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Ausgabe:

1975

Spalte:

444-445

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Harris, Horton

Titel/Untertitel:

David Friedrich Strauss and his theology 1975

Rezensent:

Neuenschwander, Ulrich

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Thcologischo Litoraturzcitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 6

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IMl
III

Haltung, mit der dio Ronaissancopäpste an ihre Auf- Polo zu stellen, zu denen er in seinen letzten Lebensgaben
gingen, sorgten doch für seine schnelle Durch- jähren unter Paul III. noch in scharfen Gegensatz
Setzung. In welchem Ausmaß bei den Kardinälen, dio geriet. Kreilich suchte ('ampeggio bis zuletzt — schon
z. Z. Julius' II. und Leos X. sämtlich nach ihrer Emen- um der Bewahrung seiner Diözese Salisbury willen —
nung den damals Mächtigen ihre Dienste anboten, einen Kompromiß mit Heinrich VI 11., doch die Polari-
finanziello Gesichtspunkte leitend waren, zeigt Wilkie Mennig zwischen Rom und London war so weit fortan
einer Fülle von Beispielen. Die Hauptaufgabe der geschritten, daß seine Bemühungen vorgeblich blieben
Kardinal-Protektoren bostand nämlich darin, in Rom und mit ihm dio „Welt dos beliaglichen Kompro-
die Bestätigung für die von den Königen erwählten misses" verschwand.

Kandidaten für vakant gewordene (Erz-)Bistümer zu Rostock Gort Wundolborn
erwirken, woran sio regelmäßig durch Provisionen
selbst verdienten. Es kann deshalb nicht verwundern,
daß Schacher um Geld und Pfründen und Nepotismus

gerade mich beiden Kardinal-Protektoren leiohl aaoh- KIRCHENGESCHICHTE- NEUZEIT

weisbar sind.

Eine besondere Bedeutung orlangten die Kardinal- „arr,s Horton: David Friedrich SlrausH and his IfcMfcgf.

Protektoren in England, wo Francesco Todoschmi London: Cambridge University Press 1973. XV, 301 S.,

Piccolomini als der erste offiziell anerkannto Kardinal- 5 Taf. 8° = Monograph Supplements to tho Soottisb

Protektor überhaupt seit 1492 amtierte. Typisch für Journal of Thoology, od. by T. F. Torranco and J. K.

die Regiorungszoit Heinrichs VII. wie auch dio Hein- S. Roid. Lw. £ 5.20.

richs VIII. bis zur Affäre seiner Scheidung von Katha- „Man muß Strauß liobon, um ihn zu verstehen",

rina von Aragon war ein ungotrübtos Einvernehmen So schrieb seinerzeit Albert Schweitzer in seiner „Go-

zwiachen dor Kurio und England; England spielte als schiohto der Leben-Jesu-Forschung". Diese Bedingung

Schutzmaoht des Papsttums trotz seiner geographi- }iat sein neuester Biograph Horton Harris erfüllt. DM

sehen Entfernung für dio Kurie oino wichtige Hollo, tragische Leben des berühmten und angefeindeten

und der Papst war bereit, dafür dio faktische Herr- Kritikers erfährt zugloich eine gorechte Würdigung

schaft des Königs über die englische Kirche zu tolerieren. und eine kritische Analyse.

Thomas Wolsoy nutzte unter Hoinrich VIII. diese Ausführlich vorweilt Horton Hai ris bei der Werde-

Situation dazu, den bestimmenden Einfluß auf Staat geschiohte de* (nagen Strauß. Das Elternhaus in

und Kirche in eigener Hand zu voreinen, den er freilich wigsburg, die Jahre in Blaubeuren, das Studium

nur im Interesse dos Königs ausüben konnte, wie sein Tübingen, .las Vikariat in Klein-Ingelsheirn, der

Sturz 1529 naoh dorn Fehlschlag seiner Bemühungen Aufenthalt in Berlin und die Repetent enzejt, I» TÜb»V

um dio Scheidung der ersten Ehe dos Königs zeigen K,,r S(jft, w(.,.(1(.n anschaulich geschildert. Schon ifl

sollte. Geschickt getarnt, spielte sich jedoch von (|i080n Kapiteln tritt die Methode des Verfasser hervor,

