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Ausgabe:

1975

Spalte:

36-38

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lohse, Eduard

Titel/Untertitel:

Die Einheit des Neuen Testaments 1975

Rezensent:

Roloff, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 1

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Überk ommene Aussagen über den Geist erkennt Vos
zunächst in den kurz besprochenen (20-33) Aussagen
über den Eintritt in dys Reich Gottes l Kor 6,9-11;
Qa) 5,19-24; 1 Kor 15,44-50. Hier wird anter Aufnahme
einer „geprägte(n) Tradition" (mit „Bezüge[n]
auf das Taufgeschehen") „das gesamte Heil" (d.h.
seine Zuneigung) „sowohl Christus als auch dein Geist
zugeschrieben" (32f). Ein Vergleich mit dem Ergebnis
von Kap.3, „Der Geist und das Heil im Alten Testament
and im Judentum", der in 4 an Hand der in 2 erörterten
Stellen durchgeführt wird, macht einerseits
sichtbar, daß „sämtliche" in 2 erkannten „Funktionen
des Geistes" sich „von der alttcstamentlieh-jüdischen
Tradition her verstehen" lassen (78f), und daß man
andererseits „zur Erklärung dieser Funktionen ... die
ehristologische Bindung des Geistes nicht heranzuziehen
" braucht (79). Eine Befragung der Aussagen nach
dem Verhältnis von Christus und Geist in ihrem Heilswirken
führt vorerst zu der Feststellung eines Nebeneinander
desselben (82-84, vgl. 94).

In Kap.5-7 geht es zumal um die neue Interpretat ion
der Überlieferung durch Paulus. In 5 wird Gal 2,15-5,12
unter dem Thema „Der Geist und das Erbe Abrahams"
beleuchtet (85-106). Das hier vorliegende „Verständnis
des Geistes als Macht und Dokumentation der Glaubensgerechtigkeit
" ist „als ein paulinisches Proprium zu betrachten
" (88, vgl. 90,106). Auch „die Bindung des
Geistes an Christus" in Gal ist „Paulus zuzuschreiben"
(91). In den Aussagen über die Sohnschaft der Christen
wird die Funktion des Geistes als Funktion Christi verstanden
(101, vgl. 129). - Aus dem Überblick zu Rom
1-8 - „Der Geist und das neue Leben" (Kap.6) - ergibt
sich zunächst für 3,21-5,11, daß Paulus über die
Tradition hinaus (speziell in 5,5) die Pneumatologie ga nz
von der Kreuzestheologie her bestimmt (H7f). „Indem
der Geist die Rechtfertigung aus Glauben dokumentiert,
verbürgt er den Anteil an der zukünftigen Herrlichkeit"
(117). Dadurch, daß er ., .objektiv' - die Heizen verwandelt
", ermöglicht er „die Bewährung bis zum End
gericht" (118). Doch „nur im Bereich der kosmischen
Herrschaft Christi ist der geistgewirkte Gehorsam möglich
" (125). Im Unterschied zu differierenden Vorstellungen
in der Gemeinde vor Paulus „über das Verhältnis
von Christus und dem Geist als Heilsfaktoren" liegt
dem Apostel „alles daran, daß der Heilsbereicli des
Geistes sich ganz mit dem Bereich Christi deckt" (131).
Zu 2 Kor 2,14-4,6 - „Der Geist und die Freiheit des
neuen Hundes" (132-143) - kommt Vos (speziell zu
2 Kor 3) für sein Thema zu entsprechenden Erkenntnissen
wie in Kap.öf (142f).

Im „Ergebnis*5 (144-146) stellt Vos u.a. heraus, daß
Paulus - ..mit der Tradition" - vom Heil nicht reden
kann, ohne auch vom „Werk des Geistes" zu sprechen
(146, der Geist ist realer Heilsfaktor, ebd.). Was die
Tradition betrifft, so bestand „in der Frage nach der
Heilsbedeutung des Geistes" schon „zwischen der
palästinensischen und der hellenistischen Gemeinde vor
Paulus" kein nachweisbarer „grundsätzlicher Unterschied
" (144). Dementsprechend „ist der Faktor der
Hellenisierang äußerst gering zu veranschlagen" (145).

