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Ausgabe:

1975

Spalte:

461-464

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Nordlander, Agne

Titel/Untertitel:

Die Gottebenbildlichkeit in der Theologie Helmut Thielickes 1975

Rezensent:

Wiebering, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 6

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Dennoch läßt seine Untersuchung eine Reihe
schwerwiegender Fragen offen. Ist ihm uneingeschränkt
zuzustimmen, daß das „Wort Gottes" bzw. die „Offenbarung
" auf „den Namen des Gottes, der sich hier
definiert" verweisen, um ihn nicht sclion anderswoher,
sondern eben „hier zu erlernen" (273), so wäre der
Begriff Definition viel genauer auf seine christologischen
Konsequenzen hin zu bedenken, als es hier geschieht.
Das Interesse am historischen Jesus etwa bei Ebeling
ist auch eine Rückfrage an traditionelle christologi-
sche Formeln. Sie überspringen allzu leicht das Problem
der zeitgebundenen Sprache des Neuen Testaments
und verfehlen dann die allmählich nicht mehr aufzuschiebende
Aufgabe der Neuformulierung auf dem
Hintergrund eindeutiger Ergebnisse der Bibelkritik.
Gerade der theologische Kronzeuge des Vf.s, Karl
Barth, kann darüber belehren. In KD IV will er zwar
ausdrücklich die alte Zwei-Naturen-Christologie überwinden
, diese Absicht wird aber auch zur latenten
Rückfrage an seine eigene Inkarnations-Christologie
(Jungfrauengeburt!). — Die andere Frage führt in das
Zentrum der Untersuchung. Ist geklärt, daß in der
Theologie wissenschaftstheoretisch zwischen Auf-den-
Begriff-Bringen und Vermittlung ihrer aber immer vorrangigen
Sache „zu differenzieren" ist, erwartet der
Leser von einem Sehlußteil, der ausdrücklieh „Gesichtspunkte
einer Lehre vom Wort Gottes" beibringen
will, hierzu weiterführende Gedanken. Gerade nach
dem Ergebnis dieser Untersuchung ist er deshalb
enttäuscht, wenn er statt dessen am End<L lediglich in
die Anfangszeit der Theologie Barths zurückversetzt
und folgendermaßen abgespeist wird: „Es fragt sich
heute — wie 1922 —, ob wir der ... Bedrängnis, die
darin besteht, daß Jesus Christus sich ausschließlich
allein selbst aussagen kann und wir das nicht können
und ihn doch verkündigen sollen, ausweichen dürfen,
wenn wir der Verheißung ansichtig werden wollen, die
in diesem Namen beschlossen ist. Von dieser Verheißung
her darf und soll aber auch der Mut zu neuem
Verkündigen erwachsen" (290). Ist es angesichts
solcher globalen Richtigkeit in reichlich änigmatischer
Sprache nicht auch zu begreifen, daß u. a. (Iii- drei
Namen, dio der Vf. untersucht, sich auf einen zwar
problematischen, aber leidenschaftlich von der Frage
der „Verstehbarkeit", von dem Problem der Vermittlung
heute bewegten Weg begaben ? Ist es nur ein
Verhängnis, daß sie auf ihm auf die Dimension der
Identifizierung des Menschen durch das „Wort Gottes"
stießen ? Ist es ausschließlich zu verurteilen, daß sie
im Medium solcher anthropologischer Relevanz das
„Wort Gottes" dem „modernen" Menschen verstellbar
machen, es ihm vermitteln wollen ? Theologische Irrwege
waren fast immer Signale nicht mehr zu übergehender
Desiderate. Das Problem der Vermittlung
des „Wortes Gottes" ist mit der einfachen Rückkehr
in die 20er Jahre weder wissenschaftstheoretisch noch
material zu lösen. Weder ihre Gleichsetzung mit der
Voraussetzung einer „theologia naturalis" als „Anknüpfungspunkt
" (E. Brunner) und das diesem Ansatz
korrespondierende „Neinl" (Barth) im Jahre 1934
noch ihre angesichts des komplexen Spektrums des
PraxiBfolds Kirche erstaunliche Verkürzung, wie sie
sich in der Formulierung „Theologie als Auftragswissenschaft
der Kircho zur Predigthilfe" (288)
verrät, sind heute eine wirklich weiterführende Möglichkeit
.

