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1975

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 0

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nacht" im November 1938 nicht zustande kam (S.
203 ff., 314 ff.).

In seiner reichen Korrespondenz mit einflußreichen
Personen des kirchlichen Lebens hat er die kirchen-
politischen Auseinandersetzungen stets kritisch begleitet
.Es kam zu ihm wichtigen neuenBegegnungen etwa
mit Karl Barth und Martin Niemöllcr, aber aucli zu
kritischen sachlichen Distanzierungen vor allem von
Exponenten des lutherischen Bekenntnislagcrs, das
ihm die Sorge vor drohendon unionistischen Tendenzen
zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen und dabei die als
notwondig empfundene Kampffront gegen den gemeinsamen
Gegner — das NS-System — nicht entschieden
genug zu festigen schien. Die Korrespondenz zeigt das
unablässige Bemühen v. Pechmanns, den gesamt-
christlichen Widerstand gegen die Kirchenpolitik des
NS-Kegimos zu mobilisieren und die Solidarität der
Christen im Deutschland des „Dritten Reiches" zu
fördern: die Titolwahl des Bandes trifft tatsächlich die
zentralen Anliegen seines Engagements. Die Solidaritätsbemühungen
zielten auf beide Konfessionen: es war
ihm höchst befremdlich, daß der bayerische Landesbischof
sich nicht für ein Zusammengehen mit der
katholischen Kirche angesichts des 1935 beginnenden
Kampfes der NS-Behördon gegen das Konfessionsschulwesen
gewinnen ließ, sondern den — ihm unwirksam
erscheinenden — evangelischen Alleingang bevorzugte
. Die Stellungnahme der bayorischen Landeskirche
zur Una-Sancta-Bewegung ging in den Augen
v. Pechmanns nicht weit genug, während er selbst sich
zum ongagierten Eördorer dieser Bestrebungen entwickelte
. Die religiös-kirchliche Bestimmtheit v. Pech-
maiuis, der früher auch literarisch durchaus die lutherische
Linie, wonngleich in ökumenischer Weite, zu
betonen wußte, entwickelte sich soit den dreißiger
Jahren zu einer ausgesprochenen Una-Sancta-Ge-
sinnung. Mit nicht wenigen Vertretern der katholischen
Hierarchie persönlich vertraut, gab er öfters Skeptikern
eines interkonfessionellen Dialogs zwischen evangelischer
und katholischer Kirche zu bedenken, daß unter
den gegenwärtigen Bedingungen die Kirchenspaltung
des 16. Jahrhunderts ihren Sinn verloren habe, ja,
daß es, wenn Luther einem Papste wie Pius XII. und
den gegenwärtigen deutschen Bischöfen gegenübergestanden
hätte, nie zur Reformation gekommen wäre:
„Pius XII. stand er in tiefer Vorehrung gegenüber. Kr
konnte nicht wissen, daß sich an die kirchenpolitisehe
und politische Konzeption dieses Papstes nicht wenige
kritische Anfragen richten lassen", bemerkt der Herausgeber
(S. 6). Obwohl P. noch im Jahre 1944 Einzel-
konversionen als unwirksam und für die Una-Saneta-
Bewegung nur abträglich (weil Mißtrauen weckend)
empfand, trat er doch selbst bald zur katholischen
Kirche über: am 12. Juni 1946 empfing er vom Münchener
Erzbischof Kardinal v. Faulhaber das Sakrnrn. m
der Firmung. Die Motive seiner Konversion könnten
im Rahmen einer Monographie, für die umfangreiches
Aktenmaterial vorhanden ist, einsichtig gemacht werden
: doch wird Peehinanns Weg in die Una-Sancta-
Bewegung in vorliegender Dokumentation, die sejne
Initiativen im Kirehenkampfgesehehen ans Licht
rückt, bewußt nur gestreift (S. VII).

