Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1975

Spalte:

392-393

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Die Sonntagsepistel plattdeutsch 1975

Rezensent:

Holtz, Gottfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

391

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 5

392

nehmer wiedergegeben. Wie die mit den Grundregeln
gestellten methodischen Probleme zu lösen sind (besonders
, wie es möglich sein soll, daß jeder in der
Gruppe sein eigener Leiter ist, der redet, wann und was
er will, und wie doch der „kürzest mögliche Prozeß gesucht
" wird, „daß alle einzeln gehört werden können '),
das erfährt der Leser nicht.

Der empirische Aspekt des Buches läßt die theologischen
Fragen zurücktreten. Andeutungsweise werden
sie im Schlußteil, der „Auswertung", berücksichtigt.
Dazu bemerken die Autoren, es gebe verschiedene Aspekte
, über die sie schweigen, weil sie noch nicht imstande
seien, sie zu formulieren. Es ist schade, daß sie die
unausgereiften Fragen nicht wenigstens als solche
kenntlich machen. Hollwegs Beitrag über „die Beziehung
zwischen gruppendy Hämischem Laboratorium und
Lebenswirklichkeit als Problem christlicher Verantwortung
" (235-248) enthält wichtige Differenzierungen
(Erkennen und Verhalten, Gruppendynamik und
Gruppentherapie, Laboratorium und geschichtliche
Lebenswelt) und die notwendige Warnung vor einer
Reduktion der umfassenden Wirklichkeitszusammenhänge
auf die emotionale Ebene. Theologische Fragen
werden nur gestreift, wie in dem Satz: „Identität des
Menschen mit sich selber, wie sie durch Gott in seinem
Evangelium von Christus vermittelt wird, kann sich nur
in einem ekklesiologischen Kommunikationsprozeß
aufbauen, nicht durch Verwirklichung von religiösen
Normen oder Übernahme von Glaubenssätzen" (241 f.).
Ist das eine echte Alternative? Macht die Gruppendynamik
die Übernahme von Glaubenssätzen unnötig
oder unmöglich? Welche Funktion hat die Gruppendynamik
im Prozeß der theologischen Wahrheitsfindung
? Ist das wahr, was die Gruppe akzeptiert, ist der
Gruppenkonsens das entscheidende Kriterium für
Wahrheit?

Eine andere theologische Grundfrage drängt sich
durch Stengers Beitrag über „Gruppendynamik als Medium
personaler und transpersonaler Erfahrungen"
(249-256) auf. Stenger unterscheidet drei Stufen einer
gruppendynamisch bewirkten Transparenz: Die erste
Stufe ist die Verwandlung vorpersonalen Verhaltens in
personale Begegnungaweisen; die zweite Stufe ist die
Erfahrung einer transpersonalen Qualität als Numino-
sum; die dritte Stufe bringt den Glaubenden „in die
Nähe einer transpersonalen Glaubenserfahrung" (250).
Diese dritte Stufe wird aber nicht nur dort erreicht, „wo
ausdrücklich Glaubensinhalte zur Sprache kommen"
(253). Ist die Gruppendynamik eine Art moderner
„Himmelsleiter", auf der der Mensch vom Natürlichen
ausgehend zu Gott aufzusteigen vermag ? Dagegen steht
Stengers Satz, daß Transparenz sich nicht manipulieren
läßt. „Sie kann nicht gemacht, sondern kann nur geschenkt
werden" (254).

Das Stichwort „Geschenk" führt zu einer dritten
theologischen Frage: Wie verhalten sich die in der Gruppe
erfahrene Kritik und Annahme zu Gesetz und Evangelium
? Eröffnet die Gruppendynamik die Möglichkeit,
Rechtfertigung rein „horizontal", in der mitmenschlichen
Kommunikation zu erfahren, oder gibt es Unterschiede
zwischen der Annahme durch die Gruppe und der
Vergebung durch Gott?

Diese Fragen sollen keineswegs den notwendigen Erfahrungsaustausch
unter Hinweis auf offene theologische
Probleme abwerten. Sie möchten im Gegenteil
zur theologischen Aufwertung weiterer Praxisberichte
beitragen. Es ist zu wünschen, daß ein ähnlicher Band
folgt, der vorwiegend Modelle aus der praktischen Gemeindearbeit
vorstellt und kritisch reflektiert.

Ilalle/S»»le Kberhanl Winkl«

Die äonntagaepistel plattdeutsch. Hrsg. v. H.Kröger u.
R. Gensch im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft plattdeutscher
Pastoren in Niedersachsen. Soltau: Pastor Kröger,
1973. 64 S. 8°. DM3,-.