Dortmund Eberhard Hühner

Nordlander, Agne: Die tiottebenbildlichkeil in der Theologie
Helmut Thielickes. Untersuchung eines Beispiels der
personal istisoh-existentiellen Konzeption der theologischen
Anthropologie. Uppsala 1973 (zu beziehen durch
Almqvist & Wikseil, Stockholm). 239 S. gr. 8° = Acta
Universitatis Upsaliensis, Studia Doctrinae Christianae
Upsaliensia, 11.

Mit dem theologischen Werk des Hamburger
Systematikers Helmut Thielicke hat sich nach dem
Katholiken Ad van Bentum (dessen Buch 1965 in
Paderborn erschien) nun ein schwedischer Lutheraner
in einer akademischen Abhandlung zur Erlangung der
Doktorwürde befaßt. Während van Bentum die Grundzüge
der Theologie Thielickes vom Standpunkt seiner
Lehre von den Grenzsituationen aus hervorheben
wollte und dabei vor allem kontroverstheologische
Fragen zwischen evangelischer Ethik und katholischer
Moraltheologie nachging, wendet sich Nordlander einem
begrenzten Thema der Anthropologie zu, für das er
Thielickes Position analysiert und mit Aussagen
anderer evangelischer Theologen mit ähnlichen Ambitionen
vergleicht. Auf diese Weise ist eine Arbeit
entstanden, die als Beitrag sowohl zur dogmatischen
Diskussion um die Gottebenbildlichkeit des Menschen
als auch zur Beurteilung der Theologie Thielickes zu
werten ist.

Einleitend charakterisiert Nordlander die theologische
Position Thielickes „in der Kiellinie von Barth
und Brunner", wobei in dieser Selbstaussage Thielickes
wohl das konfessionell-lutherische Erbe etwas zu kurz
kommt. Als Voraussetzungen für Thielickes Denken
werden dann die Aufnahme der historisch-kritischen
Forschung, die Abwehr des Neuprotestantismus und
der Bezug auf die reformatorische Theologie genannt.
Nordlander verfolgt nun besonders den personalistischen
Denkansatz Thielickes, der sich in seiner Erkenntnistheorie
und seiner Betonung der Relation zwischen
Gott und Mensch als der entscheidenden Perspektive
bei der Interpretation der Wirklichkeit durch die
Theologie äußert. Ontologische Denkmodelle werden
von Thielicke abgewiesen, weil sie die Souveränität
Gottes, die ethische Verantwortung des Menschen und
die Eigenständigkeit theologischer Wahrheitserkonntnis'
gefährdeten. Kennzeichen des personalistischen Denkens
sind die Kategorien Subjektivität, Relation, Aktualität,
Verbalität und Dialektik, und diese Kategorien findet
Nordlander auch in den Einzelaussagen Thielickes zu
den Themen „Schöpfung" und „imago Dei".

Diese enthalten jeweils ein „indikatives Gabenmoment
" und ein „imperatives Aufgabenmoment".
Der Akzont liegt auf letzterem, was schon darin zum
Ausdruck kommt, daß Thielicke vom „Schöpfungsgebot
" und von der Gottebenbildlichkeit als einer dem
Menschen aufgegebenen „Bestimmung" spricht. Das
indikative Moment dient nur als „Kontrastbild" und
als „Grenzbegriff", ohno daß sich über den ursprünglichen
Willen Gottes und den „Urständ" positive
Aussagen machen ließen, da wir es immer mit der
„gefallenen Welt" zu tun haben, in der die Gottebenbildlichkeit
allein in Jesus Christus realisiert ist. Der
Mensch kann ihrer nur als eines alienum teilhaftig
werden: „die imago Dei im positiven Modus wird dem
Menschen als eine fremde Gerechtigkeit in Christus
zuteil, sowohl eschatologisch wie präsentisch" (S. 104).
Ohne die Annahme dieser fremden Gerechtigkeit gibt
es eine Gottebenbildlichkeit höchstens im negativen
Modus, als nicht-erfüllte und nicht-erreichbare. Die
Zurückweisung aller ontologischen Aussagen in Bezug
auf die Gottebenbildlichkeit hat soteriologische Motive:
das „sola fide" der Rechtfertigung soll gewahrt bleiben,
indem kein Bereich zugelassen wird, an den die Gnade
otwa anknüpfen könnte.

Im zweiten Hauptteil der Untersuchung, dem
analytisch-kritischen Teil, prüft Nordländer, wie Thielicke
die klassischen Probleme der Imago-Dei-Lehre