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Ausgabe:

1975

Spalte:

585-587

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ridderbos, Jan

Titel/Untertitel:

De Psalmen 1975

Rezensent:

Ploeg, Johannes P. M.

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585

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 8

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Windung des Widerspruchs seitens der Nieht-Selbigkeit
in Gegen-wart" (S. 139). Später sagt er es glücklicherweise
deutlicher: Ein Religionsbegriff, der mit heiligem
Raum und heiliger Zeit operiert, wird zugunsten der Erfahrung
von Wirklichkeit widerspruchsvoller Geschichte
destruiert. Die — im Grunde protestantischen! — Propheten
(S. 185), die man aber dessenungeachtet nicht etwa
mit Reformatoren gleichsetzen darf (S. 188 f.), weil sie
kein Reformprogramm hatten und keine Gesinnungsreformer
waren (darf man reformatorisches Wirken so
charakterisieren? und: Warum nennt der Vf. die Propheten
dann „Reformpropheten" ?), protestieren gegen
die analogia entis. Von da aus ergibt sich, wie die Stellung
der Propheten zum Kultus zu beurteilen ist. Sie lehnen
die Kultreligion keineswegs radikal ab, sehen aber
ihr Wesen völlig anders als ihre Zeitgenossen: Aufgabe
des Kultus ist Verkündigung des Gottesrechts, Pflege des
echten Wissens um Gott, Verwirklichung des Bundes. In
der „Neusetzung" durch Jahwe wird diese Intention des
Bundes verwirklicht; seine Verfehlung wird dann abgetan
sein.

Man wird mit einigem Recht bezweifeln dürfen, daß
sämtliche „Reformpropheten" in jener tiefgründigen
Weise Einsicht hatten in die Grund-Sünde des Ritus als
Ausdrucks einer religio naturalis, die der ungehemmten
Entfaltung des Selbst dient, wie der Vf., der seine Religionsphilosophie
, gekennzeichnet durch eine prinzipielle
Abneigung gegen die analogia entis, ohne Umschweife zu
derjenigen der Propheten macht. Könnte man den Propheten
derartige Ansichten unterstellen, so hätten sie
ihnen wohl unmißverständlicher Ausdruck gegeben,
und wir brauchten nicht mehr mit viel Mühe die Motive
ihrer Kulikritik zu erhellen zu versuchen. Auch dem Vf.
ist es nach meinem Dafürhalten nicht gelungen, dieses
Rätsel zu lösen, so bemerkenswert und manchmal treffsicher
seine Überlegungen auch sind.

Der Anmerkungsteil ist den einzelnen Kapiteln jeweils
gesondert nachgestellt. Zusammenfassungen des
Inhalts in niederländischer, englischer und französischer
Sprache machen den Beschluß (S. 197-205). Ein recht
reichhaltiges, vor allem sehr viel deutschsprachige Monographien
und Aufsätze nennendes Literaturverzeichnis
ist beigegeben. Der Vf. beherrscht die deutsche Sprache
gut ; nur an wenigen Stellen wirkt seine Ausdrucksweise
ein wenig hölzern. Er hat diese Monographie Otto Eiß-
feldt sowie dem christlichen Schriftsteller Karl Hüllweck,
der sich in der DDR (und nicht nur dort) einen Namen
gemacht hat, gewidmet.

Noch einmal: Der Autor macht es seinem Leser nicht
leicht. Wer sein Buch aber studiert hat, wird es bei aller
Anfechtbarkeit einzelner Ausführungen zweifellos mit
Gewinn aus der Hand legen.

Münstcr/Westf. Franz Hesse

Nidder bot, Nie. H., Dr.: De Psalmen. Opnieuw uit de
Grondtekst vertaald en verklaard. II: Psalm 42-60.
Kampen: Kok 1973. 271 S. 8° = Körte verklaring der
Heilige Schrift met nieuwe Vertaling. Lw. hfl. 22,50.

Nico Ridderbos (zu unterscheiden von seinem verstorbenen
Vater Prof. Dr. J. Ridderbos, der zwei Teile eines
großen Kommentars über die Psalmen publizierte: Ps 1
bis 106, Kampen 1955; 1958) ist ordentlicher Professor
für Alttestamentliche Exegese an der Freien (reformierton
) Universität Amsterdams. Er promovierte 1939 mit
e'ner Dissertation „De Werkers der ongerechtigheid in
de individuele Psalmen", einem Buch von 376 Seiten.
worin das bekannte Problem gründlich auseinandergesetzt
wird. Seitdem veröffentlichte er in der (reformierten
) Reihe „Körte Verklaring der Heilige Schrift met
Nieuwe Vertaling" den ersten Band seines für diese

Reihe geschriebenen „kurzen" Kommentars: Ps 1—41,1962
(455 Seiten). 1972 erschien als BZAW Nr. 117 eine schon
1967 dem Verlag eingereichte Abhandlung „Die Psalmen,
stilistische Verfahren und Aufbau mit besonderer Berücksichtigung
von Ps 1-41" (IX, 305 Seiten). Dann folgt
der 2. Teil seines Kommentars, der nach Fertigstellung
etwa vier oder fünf Bände umfassen wird.

