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Ausgabe:

1975

Spalte:

612-615

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Felmy, Karl Christian

Titel/Untertitel:

Predigt im orthodoxen Russland 1975

Rezensent:

Döpmann, Hans-Dieter

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 8

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rungsarbeit. Vf. ist als wiss. Assistent im Hochschul-
dienst Nordrhein-Westfalens (Geschichte) tätig (s. Vita).

In präziser Diktion gelingt es dem Vf., auf bemerkenswert
knappem Raum (Darstellungsteil 72 S.) über die
Zeit des Reichskirchenausschusses von Oktober 1935 bis
Februar 1937 gut informierend zu berichten. Er unterscheidet
drei Phasen: Aufbau, Stillstand und Zerstörung
des Werks der Kirchenausschüsse (Zäsuren: März und
August 1936). Die Vorgänge, die zur Bestellung des Reichsministers
o. G. Hanns Kerrl (damals nicht mehr preußischer
Justizminister!) führten, sind komplizierter, als
es die Bemerkungen auf S. 3 vermuten lassen. Sonst ist
die Kurzcharakteristik Kerrls durchaus gelungen (S. 4,
Z. 13 muß es „u n ausgereift" heißen). Daß die Kirchen-
ausschußpolitik, der Teile der BK und der DC ihre Mitarbeit
versagten, auch deshalb scheitern mußte, weil
Kerrls Konzeption einer Synthese von Christentum und
Nationalsozialismus den Widerspruch der religionspolitischen
Kräfte provozierte, die auf eine weltanschauliche
Distanzierung vom Christentum aus waren, kann
der Verfasser mit mannigfachen Beispielen belegen und
entspricht der gegenwärtigen Forschungslage.

Der Versuch, die religionspolitische Variante des NS-
Regimes, die das ..Befriedungswerk" der Ausschüsse politisch
ermöglicht hat, von der Außenpolitik her zu erklären
, ist nicht neu. Neben dem innenpolitischen Anliegen
einer weiteren Stabilisierung des NS-Staates, die durch
den chaotisierenden Kirchenstreit beeinträchtigt erschien
, spielte die auch rüstungspolitisch wichtige Rücksichtnahme
auf England eine dominierende Rolle bei kir-
chenpolitischen Überlegungen des Regimes im Jahre 1935
(deutsch-britisches Flottenabkommen vom 18. Juni 1935).
Andeutend, nicht differenziert genug heißt es: Hitlers
..Politik hatte 1935 im Ausland so viel Widerstand gefunden
, daß sich das Deutsche Reich nach der Antirevi-
sionsfront von Stresa vom 14. April 1935 einem fast geschlossenen
Kreis von Gegnern gegenübersah. Die einzige
Lücke war England, das eine ausgesprochene Ap-
peasement-Politik betrieb. Sie konnte durch eine Bereinigung
des belastenden Kirchenstreites nur gefördert
werden" (S. 6). Die Zäsur, die den Stillstand des Werks
der Kirchenausschüsse im Frühjahr 1936 markiert, wird
von einer „Gegenbewegung" her plausibel gemacht, die
Vf. im Zusammenhang mit der Tatsache stehend sieht,
..daß angesichts des nachgiebigen Verhaltens der Völkerbundsmächte
gegenüber Mussolini im Abessinienkrieg"
(S. 14) das Selbstbewußtsein der NS-Partei wieder im
Steigen begriffen gewesen sei. Befürchtungen der Nazis,
eine wohlgeordnete evang. Kirche könne gemeinsame
Sache mit der katholischen Kirche machen, sind bezeugt.
Hitlers — trotz Warnungen militärischer Berater — erfolgreiche
Remilitarisierung des Rheinlands, ohne daß
die Westmächte eingriffen, wird als Motivhintergrund
für „das Erstarken der antikirchlichen Aktivität des
Staates" gesehen (S. 38f.). Auf den zunehmenden Einflußverlust
Kerrls und seinen krankheitsbedingten Ausfall
von April bis November 1936 wird ebenso hingewiesen
. Die spürbare Zurückhaltung des NS-Regimes angesichts
der Olympischen Spiele August 1936 in Berlin blieb
Episode, der verstärkte Attacken gegen die Kirche folgten
, wobei die innerkirchlichen Spannungen, die aus der
verschiedenen Einstellung kirchlicher Gruppierungen zu
den Ausschüssen resultierten, taktisch benutzt wurden,
Kerrls Kirchenpolitik für verfehlt hinzustellen und in
der Spätphase systematisch zu torpedieren.