Da» Sonnlagsevangelium plattdeutsch. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft
plattdeutscher Pastoren in Nicdernaohsen.
2. Aufl. Soltau Pastor Kröger, 1974. 83 S. 8°. Kurl, DM 4,-.

Die einzelnen Beiträge sind auf Arbeitstagungen
kritisch durchgesprochen worden. Manche Übersetzung
ist im Kollektiv von zwei und mehr Mitarbeitern entstanden
. Die divergierenden Mundarten einander anzugleichen
, ist unterlassen, ja mußte unterlassen werden,
aus Gründen, die in unserer Schlußbemerkung anklingen
werden. So stehen Perikopen im ostfriesischen, oldenburgischen
, bremischen, hamburgischen, lüneburgischen
schleswig-holsteinschen Dialekt nebeneinander. Demzufolge
ist ein bequemer Gebrauch im plattdeutschen
Gottesdienst nicht möglich; in vielen Einzelfällen muß
neu übertragen werden. Im Vorwort des Evangelien-
heftes heißt es allgemein, daß Hilfen für plastische Sprache
der Prediger dargeboten werden sollen. Erste Auflagen
waren schnell vergriffen.

Die sprachliche Uneinheitlichkeit macht das Studium
interessant, läßt aber Fragen zurück, so die, ob gewisse
Wörter sprachgeographisch weit genug verbreitet sind,
um in ein Gemeinschaftswerk eingehen zu können. Im
Himmelfahrtsevangelium Mk 16, das im ostfriesischen
Dialekt dargeboten wird, heißt es in V.15: „das ji alle
Minsken de bliede Böskupp verteilen". In V. 18 liest man
von „Beterskupp". Wie weit sind auf dem Sprachatlas
solche Wörter verbreitet? Sie werden Pastoren anderer
Dialektgebiete keine Hilfe bieten können. Dasselbe gilt
für den ostfriesischen „Nettekraat" in Joh 19 V.24. Erläuternde
Anmerkungen wären doch gut gewesen! Sie
finden sich nur am Ende des 13.Kapitels des l.Korin-
therbriefes, das im oldenburgischen Platt wiedergegeben
ist: „Utgaave" (V. 1 (wird nicht erklärt), „Holster"
= kleiner Junge, „Docht" = Gedanke, „Leepigkeit"
= Schlechtigkeit, Sünde. Liegt zuletzt etwa ein Druckfehler
vor: Wir zulande kennen leeg = schlecht und
würden Leegigkeit von daher verstehen. Aber erläuternde
Anmerkungen hätten ja auch angezeigt, daß das
Programm, plastische Ausdrucksweise zu fördern, durch
Dialektausdrücke nicht allein erreichbar ist.

Es gilt als allgemeine Übereinkunft, daß im kultischen
Gebrauch Derbheiten und Vulgarismen nicht erscheinen
sollten. Ist heute noch tragbar, daß in der Honst voll gß'
glückten Wiedergabe des Evangeliums vom 2. Adventssonntag
in Lk 21 V.34 das aus der Lutherbibel stammende
„Preten un Supen" beibehalten ist? Der Vulgarismus
wird schon dem Urtext nicht gerecht ; er geißelt
die Borauschtheit und enthält den Gedanken an Fressen
nicht. Die Zürcher Bibel schreibt richtig „Rausch und
Trunkenheit", ebenso richtig „Die gute Nachricht '
„Laßt euch nicht vom Rausch benebeln". Der Bearbeite''
von 1 Kor 13 liebt Vulgarismen, die in diesem zart;11
Lied schwerlich am Platze sind: V.l „Pingelklock of"
Fleutjepiepen"; V.4: die Liebe „puust sik nich up, 86
wöhlt nich in'n Dreck". Von den unverständlichen Wörtern
gerade in dieser plattdeutschen Epistel war sei"""
die Rede. Doch sei es an Beispielen genugI ,,8»DJ**
sanete" gilt auch für die niederdeutsche Kirchensprache>

Wie im Sprachlichen, so ist auch im Prinzipiellen "i'f
Ausgleich verzichtet. Neben Übertragungen im eng"0
Anschluß an den vorgegebenen Text stehen Paraphrase"'
Das hat sein Recht und seinen Re iz, regt zu n< u' '"
Überdenken und Meditieren an - und beides beb»
seine Problem- Kin IVispi.l der erstn-cn Art ist
Wiedergabe von Joh 1 V.l 14. Gleich im ersten B"17'