Die „Kurze Erklärung" will nicht wissenschaftlich-
technischen Charakter tragen, sondern den Text gemeinverständlich
erklären für alle, die die Heilige Schrift lieben
, auch wenn sie kein hebräisch verstehen (das im Text
so gut wie nie zitiert wird). Ridderbos' Erklärung ist nicht
geradezu „kurz" zu nennen, wie aus dem oben Gesagten
hervorgeht, aber darüber kann der Leser sich nur freuen.

Die Übersetzung folgt dem massoretischen Text ziemlich
genau, und R. versucht nicht, ihn „literarisch" wiederzugeben
. Für ihn wie für viele andere, die in der Heiligen
Schrift zu Hause sind, ist am sprachlichen Gewand
in der Übersetzung am besten so gut wie nichts zu ändern
; für sie ist die Sprache der Psalmen nun einmal,
auch in der Ubersetzung, eine andere als die unserer Umwelt
. Das soll so bleiben, und die Ubersetzung darf nicht
literarische Schönheit erstreben. Es ist müßig, hierüber
zu streiten; persönlich ziehe ich es vor, dem Stil der modernen
Sprache mehr Rechnung zu tragen und wenn
möglich, sogar „schön" zu übersetzen, soweit dies geschehen
kann, ohne die Gedanken, Bilder und Anthropologie
der Texte zu ändern oder gar zu vergewaltigen. Es ist
aber ohne weiteres zu mißbilligen, wenn in einer modernen
Gesamtübersetzung des AT die Psalmen einem Dichter
zur Ubersetzung gegeben werden (wie das vor kurzem
in Holland geschehen ist, in diesem Fall einer Dichterin
), der (die) zwar einige Schulkenntnis.se des Hebräischen
besitzt, aber keine Fachkenntnisse und erst
recht keine exegetischen Kenntnisse (die jüngste katholische
Bibelübersetzung in Holland), die völlig unentbehrlich
sind, um einen oft so schwierigen Text wie den
der Psalmen zu bewältigen.

Ridderbos' Exegese ist sauber, besonnen und wohl ausgewogen
. R. kennt die einschlägige Literatur und zitiert
sie bisweilen ganz kurz. Er wählt sich die Auffassungen
aus, die ihm die besten scheinen. Ganz besondere Aufmerksamkeit
widmet er der stilistischen und literarischen
Analyse jedes Psalmes, um es dem Leser zu ermöglichen
, den Text so gut wie möglich zu verstehen.

In der Datierung der Psalmen ist R. konservativ. Die
historischen Elemente der Überschriften werden von ihm
ernst genommen und scheinen ihm in manchen Fällen
durchaus glaubwürdig, z. B., wenn es sich um Geschehnisse
aus dem Leben Davids handelt. Er unternimmt keinen
Versuch, einen Psalm auf Grund innerer Kriteria als
Sprache und Verwandtschaft mit anderen Schriften des
AT zu datieren. Ein sorgfältiges Studium des Wortschatzes
(vgl. Tournay; Deissler; in meinem Psalmenkommentar
versuche ich dasselbe) kann vieles lehren, man
vermißt es sehr ungern bei R.

Zu den einzelnen Psalmen folgendes. Es scheint R.
durchaus möglich, daß Ps 43 später als Ps 42 ist und von
einem anderen Verfasser stammt, obwohl er zugibt, daß
Ps 42-43 jetzt eine Einheit bilden. Der Dichter von Ps 42
ist nach R. von Ausländern oder feindlichen Banden in
Gefangenschaft getrieben worden, was m. E. nicht zu beweisen
ist.

Bei Ps 44 notiert R., daß der kultische Charakter der
Psalmen die Frage nach deren Datierung als von relativer
, d. h. untergeordneter Bedeutung erscheinen läßt.
Das darf man nicht übertreiben: die kultische Bedeutung
der Psalmen und deren Datierung sind zwei völlig verschiedene
Sachen. Es scheint R. nicht notwendig, daß
V. 12 für Ps44 eine nachexilische Datierung verlangt.

Bei Ps 45 sagt R.. daß der König in diesem Liede völlig
die Hauptperson ist; seine Heirat war für den Dichter