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Ausgabe:

1975

Spalte:

589-593

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Berger, Klaus

Titel/Untertitel:

Die Gesetzesauslegung Jesu 1975

Rezensent:

Baumbach, Günther

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889

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 8

590

Dion, Paul-E.: Le message moral du prophete Arnos s"in-
spirait-il du „droit de l'alliance" ? (Science et Esprit 27.
1975 S. 5-34).

Görg, Manfred: Saron als politische Einheit (BZ 19, 1975
S. 98-99).

Kutsch, E.: Das Jahr der Katastrophe: 587 v. Chr. Kritische
Erwägungen zu neueren chronologischen Versuchen
(Bibl 55, 1974 S. 520-545).

Pelzl, Bernhard: Der hebräische Bauausriruck aedaen.
Ein Beitrag zur Exegese und Lexikographie des AT
(BZ 19, 1975 S. 41-49).

Schmitt, Armin: Die Totenerweckung in 2 Kön 4,8—37.
Eine literaturwissenschaftliche Untersuchung (BZ 19,
1975 S. 1-25).

Schwarz, Günther: „Begünstige nicht..." ? (Leviticus 19,
15b) (BZ 19, 1975 S. 100).

NEUES TESTAMENT

Berger, Klaus: Die Gcsclzcsausleguns Jesu. Ihr historischer
Hintergrund im Judentum und im Alten Testament
. I: Markus und Parallelen. Neukirchen-Vluyn:
Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins (1972). XI,
631 S. gr. 8° = Wissenschaft! Monographien zum Alten
und Neuen Testament, in Verb. m. F. Hahn u. O.
H. Steck hrsg. v. G. Bornkamm u. G. von Rad t, 40. Lw.
DM 98,-.

Die „einer charmanten jungen Dame, die inzwischen
meine Frau geworden ist" (S. VII), gewidmete Untersuchung
geht auf eine 1963—06 entstandene Dissertation zurück
und ist streng traditionsgeschichtlich orientiert. In
der „Einführung" (S. 1—31) behandelt B. methodische
Fragen (S. 1—3), bietet einen Überblick über die Forschungsgeschichte
(S. 3—10) und beschäftigt sich mit dem
..Ursprung der Gesetzesfrage im frühen Christentum"
(S. 11—31). Hier werden bereits einige Ergebnisse vorweggenommen
, die in den folgenden Abschnitten ausführlich
begründet werden. B. versucht nachzuweisen,
daß „die Position Jesu in allen Teilen ihren Ursprung im
Judentum hat,... im hellenistischen und im sog. apokalyptischen
", und daß „der Gegensatz zum Judentum in
der Gesetzesfrage nicht in der Gesetzesfrage selbst
sondern in der gewaltsamen Tötung Jesu" gründet (S.2).
Da in den neutestamentlichen Traditionen — unter Berufung
auf O. H. Steck — das Geschick Jesu grundlegend
vom deuteronomistischen Geschichtsbild geprägt sei, wonach
der Prophet als Gesetzeslehrer abgelehnt wird und
die ihn Ablehnenden sich damit als gesetzlos erweisen,
kann „Jesus nur als Gesetzesprediger, der den Willen
Gottes verkündet, dargestellt werden und entsprechend
die Juden als gesetzlos" (S. 12). Von einem „liberalen"
und bisher unerhörten Gesetzesverständnis Jesu kann
demnach nicht die Rede sein, vielmehr ist ..wahrscheinlich
, daß sich Jesu Predigt gegen die Nicht-Beachtung des
Gesetzes richtete" (S. 15). Der eine Ansatz der Gesetzesfrage
Ist also die deuteronomistische Deutung des Geschickes
Jesu. Der andere steht damit im engsten Zusammenhang
: „Insofern Jesus der endzeitliche Prophet
Ur>d Gesetzeslehrer ist, trägt er traditionell den Titel
'Licht der Heiden'"(S. 27). Daraus läßt sich erklären,
••Weshalb Jesus in der Evangelientradition als (Geset-
'•cs-Hehrer, in paulinischer Tradition aber soteriologisch
a's an der Stelle des Gesetzes stehend geschildert werden
kann" (S. 27). Am Schluß der „Einführung" faßt B.
zusammen: „Der Ursprung der Gesetzesfrage ist Jesus
•1« der Gesetzesprediger - betrachtet im Lichte seines
Geschicks als Licht für Israel und die Heiden" (S. 31).