Die Utrechter Dissertation1 fragt weit über das, was
hier referiert werden konnte, hinaus nach dem Verhältnis
der Paulinisehen Aussagen zu denen der Tradition
bezüglich Inhalt und Form (so findet der Vf. etwa „das
traditionelle Verkiindigungsschema" von 1 Kor 6,9-11
in der Anlage des Rom wieder 1107,119], erkennt
mannigfach Tauftraditionen usw.). Da Vos in Kap.5-7
von den großen Zusammenhängen her nach den Aussagen
der drei Briefe zum Thema seiner Arbeil fragt, kann
er liier weithin nur zusammenfassend darstellen. Manche
These zum speziellen Problembereich sähe man indessen

gern etwas eingehender exegetisch begründet. Wie ist
z.B. der (nach Vos schon als vorpauhnisch denkbare)
Satz, der Geist sei „Urheber der Rechtfertigung" (144).
von Rüm und Gal her zu verifizieren? Wie verhält sich
eine solche Aussage zu der Kennzeichnung des heiligen
Geistes als „Sphäre" (87, vgl. „Machtbereich" 81);-
Daß die Untersuchung vor mannigfache neue Fragen
stellt, ist indessen auch ein förderlicher Ertrag des Bemühens
, die Bedeutung des Pneuma innerhalb der
Theologie des Paulus und der vorpaulinischen Christenheit
insbesondere unter der Frage nach dem Verhältnis
zu den sog. christologischen, d.h. hier den auf das Heil
in Christus bezogenen Aussagen herauszustellen. Damit
regt der Vf. zugleich weitere Untersuchungen an sowohl
zum Detail wie zur Gesamtthematik seiner Arbeit. Diese
ist in gutem Deutsch geschrieben (Durchsicht: Frau
Vos) und verarbeitet umfänglich die Literatur (hierzu ist
ein Register der Namen angefügt).

IhUe/SMla deritod Mllng,

l'ronmter: W.r. v;in l'nnik. I>cr Vf. wur JtJtlltent bei K. KüwiiMhii.
2 Wenn die AiiU'aHHiihK (Irr SoliiiHrlmlt der Christen iiIk Kriirnwjirl iyrr
Onb« :ils ..entIimhIühIIm Ii" bezeichnet wird, k<i Int du« MBinidMt HUB-
vcrstiiiidlii li (117,1(12).

Lohne, Eduard: Die Einheit ie» Neuen Testament*, Exegetische
.Studien zur Theologie des Neuen Testaments. (!< »Hingen:
Vandenhoeck & Ruprecht. [1973]. 800 S. gr. 8°. Kart.
DM 40,—.

Der Landesbischof von Hannover hat in diesem Band

eine Reihe von Aufsätzen zusammengestellt, die in den
zwei Jahrzehnten seiner Tätigkeit als Dozent und Professor
für Neues Testament in Mainz, Kiel und Göttingen
entstanden sind. Dabei ist mehr zustande gekommen
als nur die Dokumentation der gewissenhaften Arbeit
eines einzelnen Theologen: die 28 in Blickrichtung und
Gewicht recht unterschiedlichen Beiträge fügen sich
nämlich zusammen zum Rückblick auf eine Epoche, an
deren, wie es scheint, unwiderruflichem Ende wir heute
stehen. Diese Epoche war gekennzeichnet durch den
unwidersprochenen Führungsanspruch der Bibelwissen-
schaften; Fragestellungen und Arbeitsergebnisse des
Exegeten bestimmten Weitgehend die theologische
Debatte. Denn das zentrale Thema war das aus dem
Schrift/, •ngnis zu erhebende und der Gegenwart weiter
zusagende Wort Gottes. Bereits der Titel des Bandes ist
in diesem Sinne programmatisch: Die „Einheit des
Neuen Testaments" ist für E.Lohse, wie auch der vorangestellte
Aufsatz „Deus dixit - Wort Gottes im Zeugnis
des Alten und Neuen Testaments" (1965) verdeutlicht
, die aus der Vielfalt, des Scliriftzeugnisses zu erhebende
Einheit des schaffenden, erlösenden und rettenden
Wortes Gottes.

Einen gewissen Schwerpunkt innerhalb des Bandes
bilden Arbeiten, die der theologischen Gesamtcharak-
teristik einzelner neutestamcntlichcr Schriften gewidmet
sind. Hierher gehört die Mainzer Ilabilitiitionsvorlesung
von 1953 „Lukas als Theologe der Heilsgeschichte", die,
noch vor dem Erscheinen von Conzelmarins „Milte der
Zeit", die redaktionsgesohiehtliche Methode auf das
liukasevangeliuin anwandte und dabei zu Ergebnissen
gelangte, die nach wie vor Beachtung verdienen (z.B.
der Hinweis auf die theologische Verwandtschaft zum
Deuteronomium). Weiterführende Ergänzungen dazu
bietet die Studie „Missionarisches Handeln Jesu nach
dem Evangelium des Lukas" (1954), die den lukullischen
Reisebericht als Demonstration der sieh durch Jesu
Hinaustreten über die Grenzen Israels anbahnenden
heilsgeschiohtlichen Wende zu den Heiden deutet, sowie