Anfang an ein zäher diplomatischer Kampf zwischen si(.,, (pealtfl auf den Briefwechsel von Strauß abzii-

den Partnern ab, der durch dio rasch wechselnden 8tützen. Durch das ganze Buch hindurch stehen sich

außenpolitischen Konstellationen im Kräftespiol zwi- ausführliche Zitate aus den Briefen, die dem Ganzen

sehen der Kuno, dem Reich, Frankreich und England „im. pnrHönli«d.n Lebendigkeit vermitteln. Hort»"

seine besondere Brisanz erhielt. Hinsiohtlioh dor Hftrri„ goht 8Q woit inH iMaiK ,,,lü „ heispiolsweise

königlichen Kandidaten arbeitete das Konsistorium HOgftr „ntorBUe}lt,( „,, berühmte F.pisodo vom

der Kardinäle mit Aufschub, Gegendruck und Kompro- Slnlu(Jr.llH ,„.; Schloiormaeher gesehichtlich sei.

miß, und schon im Hinblick auf Schottland mußten Bekanntlich soll dort Strauß, als ihm Schloiormaoher

be.de englischen Könige die Grenze ihrer Macht or mi(, ,.,„.„ Mj Heg,] m ,|,.r Cholera gestorben, da*

kennen Das unablässige machtpohtische Ringen und Wort -„hrc, »ein: „Und un. seine! willen bin io*

die Fülle internationaler Verwicklungen heuen schließ. , _ .. . ,;J ..... . . - , „,,,

,..,,„_,,.,_,,, , , ,. , nach Berlin gekommen! . Das führte zu einer sofort ig< >'

lieh last alle Kardinal-Protektoren wie auch die anderen ,,, .... „ . , .. ... ,

r, , . . , .... , . . . Abkühlung Schieiermachers ihm gegenüber, und

Repräsentanten des kirchcnpniitischcn Tauziehens zwi- . •■ , . , . , , . .

,r _ j t i e i <m. i i i ., • beiden kamen sieh nicht mehr nahe,
■sehen Rom und London aul der Strecke bleiben, nie

Wilkio in minutiöser Schilderung am Beispiel eine , Besondere Aufmerksamkeit linde,,, wie wir es von

Castellesi, Gigli, Bainbridgo, vollends aber Campeggios "'""'' ^'l'1"" 0*etU......g auch erwarten dürfen, das

zeigt, dor nach vielen Jahren diplomatischer Arbeil im •»■*• «Leben Jesu" und die darauf folgende Diskussion.

Dienst England«, des Reiches, Frankreich«, dor Floren- [n <hese,,, /,„ ..,m,ne,,hang ist ein ganzes Kapitel dein

tiner und nioht zuletzt der Kurie unter Leo X. und Verhältnis zwischen David Friedrich Strauß im"

vor allem Klemons VIT., als Giulio de Mediei sei,, Ferdinand Christian Baur gewidmet. Die fragwürdig'

Vorgänger im Amt des englischen Kardinal-Protektors, Haltung Bants wird offen, aber mit Verständnis

im Zusammenhang mit Heinrichs Soheidungranter- dessen eigen« gefährdete Situation geschildert. Audi

nehmen glanzlos unterging. die weiteren Vorgänge bis zum dritten, abgeschwächt;"'1

Der Leser freilich, der dieses Buch in all seinen ..Leben Jesu" und dem Straußenhandel in ZÜT«*

Kinzelhoitci auf sich wirken läßt, wird zu <iem Schluß erfahren eine abgewogene Darstellung,

gelangen, daß diese« Scheitern noch tiefere Gründe King«h< od und mit vielem Brief maferial iintersuc

hatte. Mit ('ampeggio und seinem großen Gönner der Vf. in einem weiteren Kapitel die Romanze un'1

ht

Klemens VIT. ging letztlich eine ganze Epoche kurialen anschließende Khetrngödie zwischen Slraul.i und dei

Lebens zu Endo. Dor persönlich bei all soinem Hunger berühmten Sängerin Agnoso Schobest. Ks folgen das

nach Reichtum und Kinfluß relativ integre Cam- glückloso Intormezzo des Politiken Strauß im Wttr*'

peggio brachte weder dio Größe noch die Gewissen- temberger Parlament und die Jahre des Hin und II''1'

losigkeit auf, ein typischer Fürst kardinal dor Renais- die neben anderen Biographien den „Hutten" und o"1'

sance zu sein, es fehlten ihm erst recht aber alle Voraus- „Voltaire" hervorbrachten. Im Zusammenbang ,nl'

<el/img('„ dafür, den radikalen Wandel der europäischen der Rückkehr zur Theologie und dem „Leben Jos11

(Kirchen-)Politik zu verstehen, der mit dor deutschen das deutsche Volk" finden wir mit besonderem Oj'

Reformation ursächlich zusammenhing. So war er wicht die Auseinandersetzung mit Schenkel analy«"' '

auch nicht in der Lage, sich auf die Soite der neuen, („Die Halbe,, und die Ganzen"). Atschließend v«rstie • '

reformgosinnten Kardinal« wie Carafa, Contarini und der Vf. sogar, dem verunglückten Buch „Der alte un