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Ausgabe:

1975

Spalte:

501-504

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wolff, Hans Walter

Titel/Untertitel:

Anthropologie des Alten Testaments 1975

Rezensent:

Müller, Hans-Peter

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Theologische Lilcraturzeiliing 100. Jahrgang 1975 Nr. 7

.-,02

Judasbriefes und kommt zu dem Ergebnis, daß fast alle Cha- Die Nötigung zu seiner Arbeit findet Wolff in einem Riiek-

rakteristiken der Irrlehrer nicht von einem konkreten Ge- stand unserer Disziplin: „...schon müssen sich systemalisch-

genüber abgeleitet sind, sondern aus der schon typischen Be- theologische Entwürfe einer Anthropologie den Problemen

Schreibung der eschatologischen falschen Propheten in der gegenwärtiger philosophischer Anthropologie sowie der Psy-

jüdischen und frühchristlichen Literatur stammen. Die Irr- chologic, der Soziologie und der Politologie stellen, ohne daß

lehrer kommen von außen und stehen in der Linie von Kain, die gegenwärtigen exegetischen Erkenntnisse iin Zusammcn-

den Sodomiten und anderen biblischen Bösewichtern. Sie hang bereitgestellt wären" (S. 10). Dabei wird freilich auch die

sind Libcrtinistcn. Ihre Theologie ist Verzerrung der Wahr- Schwierigkeit eines solchen Unternehmens angezeigt: „dem

heit. Ihre Motive sind, die Heiligen zu verführen, aber sie Alten Testament liegt weder eine einheitliche Lehre vom

stehen schon unter dem Verdammungsgericht Gottes. Dem Menschen zugrunde, noch sind wir in der Lage, eine Entwick-

Judasbrief gehe es gar nicht um eine Auseinandersetzung mit hing des biblischen Menschenbildes nachzuzeichnen"; auch

einer konkreten Irrlehre, sondern letztlich darum, daß die auf die Rollendifferenzierung hätte hingewiesen werden kön-

lang erwartete Parusie des Herrn nahe ist. Das ist eine pronon- nen, die mit der Vielzahl literarischer Gattungeil innerhalb

eierte und durch Belege untermauerte fruchtbare These. Man des Alten Testaments vorgezeichnet ist.

kann an einzelnen Punkten gewisse Abstriche machen, aber Der Aufriß ist dreiteilig. Auf eine Erörterung des mensch-

im Prinzip scheint mir Wisses Analyse zutreffend zu sein. liehen Seins als „anthropologische Sprachlehre", die u. a.

10. Jan Zandce, Die Lehren des Silvanas. Stoischer Batio- dje Begriffe näfää („Seele, Leben"), bäsär („Fleisch"), rüah

nalisrnus im Zeitaller der frülikatholischen Kirche (144-155), („Atem, Lebenskraft, Geist"), lcb(äb) (gewöhnlich: „Herz",

betrachtet die Lehren des Silvanus unter 12 verschiedenen besser: „Vernunft", manchmal „Wille") umsichtig erklärt

Aspekten, von denen ein Teil der Frage nach verschiedenen (S. 21-123), folgt in einem zweiten Teil (S. 127-230) eine

geistigen Einflüssen (Weisheit, AT, NT, Stoa, Piatonismus, Beschreibung des Daseins des Menschen in der Zeit als

Philo, Gnostizismus) der andere Teil Sachfragen (Die lehren „biographische Anthropologie", worin, ausgehend von den

des Sllvanui als christliche Schrift, Das Göttliche bzw. Teuf- verschiedenen Temporalbcgriffcn und Schöpfungsvorstel-

hsche im Menschen, Symbolismus, Komposition) gewidmet ,„ngpn bibliscllcr Verfasser, das Alltägliche wie Leben und

ist. Geistesgeschichlhch erscheinen die Lehna des Silvanus T()d> jungspin „„j Altern, Wachen, Arbeiten, Schlafen und

so als ein Sammelbecken der verschiedensten geistigen Tradi- Rllll(, Krankheit, Heilung und Hoffnung anschaulich und

Honen, deren wichtigste nach Z. der pantheistische Rationn- gelegentlich sprachmächtig ausgebreitet wird; ein dritter Teil

lismus der Stoa ist. Gegenüber der Art der Untersuchung er- (g 233-330) kommt als „soziologische Anthropologie" - und

heben sich m. E. methodische wie sachliche Bedenken, weil sie SQ in bezeichnender Variation der gängigen Zeit-Raum-

«in ganzheitliches Verstehen der Schrift verhindert, die ein Ontologie - auf die Welt des Menschen zu reden, worunter

außerordentlich hohes Maß an innerer Geschlossenheit auf- konkret die Verhältnisse von Mann und Frau, Eltern und

weist. Was speziell die Beziehung zur antiken Philosophie Kindern usw., kurz: die Probleme des einzelnen und der

betrifft, so hat Schocdcl in seinem Beitrag (s. o.) gezeigt, daß Gemeinschaft verstanden sein sollen. Den Schluß bildet

dieses Gedankengut dem Verfasser der Lehren des Silvanus (Jubei pjne Erörterung (lPr Bestimmung des Menschen, die

"ureh die christliche Tradition zugeflossen ist, aber nicht selb- Wo]ff jm Leben sp)bst) m def Liebe> im Beherrschen der

•Mndlg von ihm angeeignet wurde. außermenschlichen Schöpfung und im Loben Gottes be-

Dcn anregenden Hand licM'lilirl.lt cm iiinlangreiches Index. .. . ...

j „ . , . , . r. ii i> gründet sieht.

