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Ausgabe:

1975

Spalte:

582-583

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Dietrich, Manfried

Titel/Untertitel:

Konkordanz der ugaritischen Textzählungen 1975

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 8

582

Ugarit aus diesem Zusammenhang zu scheiden, sind als
gescheitert anzusehen.

Du Mesnil du Buisson ist Anhänger einer erklärt komparativischen
Methode. Das tritt im vorliegenden Buch
klar hervor, wo er den Stoff für seine Analysen von allen
Teilen des erwähnten Gebietes zusammenzieht und ganz
natürlich auch Materialien von Mesopotamien und Ägypten
benutzt. Er führt auch die Linien weiter in die griechisch
-römische Welt: die Göttin Anat wird Athena.

Er fängt mit einer Untersuchung der altorientalischen
Kosmographie und Geographie an, die ein bestimmtes
Ziel hat. Es ist besonders der Weg in die Unterwelt, den
er genauer untersuchen will. Sein Material findet er in
der Gilgamesch-Erzählung, in Baals und Mots Niedersteigung
in die Unterwelt und in ägyptischen Pyramiden-
Texten.

In der Ubersicht über den Ursprung und die Entwicklung
des Pantheons in Tyrus verfolgt er die Linien von
der alten kanaanäischen Götterwelt zur griechisch-römischen
, vom Stier El durch Ba'al Schamim zum Stier Zeus
und Zeus Olympios, vom tyrischen Ba'al durch Melqart
zu Herakles.

Sehr interessant ist der Zusammenhang, den er zwischen
der kanaanäischen Göttin Anat und der klassischen
Athena aufweist. Man staunt vielleicht im ersten Augenblick
, aber die vielen angeführten Parallelen, die er z. B.
auf S. 50—52 gibt, sind durchaus überzeugend. Das bedeutet
eine Parallelität zwischen der alten semitischen
und der klassischen Welt Europas, die man kaum erwartet
hat und die einige klassische Forscher schwerlich akzeptieren
werden.

In seiner Abhandlung über den ägyptischen Gott Thot
geht er noch weiter. Mit Hilfe vom Kirchenvater Eusebius
findet er auch hier eine Verbindung mit Tyrus. Die
hermetische Philosophie, die Ideen von der alten ägyptischen
Götterwelt (Thot — Hermes) weiterführte, hat im
großen Tempel in Tyrus, dem Tempel des Melqart und
der Aschtarte, Eingang gefunden.

In seiner Analyse des Ursprungs der Dioskuren geht
du Mesnil du Buisson auf den ugaritischen Text „Shahar
und Shalim" ein. Dieser Text erzählt ein amouröses
Abenteuer des großen Gottes El mit zwei Göttinnen und
den darauffolgenden Geburten der beiden Götter Shahar
und Shalem und „der gnädigen Götter". Diese letzten,
unbenannten Götter identifiziert der Vf. nun mit den
••Dioskuren oder Kabiren", die nach Philon von Byblos
Kinder des .,Rechtfertigen", $ydyq, waren. Die weitere
Entwicklung dieses Themas kann hier nicht wiedergegeben
werden, denn du Mesnil du Buisson nützt hier wie
sonst die tausend Einzelheiten, die er so souverän beherrscht
. Er bringt auch eine sehr beleuchtende Ikonographie
der Götter Shahar und Shalim und diskutiert
ihren Ursprung. Diese Übersicht ist so umfassend und
Tiit so reichem Material versehen, daß sie lange ein Standardwerk
auf diesem Gebiet bleiben wird.

Die Elfenbeinplaketten des königlichen Schlosses im
ylten Ugarit werden auch gründlich diskutiert. Die viel
besprochene Göttin mit zwei Säuglingen an ihren beiden
Bi'üsten ist Ausgangspunkt für den Vf. In der Göttin ernennt
er die ägyptische Hathor, und er belegt diese Auflassung
mit einem umfassenden Bildmaterial. Die Säuglinge
identifiziert er als Aschtar und Aschtart. das heißt
»■'al und Ba'alat Gebal, die Schutzgötter der alten Mittelmeerstadt
. Der Künstler ist ein Mann von Gebal-By-
bl°s, von ägyptischer Kultur geprägt. Entweder hat er
von ägyptischen Künstlern in Byblos gelernt, oder er hat
selbst Ägypten besucht.