°ie folgenden Hauptteile sind ganz gleichmäßig aufgebaut
. Vor die eigentliche Auslegung einzelner neu-
testamentlicher Perikopen ist jeweils die Traditionsgeschichte
der in ihnen ausgelegten alttestamentlichen Gebote
gestellt worden. Zunächst aber befaßt sich B. mit der
„inhaltlichen Bestimmung des Gesetzesbegriffs im Frühjudentum
" (S. 32-55), wobei das Ergebnis lautet: „No-
mos ist zwar für das Spätjudentum(!) der Inbegriff dessen
, was von Gott gefordert ist, aber für bestimmte Bereiche
spätjüdischer (!) Tradition und des NT ist der Inhalt
von .Gesetz' relativ variabel, ist er außer auf die
Forderung nach dem Glauben an einen Gott meist nur
auf den sozialen Bereich bezogen und hat oft im AT nur
im Dekalog einen Rückhalt" (S. 53). Der zuletzt genannte
Gesetzesbegriff soll in Mk 10 u. 12; Mt 5,17.21 ff.; 7.12: 22,
36ff.p; 23,23 und bei Paulus (Rom 13,8ff.; Gal 5,14) vorliegen
und „aus dem Bereich der griechisch-jüdischen Literatur
apokalyptischer Prägung" stammen (S. 53).

Der umfangreichste Abschnitt trägt die Überschrift:
„Die beiden Hauptgebote" und befaßt sich sehr ausführlich
mit Grundbedeutung und Auslegungsgeschichte von
Dtn 6.4 f. und Lev 19,18 als Vorstufe zum Verständnis
von Mk 12.28-34 p (S. 56-257). Die hier gebotene Materialfülle
erschwert zwar die Lektüre, veranschaulicht
aber den Umfang der bei einer solchen Fragestellung
notwendig zu berücksichtigenden Texte. B. weist nach,
daß im Frühjudentum „die Herausstellung von Gottes-
und Nächstenliebe als der Zusammenfassungen des Gesetzes
nicht aus der Beschäftigung mit der Schrift erwuchs
" (S. 169), sondern daß diese Kombination in dem
griechischen Bildungsideal eusebeia kai dikaiosyne gründet
, das vom .hellenistischen Judentum' — meist mit Ersetzung
der dikaiosyne durch philanthropia — übernommen
wurde (vgl. S. 168) und zu einer .Entdeckung'
des Dekalogs als einer „Zusammenfassung aller Gebote"
(S. 138) führte. „Zur synoptischen Hauptgebotsverbindung
ist es von hier aus nur ein kleiner Schritt. Jetzt
werden erstmals für die von außen herangetragene Summe
des Gesetzes zwei Schriftstellen als Belege gesucht"
(S. 170). Unter Berufung auf Mk7,10; 10,11 f. 19; Mt 19,
18f.; Lk 10,25ff.; 18,18ff. folgert B., daß diese christliche
Gemeinde „noch auf dem Boden des hellenistischen Judentums
argumentiert" (S. 171), sofern nur der soziale,
nicht aber der rituelle Bereich der Tora eine Rolle spielt.
Die .hellenistische Christengemeinde' ist also die Erbin
dieses hellenistisch-jüdischen Gesetzesverständnisses,
von dem sich das Judentum „im Laufe des ersten Jahrhunderts
" gelöst hat (S. 173), so daß „die (überkommene)
jüdisch-hellenistische Position gegenüber der ebenso Jüdischen
' anderen nunmehr als christlich bezeichnet und
Jesus in den Mund gelegt" wurde (S. 176). Daraus ergibt
sich eine für B. weitere wichtige Feststellung: „Die Auseinandersetzung
zwischen einem Judentum, das sich auf
die Tora beschränkt, und einem, das aus anderen, erst
spätjüdischen Traditionen lebt, deckt sich zum Teil mit
der Auseinandersetzung zwischen Juden und Judenchristen
im NT ... Der im NT zunehmende Schriftbeweis
ist ein Sich-Einlassen auf die Position des Gegners mit
z. T. untauglichen Mitteln" (S. 176). Auf die oft sehr instruktiven
Einzelbeobachtungen zu Mkl2,28ff.p kann
hier nicht eingegangen werden.

Der nächste Abschnitt befaßt sich mit der „Grundbedeutung
des 4.-10. Dekaloggebotes und deren Auslegungsgeschichte
bis zum NT" (S. 258-361). Zwar hat der
Dekalog „in den nach-dtr palästinensischen Traditionen
... bis zur Zeit des NT überhaupt keine Rolle gespielt",
aber er soll „offenbar in der Proselytenkatechese des hellenistischen
Judentums" (S. 270) als „Zusammenfassung
von Sozialgeboten" Bedeutung gehabt haben (S. 271). Die
dafür beigebrachten wenigen Belege sind allerdings sehr
problematisch. Bei der Einzelbehandlung der Dekaloggebote
formuliert B. zurückhaltender: „Der Dekalog
(hat) zwar nicht in seiner Gesamtheit, wohl aber in Einzelgeboten
, die frei wiedergegeben wurden, die paräne-
tischen Traditionen der späteren Apokalyptik deutlich