,,pr alle in den Beitragen angeführten Mellen und Autoren _ , , „ ,,,

umfaßt (150—175) Unaufdringlich und gerade dadurch wirksam kommt Wolff

auf die Anliegen zu sprechen, bei denen sein eigentliches

LeiP*ig KftrI Martin Fisrhrr Interesse liegt: die Beziehung des Menschen zu Gott, die

christologischc „Bcsiegelung" der alttestamentlichen Botschaft
und ihre gegenwärtige Aktualität. Die Bedürftigkeit

(ein.« • c t i • •. • ,„ . . »Wi|| und Begehrlichkeit des Menschen, die sich in der Ver-

^»-leroni, s.: I cologia e situazionc (Protestantesimo AAVllI; , ° , „ .„ ,, . , . . u.

1973 S 212—216) wendung des Begriffes nafaä ausspricht, und die Hin-

Gui'ttart, Aat: Bibliographie der Veröffentlichungen von Wil- Eiligkeit seines Daseins als „Fleisch" sind zugleich der
lern Adolf Visse r't Hooft 1918-1972, in: Um Einheit und Hintergrund seiner Bevollmächtigung durch die Energie, die
Heil der Menschheit. FS für W. A. Visser't Hooft, hrsg. v. rü»h Gottes (S. 47,55f,62); „das weithin durchschlagende
J- R. Nelson und W. Pannenberg, Frankfurt a. M.: Lembeck proprium", das mit dem Begriff leb(äb) zur Sprache kommt,
1973 S. 269—335. bleibt dementsprechend, „daß das Herz zur Vernunft bewein
, Günter: Rudolf Bultmann. Ein Lehrer der Kirche. Zum rufen ist, insbesondere zum Vernehmen des Wortes Gottes"
90. Geburtstag des Marburger Theologen (DtPfrBl 74, 1974, gg). _ christologische Perspektiven tun sich auf, wo vom
Met» t i (,,!,)V. • i i ii ■ i i • u r alttestamentlichen Todesbegriff her ein Verständnis des

ben t!"'".' PT: "rl- Rulmnr " T ?}°*lrZ5J? Sterbens Jesu gesucht wird (S. 161, 176f.), die Ruhe Gottes

°en. Theologie als mystische Biographie eines Christen- ... c . •• r . i v • i in. u.« „™

^ menschen heute (StZ 99, 1974 S. 305-316). am 9,,>bU'" ^hopfungstag dem „Es ist vollbracht von

Mey'nn, Henri: t Francois Wendel, 1905-1972 (BThPh 105, Job 19,30 gegenübertritt (S. 205) oder die Ermächtigung des

1972 S. 431—433). Menschen zur Herrschaft über die Schöpfung aus der Kosmo-

M"lnar, Amedeo: In memoriam F. M. Bartos (ComViat 15, kratic Christi (Kol 1,15; 3,10) ihre letzte cschatologische

R U72S. 249-252). Begründung erfährt (S. 241). - Die Aktualität des alt-

0st> Gerhard: Lcuenbergcr Konkordie: Gemeinsames Ver- testamentlichen Menschenbildes zeigt sich vor allem da, wo

stiindnis des Evangeliums? (Igreja Luterana XXXIII, 1972 pj ung >Bj jje tj0gung vom Leistungszwang (S. 206ff.), die

Wir'u, r-1'!1)- , r, , „ , Grundlosigkeit eines eigenmächtigen „Prinzips Hoffnung"

Tode, ;" r, h"h>T* m^ÜSHk 's" ■ VI hi's (S. 229) und die Infragestellung menschlicher Weltbewältigung

2(J^Hag Jochen Kleppers (ComViat 15, 1972 S. 2od b,s ^ ^ |1118Prpr Herrschaftaufgaben (S. 241,

324) und das Aufkommen des Unmenschen (S. 326) anspricht
.

AITCC TESTAMENT Unter dem Eindruck der Lektüre fällt es dem Rezensenten

L I co l CO I /AI wenig schwer. BUB auch anzudeuten, was er meint,

"'"*. Hans Walter: Anthropologie des Alten Testaments. anders sehen zu müssen.

München: Kaiser [19731 364 S. 8°. Lw. DM 34.5». 1. In der Zeitgeschichte unserer Disziplin mag die Neigung

Um „ . . ■ /• i l i. i. n„„ lwdriiiidet sein, mythisch« und primitiv-religiöse Farben im

" ui es vorweg zu satten- cn wissenschaftlich gehaltvolles liegrunuii ,, . , . ,

y '«Kleid, schönes, tiefsinniges Ruch, wie n,........in.er der alttes.an.cnthchcn Mcnschenbdde abzudecken, um so nach

^tischen Fachlüeratur seilen find,,! Möglichkeit die Bibel in die Neuze.t zu holen, statt auch um-