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1975

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Neuerscheinungen

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603

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr 8

kosmischen Erneuerung einschließt. Zwar hebt die Heilsgeschichte
die Weltgeschichte nicht auf, deutet sie jedoch
als Vollstreckung der Pläne Gottes. Chiliastische Berechnungen
der Endereignisse, wie man ihnen in der kanonischen
Offenbarungsschrift und im Montanismus begegnet
, werden vom Vf. als judenchristliche Deformationen
bewertet, hingegen die angelologischen Elemente der
frühchristlichen Deutung der Feindseligkeit der Welt
Gott gegenüber ausführlicher geschildert und freundlicher
beurteilt.

Aufschlußreicher und lebensnäher ist die sehr klare
Darstellung glücklich ausgewählter Situationen und Vorstellungen
, durch welche die Welt des Römerreiches an
die apostolische, nachapostolische und alte Kirche herantrat
(S. 151—247). Dem römischen Welt- und Selbstver-
ständnis wird das Geschichtsbewußtsein der Christen
gegenübergestellt. Den Umdeutungen, denen sich der
Gedanke der Pax romana fügen mußte, um sich der ke-
rygmatischen Sendung der Kirche dienstbar machen zu
können, wird besonders mit Hilfe des apologetischen
Schrifttums nachgegangen. Der Zusammenstoß von zwei
so verschiedenen Mentalitäten, der römischen und der
christlichen, wird an sittlichen Normen sichtbar gemacht,
mit welchen die Christen die Thermen und den Bereich
der spectacula betreten und ihren alltäglichen Lebensstil
gestalten. Bei der Schilderung der christlichen Haltung
zum Obrigkeitsanspruch des Imperiums ist es dem
Vf. besonders gelungen, die Motivierungen der bedingten
Hörigkeit aus den Quellen herauszuarbeiten, wenn auch
vielleicht unter gewisser Unterschätzung der Widerstandsbereitschaft
und des sozialen Befreiungswillens
einiger Gruppen.

Die Welterneuerung als eschatologische Verheißung
wird im letzten Teil behandelt (S. 249-333). Die Themen
des Neuen Menschen, der Neuen Heimat und des christlichen
Paradoxes bedingen das Welterlebnis der Christen
im Sinne einer Als-ob-Ethik, die es dem Christen
verbietet, die „Logik der Welt" ohne weiteres mitzumachen
. Läßt die saubere Ausarbeitung des neutestament-
lichen und frühpatristischen Befundes die innere Freiheit
und die krampflose Einstellung des Frühchristentums
seiner Umwelt gegenüber klar hervortreten, wird man es
doch bedauern müssen, daß der Vf. sich nur selten die
Frage stellt, inwieweit und in welcher Richtung diese
subjektive Haltung auf den objektiven geschichtlichen
Prozeß eingewirkt haben konnte.

Einige Einzeldeutungen wirken wenig überzeugend. So
könnte nach S. 182 1 Tm 4,8 die ..somatike gymnasia"
wohl zu Unrecht als Sportangelegenheit verstanden werden
, und S. 190 ist die Übersetzung derTacitusstelle fraglich
.

Prag Amedeo Molnar

Brox, Norbert: Magie und Aberglaube an den Anfängen
des Christentums (TThZ 83, 1974 S. 157-180).

Camilleri, Nazareno: II mistero della creazione alla luce
del mistero della Trinitä. Parte I. Quid est homo? (Sa-
lesianum 36, 1974 S. 173-209).

Frei, Hans A.: Metanoia im „Hirten" des Hermas (Fortsetzung
) (IKZ 64, 1974 S. 189-202).

Garcia Bazän, Francisco: Gnöstica. El Capitulo XVI de
La vida de Plotino de Porfirio (Salesianum 36, 1974 S.
463-478).

Jamieson, I.: Augustine's Confessiones: The Structure of
Humility (Augustiniana 24, 1974 S. 234-246).

Kyriakakis, James: Byzantine Burial Customs: Care of
the Deceased from Death to the Prothesis (The Greek
Orthodox Theological Review 19, 1974, S. 37-72).

Larentzakis, Gregor: Einige Aspekte des hl. Athanasios
zur Einheit der Kirche (Klcronomia 6, 1974 S. 242-260)

Oberg, Eberhard: Os parä: Wer schrieb den sogenannten
150. Brief des Basileios? (ZKG 85, 1974 S. 1-10).