, *n seiner Diskussion des Mythos vom Planeten Venus
111 den Luristan-Bronzen zieht du Mesnil du Buisson die
^orientalische Bildsvmbolik in den Vordergrund. Die
8l-onzen, die aus dem VIII. und VII. Jh. v. Chr. stammen,
"aben eine reiche Symbolik, die auch Wurzeln im westlichen
semitischen Gebiet hat. Die Linien nach Ugarit
werden auch hier gezogen. Der Löwe des Abendsterns,
der den Stier des heißen Tages schlägt, mag wohl an den
„Löwen des Mametu" in den Ras Schamra-Texten erinnern
. Der Vf. hat hier nochmals ein reiches Bildmaterial
zusammengebracht und dem besseren Verständnis
der Einzelheiten in den genannten Texten die Tür geöffnet
.

Dieselbe Astralsymbolik findet der Vf. auch auf einem
Siegel des Mitanni-Königs Shaushatar, der etwa 1450
v. Chr. lebte. Dieselben Tierfiguren sind hier präsentiert
sowie die Götter, deren Bedeutung er so oft hervorhebt:
Aschtar, Aschtart, Shahar und Shalim.

Dieselben Symbole spielen auch eine Rolle in einem
kleinen Aufsatz über die große Schlange Babi Sid, Pater
Sardus, dessen Statuepostament aus den Ruinen eines
karthagischen Tempels auf Sardinien von Professor
S'. Moscati ausgegraben worden ist. Der Vf. stellt die
Frage, ob der Gott Sid derselbe wie Ba'al $idon ist, aber
er darf diese Frage nicht ohne weiteres bejahen.

Es ist unmöglich, in dieser Besprechung auf alle vom
Vf. behandelten Einzelheiten einzugehen und die umfassenden
Begründungen seiner Thesen wiederzugeben.
Sie liegen oft in seinem Bildmaterial oder in kumulativen
Indizien. Gelegentlich zieht er natürlich auch
Schlüsse, die über die Tragkraft der Argumente hinauszugehen
scheinen. Aber du Mesnil du Buisson ist einer
der heute sehr wenigen Forscher, die das ganze vorderorientalische
Gebiet zu beherrschen scheinen, mit einer
so umfassenden Kenntnis aller Einzelheiten, wie sie nur
die leider hingeschiedenen Gelehrten W. F. Albright und
Otto Eißfeldt besaßen. Darum ist auch sein Buch so bedeutungsvoll
, und man hofft sehr, daß es ihm vergönnt
sein möge, die große Synthese über die kanaanäische
Götterwelt zu schreiben, die er in seinem Vorwort zu
dem vorliegenden Buch verspricht.
Oslo Arvid S. Kapt'lrud

Dietrich, Manlried. u. Oswald Loretz: Konkordanz der
ugaritischen Tcxtzählungen. Programmierung Hermann
Kamp - Hans-Werner Kisker. Kevelaer: Butzon
& Bercker u. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag
des Erziehungsvereins 1972. XI, 331 S. 4° = Alter
Orient und Altes Testament. Veröffentlichungen zur
Kultur und Geschichte des Alten Orients u. d. Alten
Testaments, hrsg. v. K. Bergerhof, M. Dietrich, O.
Loretz, 19. Lw. DM 78,-.

Der Verlauf der Erforschungsgeschichte der bei den
Ausgrabungen von Ras esch-Schamra, der alten nord-
kanaanäischen Hafenstadt Ugarit, seit dem Jahre 1929
geborgenen zahlreichen Texte in akkadischer und ,keilalphabetischer
' (ugaritischer) Schrift hat zu einem Nebeneinander
von verschiedenen Textzählungen geführt,
das dem Nichteingeweihten einige Schwierigkeiten bereiten
kann. Auch der Fachmann ist immer wieder zu
zeitraubendem Nachschlagen genötigt, da in den einschlägigen
Veröffentlichungen oft nur eine einzige der eingeführten
Zählungen zur Kennzeichnung der jeweils behandelten
oder erwähnten Texte Anwendung findet.
Freilich gilt das vorwiegend nur von älteren Publikationen
, da sich inzwischen doch eine .Leitzählung' durchgesetzt
hat. Sie basiert für die bis zum zweiten Weltkrieg
entdeckten Texte auf der letzten zusammenfassenden
Edition von A. Herdner, Corpus des tablettes en cunei-
formes alphabetiques decouvertes ä Ras Shamra-Ugarit
de 1929 ä 1939, Paris 1963, und auf den Bänden ,Palais
Royal d'Ugarit' II-VI (Paris, 1957ff.) und ,Ugaritica' V
bis VI (Paris 1968 f.) für die dort unter laufenden Nummern
veröffentlichten Funde aus den Grabungskampagnen
nach dem zweiten Weltkrieg. Daneben ist aber auch
nach wie vor die Zählung von C. H. Gordon (zuletzt: