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Ausgabe:

1975

Spalte:

583-585

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hecht, Franz

Titel/Untertitel:

Eschatologie und Ritus bei den 'Reformpropheten' 1975

Rezensent:

Hesse, Franz

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr 8

584

Ugaritic Textbook, AnOr 38, Rom 1965) verbreitet, weil
die Texte seiner Edition bei lediglich umschriftlicher
Wiedergabe einen viel weiteren Kreis von Benutzern
haben als die originalen Publikationen. Eine alle Versionen
umfassende Konkordanz dieser Textzählungen vermag
also die Arbeit an den ugaritischen Texten wesentlich
zu erleichtern. Im Vergleich zur Zahl der Texte erfordert
ein solches Hilfsmittel einen unverhältni.sm,:ir>i«
großen Raum, weil immerhin zwölf verschiedene Zählungen
— einschließlich der Ausgrabungs- und Museumsnummern
— berücksichtigt werden müssen. Um so erfreulicher
ist es, daß die Herausgabe einer so umfassenden
und allen Anforderungen genügenden Konkordanz
möglich war. Die beiden Herausgeber können des Dankes
aller Fachleute gewiß sein.
Berlin-DDR Karl-Heinz Bernhardt

ALTES TESTAMENT

Hecht, Franz, Prof.: Eschatologie und Ritus bei den „Reformpropheten
". Ein Beitrag zur Theologie des Alten
Testaments. Leiden: Brill 1971. X, 228 S. gr. 8° = Pretoria
Theological Studies, ed. by A. H. van Zyl, I. Lw.
hfl. 54,-.

Der Autor macht es mit diesem durchaus ungewöhnlichen
und weithin recht interessanten Buch seinem Leser
nicht leicht.

Zunächst erweckt er allerdings den Eindruck, als wolle
er sich in herkömmlichen Geleisen bewegen, die sich teilweise
auch schon als recht ausgefahren erwiesen haben:
Die Botschaft der „Endsetzung" — mit diesem Terminus
meint der auch sonst in recht eigenwilliger Weise sprachschöpferisch
verfahrende Vf. offensichtlich das, was wir
sonst als „Gericht" bezeichnen — wird anhand einiger
charakteristischer Aussprüche sog. „Reformpropheten"
(zu ihnen werden Arnos und Hosea, Jesaja und Micha,
Zephanja und Jeremia gerechnet) in einer Art Summa-
rium dargestellt (S. 5—60), wobei die Realität „Bund"
mitsamt ihren Denominationen „Bundestradition, Bun-
des(erneuerungs)fest, Bundessatzung, Bundesverfehlung,
Bundesideal, Bundesvolk, Bundesgeschichte" usw. eine
erhebliche Rolle spielt — so als wäre das neuerdings oft
konstatierte Fehlen des Bundesgedankens bei den meisten
Propheten eine Nebensächlichkeit, die Folgerungen
daraus unbewiesene und unbeweisbare Hypothesen. Interessant
ist die These des Vf.s, der Prophet Jesaja habe
die altisraelitischen Traditionen gegenüber den spezifisch
jerusalemischen (Davids- und Zionstradition) durchaus
bevorzugt.

Nach diesem recht konventionell wirkenden I. Kapitel
„Die Botschaft von der Endsetzung" wird der Leser sodann
jäh in das Wechselbad eines von einer höchst eigenwillig
wirkenden philosophischen Terminologie bestimmten
II. Kapitels ..Die Analyse der Botschaft von der End-
setzung" (S. 61—87) getaucht. Da ist plötzlich vom Gegensatz
des „Außen" zum „Innen" die Rede, einem Gegensatz
, der die weiteren Ausführungen bis hin zum Schluß
beherrscht, und ein legitimer „Außen-Innen-Weg" wird
einem zu verwerfenden „Innen-Außen-Weg" entgegengestellt
, so wie die zu bejahende „Wirklichkeit" den
äußersten Gegensatz zur abzuweisenden „Wahrheit"
darstellt. Leider werden diese und ähnliche Gegensatzpaare
sogleich eingeführt und benutzt, ohne daß sie erklärt
werden, so daß der Leser erst im Laufe der Zeit
dahinterkommt, was eigentlich gemeint ist. Diese Aufgabe
wird ihm nicht gerade erleichtert, wenn er auf Sätze
wie die folgenden stößt, mit denen ein falsches Verständnis
von „Zeit" beschrieben werden soll: „Die Krisen sind
somit wahre, aber eben keine wirklichen, das heißt, daß
das Jetzt nur ein Bindemittel der Grenzenlosigkeit von

Selbigkeit ist, die zwar kreist, aber bleibt, was sie ihrem
Wesen nach immer ist, nämlich hemmungslose Expansion
, in der sich Natur qua Selbst immer wieder selber
bestätigt" (S. 65).