Es sei auch darauf hingewiesen, daß Vf. in differenzierter
Form das kirchenpolitische Gelände abschreitet,
die Reaktionen der kirchlichen Kräfte im einzelnen auf
die Bemühungen des RKA unter Zoellner darstellt und
so ein instruktives Bild des Dilemmas aufzeigt, in das
sich die Kirchenausschüsse zunehmend gestellt sahen und
das zum vorzeitigen Rücktritt des RKA und zur Abberufung
der Landes-und Provinzialkirchenausschüsse führte.
Die vielschichtigen Bedingtheiten im Wechselspiel der
Kirchenpolitik werden deutlich; gewisse Erfolge, die die
zur Mitarbeit bereiten Teile der Bekennenden Kirche erzielten
, wurden mit einer Spaltung der Bekenntnisfront
bezahlt und provozierten andererseits die Deutschen
Christen nationalkirchlicher Observanz in den Landeskirchen
Thüringen, Mecklenburg, Lübeck und anderswo
. Im partiellen Gleichklang der Interessen dieser DC-
Kirchenleitungen und der dortigen Reichsstatthalter, die
Eingriffe des Kirchenministeriums in ihr Gebiet zurückwiesen
, mußte die Ausschußpolitik ein Torso bleiben
, zumal die von den Deutschen Christen insgemein
geforderten treuhänderischen Ausschüsse auch für die
intakten Kirchen wie Württemberg und Bayern eine Zumutung
darstellten, die die Bereitschaft dieser bekenntnismäßig
orientierten Landeskirchenführungen, mit dem
RKA grundsätzlich zusammenzuarbeiten, hätte schwinden
lassen.

Daß die Kirchenausschüsse, die an ihrem Auftrag
scheiterten, „den Kirchenfrieden wiederherzustellen"
(S. 72), auch ..positive Nachwirkungen" (ebd.) gehabt haben
, kann zwar nicht in Abrede gestellt werden; von
einer endgültigen Ausschaltung des deutsch-christlichen
Einflusses auf die Reichskirche als Resultat der
Kirchenausschußpolitik zu sprechen (ebd.), verbietet sich
trotz lautstarker Klagen der Deutschen Christen über
ihre „Entmachtung" durch den RKA schon insofern, als
beispielsweise der Leiter der Kirchenkanzlei der DEK,
zugleich Präsident des altpreußischen Ev. Oberkirchenrats
, Dr. Friedrich Werner, ministeriell bestätigt im Amte
verblieb und namens der altpreußischen Unionskirche in
der Folgezeit mit den Nationalkirchlern paktierte.

Leipzig Kurt Meier

Carder, W. G.: Pioneer Christian Foundations and Out-
reach at Nellore 1840-1870 (Indian Church History Review
7, 1973 S. 121-136).

Jacob, T. S. S.: The Autobiography of Rev. T. S. S. Jacob
(Indian Church History Review 7, 1973 S. 137-150).

Meyer, U.: Indigenisation — A Critical Review of the
Discussion in India 1942—65 (Indian Church History
Review 7, 1973 S. 91-120).

KIRCHEN- UND
KONFESSIONSKUNDE

Felmy, Karl Christian: Predigt im orthodoxen Kul!lan<l

Untersuchungen zu Inhalt und Eigenart der russischen
Predigt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1972]. 320 S., 3
Taf.gr. 8" = Kirche im Osten. Monographienreihe Band
11. DM 46,-.

Trotz der zahlreichen in der Nachkriegszeit erschienenen
Arbeiten über die orthodoxen Kirchen herrscht noch
stark der vereinfachende Schematismus vor: Kirche der
Verkündigung im Westen - Kirche des Kultes im Osten.
Zwar ist es unbestreitbar, daß, wie Felmy richtig zeigt,
der Predigt bei den Orthodoxen nicht jene zentrale Bedeutung
wie im evangelischen Gottesdienst zukommt,
und daß sie weithin stark vernachlässigt wurde. Der Verkündigung
dienen nach orthodoxem Verständnis aber
bereits der Aussagegehalt der Ikonen wie auch die Symbolik
des gottesdienstlichen Handelns. Die eigentliche
Wortverkündigung erfolgt dann in dreifacher Hinsicht:
in der Schriftverlesung, in den Hymnentexten und in der
auch für die Orthodoxie prinzipiell unaufgebbaren Predigt
.

Angesichts deren Vernachlässigung in der bisherigen
Forschung verweist Felmy mit Recht darauf, es komme