. Legg (Kirche von
Südindien). Maxwell O. Janes zeichnet im IV. Kapitel
die Bedeutung des Kongregationalismus für die Weltmission
. Das V. Kapitel schreibt Ralph F. G. Calder über
den Internationalen Kongregationalistischen Rat. Horton
wiederum untersucht im VI. Kapitel den Dialog zwischen
Kongregationalismus und „Glauben und Kirchenverfassung
". Der Herausgeber, Goodall, schildert im

VII. Kapitel die Rolle des Kongregationalismus in der
ökumenischen Bewegung. „Trends in der kongregationalistischen
Theologie" geht John Webster Grant im

VIII. Kapitel nach. Kapitel IX ist dem aktuellen Thema
gewidmet: Der Kongregationalismus und die Gesellschaft
im 20. Jahrhundert (Daniel Jenkins). Schließlich
schildert Goodall die Annäherung der Kongregationa-
listen und der Presbyterianer und schreibt den Epilog.
Drei Anhänge bringen Auszüge aus historischen Dokumenten
, verzeichnen ausgewählte Literatur und stellen
schließlich die Mitarbeiter vor.

Um es vorweg zu sagen: Alle Autoren zeichnen das
Bild eines selten sympathischen Kirchentums. Man erhält
Lust, ihm sofort beizutreten. Das einzige Problem
ist, daß der Kongregationalismus sich im Rückgang, in
der Selbstauflösung bei der Vereinigung mit anderen
Kirchen in diese hinein befindet, so daß sein Ende abzusehen
ist.

„Ein Kind der Renaissance und der Reformation"
(S. 7) hat er „sich in jedem Lande eigenständig entwik-
kelt" und weist so eine „beträchtliche Vielfalt der Formen
" (S. 30) auf. Ein historisches Dokument ist die „Sa-
voy-Erklärung", so genannt nach dem Savoy-Palast, in
dem nach dem Tode von Oliver Cromwell etwa 200 Abgesandte
, Pfarrer und Kirchenälteste, zusammenkamen
und vom 29. September bis zum 12. Oktober 1658 das

dreiteilige Werk ausarbeiteten (1. Vorwort, 2. Glaubenserklärung
in 32 Kapiteln, 3. dreißig kurze Paragraphen
„über die Einrichtung der Kirchen und über die ihr von
Jesus Christus gegebene Ordnung").

Zwar stützte man sich mehr auf die ältere „Westmin-
ster Confession" und formulierte 1833 eine neue „Erklärung
des Glaubens, der Kirchenordnung und Zucht der
kongregationalistischen oder independenten Dissidenten
", aber es bleibt „jedermann die größte Gewissensfreiheit
belassen" darzulegen, worin sein Glaube besteht
(S. 22).

In Europa existieren kongregationalistische Gruppen
in Großbritannien und Irland, in den Niederlanden, in
Schweden und in der CSSR, wo man die Tschechische
Brüderunität dazu zählt und erwähnt, daß der Internationale
Kongregationalistische Rat „die Gelegenheit zu
ökumenischem Zeugnis ergriff, die ihr in der Christlichen
Friedenskonferenz geboten ist" (S. 48), schließlich
in Finnland.

Zur Charakteristik des amerikanischen Kongregationalismus
heißt es, er sei „in seiner Exekutive episkopal
und in seiner Legislative presbyterianisch geworden,
während er in Rechtssachen immer kongregationalistisch
geblieben ist" (S. 58).

Für Indien wird kurz dargestellt, welche Übereinstimmungen
bei den Unionsverhandlungen in Dingen erreicht
wurden, die den Kongregationalisten am Herzen lagen.
Bei der Ausarbeitung des Unionsschemas, so erfahren
wir, „spielten Missionare eine große Rolle" (S 85). Diese
Bemerkung erweckt erst im Nachhinein Erstaunen, wenn
man (auf S. 101) liest, „Hawaii wurde im Jahre 1898 ein
amerikanischer Staat und war infolgedessen (sie!) kein
Missionsfeld mehr".

Infolge „typischer Abneigung gegenüber festen Zusammenschlüssen
überregionaler Art" hat man sich erst
1948 international „konfessionell" organisiert (S. 119).
„In den folgenden 15 Jahren gelang es .dem Rat, ... die
kleine, aber bedeutende Vereinigung tschechischer Brüder
für sich zu gewinnen", heißt es S. 125. Gute Beziehungen
entwickelten sich zum Reformierten Weltbund
(S. 129).

Besonders interessant und nachgerade ein Kabinettstück
kurzgefaßter ökumenischer Geschichte ist Hortons
Beitrag über den Dialog mit „Glaube und Kirchenverfassung
" (S. 132ff.). Ebenso farbig ist die Darstellung der
Trends in der Theologie. Da heißt es, es sei in den zwanziger
Jahren die Regel gewesen, „den Kongregationalismus
nicht als einen Glauben oder eine Kirchenverlas-
sung, sondern als einen Weg, ein Ethos oder als einen
Genius zu beschreiben" (S. 164). So wurde der Kongregationalismus
zu einer „Zuflucht für geplagte Geistliche
anderer Gemeinschaften" (S. 170). Die Darstellung der
Bedeutung für die Gesellschaft will allerdings nicht recht
befriedigen. Den Epilog nimmt Jenkins schon vorweg,
wenn er am Ende seines Beitrags schreibt: „Der Kongregationalismus
als besondere historische Bewegung
geht seinem Ende entgegen. Wenn alles nach Plan verläuft
, wird es Ende dieses Jahrhunderts, und vermutlich
schon viel früher, kaum noch kongregationalistische Kirchen
traditioneller Art in irgendeinem Land der Welt geben
. Wir brauchen das nicht zu bedauern. ... Denen, die
Kongregationalisten gewesen sind, fällt . .. die besondere
Verantwortung zu, das Beste, was sie gesehen haben
, einzubringen in die neuen Formen kirchlichen Lebens
, die sich abzeichnen" (S. 186 f.).

Trotz mancher gesellschaftlicher und politischer Voreingenommenheiten
, die dem Buch in gewissen Partien
eignen, liest man die Darstellung gern als ein evangelisches
Zeugnis für eine Kirche, die den Geist Jesu Christi
bis hin zur Bereitschaft zur Selbstaufgabe atmet.

Ein kleiner Wunsch an die Übersetzer bleibt: Die ökumenische
Terminologie sollte authentisch gebraucht