Die Korrespondenz des noch im hohen Alter (bis
1938) aktiv im Beruf stehenden juristisch gebildeten
Bunkfaehmanns führt den ganzen Kontakt reioht um
einer kirchlich engagierten Persönlichkeit vor Augen;
sie zeigt den legitimistiseh orientierten Typ konservativ
geprägter Aversion gegenüber dem Nazismus. Eine
Gestalt wie Pechmann konnte sich der als „plebejisch"
empfundenen Staatsumwälzung des „Dritton Reiches"
gegenüber nur kühl und distanziert verhalten und hat

auch politische Machinationen des NS-Staates, dessen
Haupttendonz er wiederholt als antichristlich kennzeichnete
, scharf gerügt. Er vollzog sogleich den Austritt
aus der Adelsgenossenschaft, als diese; sieh uneingeschränkt
zu Hitler bekannte. Auch aus kirchlichen
Münden und Voreinigungen löste er sich, wenn diese
um einen Ausgleich mit dorn Zeitgeist bomüht schienen
(Evang. Bund, auch Evangelisch-Sozialor Kongreß).
Für Aspekte einer „Roform von innen", wie sie sonst
im kirchlich-konservativen Umkreis durchaus üblich
waren, hatte er wenig übrig; ein betontes Wahr-
haftigkeitsempfinden spielte dabei mit. Befreundeten
Herausgebern kirchlicher Presseorgane gab er laufend
zu orwägen, ob es nicht sinnvoller sei, das kirchliche
Zeitschriftonwesen ganz einzustellen, als durch Verbreiten
von Halbwahrheiten und Verzicht auf Kritik
an den politischen Zuständen an der Wahrheit tohuldig
zu werden. Für Intentionen, die die volkskirehlichen
Aktivitäten durch politische Zugeständnisse zu sichern
versuchten, hatte er kein Vorständnis. Kr beschwerte
sich oft darüber, daß man auch in bekonntniskirchlichen
Kreisen (wenn auch vielleicht aus taktischen Gründen)
so tue, als ob es nur nationalsozialistisch gesinnte
Kirchenglieder gäbe.

Der frühzeitige Protestschritt des Rücktritts von
seinen kirchlichen Funktionen hat ihm die institutionelle
Auseinandersetzung im Kirehcnkanipf in vorderster
Linie erspart; doch hat er — nebon erfolglosen
Versuchen, die kirchenpolitische Entwicklung des
Jahres 1933 aufzuhalten oder später (1037) über konservative
Mitglieder dos Reichskabinetts kirchenpolitisch
revidierend und mäßigend zu wirken — die Rolfe
eines kirchlichen Monitors zu spielen gewußt und ge-
wissensschärfend auf andere Einfluß zu nehmen versucht
, die in verantwortlichen Positionen standen. Der
Bekennenden Kirche hat er sich im Juni 1936 angeschlossen
.

Vorwort und einleitende Bemerkungen dos Herausgebers
orientieren über archivalischo Fragen, die den
übrigen Nachlaß betreffen, und geben einen Abriß den
Persönlichkeits- und Lebensbildes und seiner besonderen
Probleme. Die die Texte begleitende KommentierunK
ist ganz sparsam, aber ausreichend vorgenommen
worden. Ks ergibt die Lektüre des Bandesein oindrück-
liches und abgerundetes Bild vom Wirken und der
Bedeutung Pechmanns in diesen Jahren; auch K'""
blicke in die Sieht seiner Briefpartner sind möglich'
Insgesamt sind 359 Briefe (einig«; nur auszugsweise)
dargeboten. Auch Zeugnisse seineK literarischen Schaffens
, soweit es sich auf Kirche und Theologie bezieht-
werden eingangs abgedruckt. Entsprechende RegiftCi
auch Kur/.viten der wichtigsten Personen, schließ'"
das Buch mustergültig auf: eine solide Kdil ionsIeistunH-

Korrigenda: S.2: Kirehentagspräsidont in Nürnb*'*
1930 war D. Woldemar Vitzthum v. Kckstädt (Dresden
), nicht mehr v. Pechmann. — S. 214: Verweehiltinfl
der Amtsbezeichnungen (D. Dr. Luther war nur Vw
Präsident).

Leipzig Kurt Meier

Kantzcnbach, F. W.: Zeitwende Zum Weg einer Kill
Zeitschrift und ihrer Munohner Redaktion im Dri
Reich (ZS f. bayerische Landoggosehiohte 37, 11174
S. 669—594).

Dülmen, Richard v.: Katholischer Ki

»M.servat iviHml,H

die „slIzi'llugMelie" Neuen.-Nt MW IHltf. DllH .. I I" "''1'" '"

der Weimarer Zeit (Z8 f. bayorineho LaiidesgeHohi«
36, 1973 S. 254—301).