Orbe, Antonio SJ: Los hombres y el creador segün una
homilia de Valentin (Clem., Strom. IV 13, 89, 1-91,3)
(Gregorianum 55, 1974 S. 5-48).

— ... — II (Gregorianum 55, 1974 S. 339-368).

Patzer. L. V.: O Providencialismo segundo Eusebio de
Cesareia (Igreja Luterana, Ano XXXIII - 1972 S. 73
bis 115.

Riggi, Colagero: Epifanio e il biblico dialogo coi non chri-
stiani nella cornice del „Panarion" (Salesianum 36,
1974 S. 231-260).

— Lineamenti della personalitä di S. Ambrogio nel ricor-
do agostiniano (Salesianum 37, 1975 S. 3—37).

Schmidt, Albert: Kleine Theologie der Hoffnung. Zur

Predigt des heiligen Augustinus über den 130. (129.)

Psalm (Erbe und Auftrag 50, 1974 S. 419-422).
Teran Dutari, J.: La liberaciön en el pensamiento de San

Agustin (Stromata 29, 1973 S. 503-523).
Verheijen, L.: Contributions ä une edition critique ame-

liore des Confessions de saint Augustin (Augustiniana

24, 1974 S. 217-233).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Brandmüllcr, Walter: Das Konzil von Pavia-Siena 1423/24.

II: Quellen. Münster: Aschendorff [1974]. XIV, 477 S.

gr. 8° = Vorreformatorische Forschungen, hrsg. v. J.

Lortz und E. Iserloh, 16/11. Kart. DM 98,-.

Das kaum bekannte Konzil von Pavia-Siena 1423,24 als
Zwischenglied zwischen den bekannten Reformkonzilien
von Konstanz 1414—18 und Basel 1431—49 war von Brandmüller
1968 als Bd. I dargestellt worden (vgl ThLZ 94,
1969 Sp. 605-07). Der jetzt vorgelegte Quellenband stellt
zu Beginn der Einleitung fest, daß seit der 1968 erschienenen
Arbeit keine neuen Quellen gefunden worden sind.
An der Spitze der Quellen stehen die Konzilsdekretc
(S. 19—28). Die beiden ersten sind sehr kurz und betreffen
die Verlegung des Konzils von Pavia nach Siena bzw. die
Wiedereröffnung in Siena (S. 19). In beiden Dokumenten
lehnte sich die Synode in der Selbstbezeichnung an Formeln
des Konzils von Konstanz an: „Sacrosancta et generalis
synodus Senensis, in spiritu sancto legitime con-
gregata, universalem ecclesiam representans, staluit, or-
dinat, decernit et declarat..." Mit Recht hebt Br. den
Kontrast hervor zwischen dieser Intitulation der beiden
ersten Dekrete, die den Papst überhaupt nicht erwähnen
, und der späteren Auflösungsbulle, die nur den
Papst als handelnde Instanz nennt. Dabei ist Br.s Standpunkt
zu den Vorgängen derselbe wie schon in Bd. I: Er
wertet die Vorgänge als „Erfolg der päpstlichen Diplomatie
bei dem Versuch, den konziliaristischen Kräften
in Siena zu begegnen" (S. 2). Die Dekrete wurden bereits
gedruckt, die Überlieferung ist durch sieben Handschrift-
ten gesichert. An zweiter Stelle stehen 47 Papstbriefe (S.
29—88). Auch diese Briefe lagen teilweise schon im Druck
vor. Br. bedauert es, daß die Papstbriefe nicht vollständig
überliefert seien: Verluste seien wohl dem sacco di
Roma 1527 zuzuschreiben (S. 7). Doch auch die jetzt vorliegende
Sammlung gibt einen Eindruck von der weltweiten
Korrespondenz Papst Martins V., der freilich
jenem Konzil mit sehr deutlichen Vorbehalten gegenüberstand
.

Von noch größerem Interesse ist natürlich das bisher
ungedruckte Quellenmaterial. Da sind vier Predigten,
die im Zusammenhang mit jenem Konzil stehen (S. 89 bis
201). Drei Predigten werden von Johannes von Ragusa
überliefert, einem konziliaristisch gesinnten Theologen:
eine Predigt stammt von Hieronymus von Florenz, einem
papalistisch gesinnten Kritiker des Konzils. Beide waren
Angehörige des Dominikanerordens. Zumal die Predigt
des Johannes von Ragusa, die er am 7. 12. 1422 in Rom
vor Papst Martin V. gehalten hat, ist aufschlußreich: Hier