Ehe sich dem Leser im IV. Kapitel ganz — oder doch:
nahezu — entschlüsselt, was gemeint ist, wird er im III.
Kapitel von der „Botschaft von der Neusetzung und
ihre(r) Analyse" (S. 88—120) — unter „Neusetzung" versteht
der Vf. offenbar das, was wir traditionell mit „Heil"
bezeichnen — noch einmal zu den „Reformpropheten"
zurückgeführt. Auch hier werden einige nach Auffassung
des Vf.s zentrale Worte der vorhin aufgezählten Propheten
besprochen. In literarkritischer Hinsicht urteilt H.
dabei verhältnismäßig radikal: Es fallen nicht nur die
einschlägigen Abschnitte aus Am 9, sondern auch die
hoseanischen Heilsweissagungen in ihrer Mehrzahl; es
fallen aus dem Jesajabuch neben 32,1-8 auch 11,1-9 und
sogar 8,23b-9,6. Am Ende bleiben aus allen „Reformpropheten
" nur die drei Abschnitte Hos 2,21 f.; Zeph 3,9-13
und Jer 31,31-34. Diese besagen: Die „Neusetzung" besteht
in einer Vollendung des Seins von außen, und zwar
von einem Seinsgrunde her. Dabei bleibt das Außen ein
Außen — gemeint ist: Der Gott, der Gemeinschaft mit
dem Menschen eingeht, bleibt ein Gegenüber, ebenso
wie der Nächste, mit dem Gemeinschaft zu halten ist,
ein Gegenüber bleibt. So etwas wie eine unio mystica ist
nach prophetischer Botschaft undenkbar. Der Mensch,
der sich durch Setzung von Gemeinschaft von „Außen"
her zu diesem „Außen", d. h. zu Jahwe und zu dem
Nächsten, hinkehrt, wendet sich damit von dem „Innen",
von seiner Selbigkeit ab. Die „Perversion des Seins", die
in der „Endsetzung des Seins von innen" geschieht, wird
ersetzt durch die „Neusetzung eines Seins von außen".

Diesem Charakteristikum der israelitischen Religion,
hier durch die „Reformpropheten" repräsentiert, entspricht
das Wesen des Ritus und „das hinter dem Ritus
stehende Denken" (IV. Kapitel, S. 121-182) gerade nicht.
Im Ritus — nicht mit dem Kultus zu verwechseln, wiewohl
ein Wesensmerkmal des Kultus — versucht der
Mensch, sich der Gottheit zu bemächtigen, Heil zu bewirken
und so die „Krise der Selbigkeit" zu beheben. Das
sind sicher keine neuen Gedanken, denen der Vf. hier
nachgeht, aber er bringt sie auf eine originelle und oft
nachdenkenswerte Weise zum Ausdruck. Daß der die
Zeit — im Ritus! — „begehende" Mensch auf diese Weise
versucht, die Zeit zu beherrschen, daß somit der „Begehungskalender
" Ausdruck der Selbstherrlichkeit des
Menschen ist, wird am Beispiel einiger ständig wiederkehrender
Feste (Tag der Jahreswende, Sabbat, Mond-
feste) verdeutlicht. Die Todsünde der „natürlichen Religion
" ist — in der Sprache des Vf.s —, daß man die „wirkliche
und ethische Zeit" mit Hilfe von Begehungen der
„wahren und rituellen Zeit" zu umgehen versucht (vgl.
S. 138). Besonders interessant sind die Ergebnisse einer
näheren Untersuchung des Herbstfestes, das, in seinem
religionsgeschichtlichen Kontext gesehen, einen besonderen
Sündenfall Israels darstellt. Schließlich kommt der
Vf. in diesem Kapitel zu der anregenden These, dem religiösen
Begehen entspreche das soziale Benehmen: Daß
man die Feste in dem bezeichneten Sinne begeht und zugleich
den Nächsten mit Füßen tritt, ist „Ausdrucksweise
ein und derselben magisch-mythischen Lebenshaltung,
deren letztes und eigentliches Motiv die ungehemmte
Entfaltung des Selbst ist" (S. 162).

Bei den Propheten tritt an die Stelle der Begehung die
..getroste Erwartung" : Eschatologie wird gegen den Ritus
aufgeboten (V. Kapitel, S. 183-196). Das hatte sich in der
Diktion des Vf.s zunächst so angehört: „Konstitutiv für
das Bundesvolk war für unsere Propheten das sein Sein
von außen in praxi akzeptierende Hören auf das Außen,
das Sich-offen-Halten für seinen Anruf zum Inne-Halt
auf dem Wege zur Expansion des Selbst zwecks Über-