Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1975

Spalte:

376-381

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Das erste Jahrtausend 1975

Rezensent:

Wessel, Klaus

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

375

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 5

376

nationalen Bereich. Erschütternd auch hier die „Konspiration
des Schweigens": „In den neutralen Ländern,
aber auch in der freien Welt des Westens weigerte man
sich zur Kenntnis zu nehmen, was den Juden in Europa
widerfuhr" (II, 121). Dieser Band schildert auch die
durch die faschistische Expansionspolitik bedingte Ausweitung
des deutschen zum europäischen Kirchenkampf,
wobei aus Materialgründen die osteuropäischen Kirchen
sehr in den Hintergrund treten und stärker der westeuropäische
und skandinavische Bereich berücksichtigt
ist. Neben den zentralen Aufgaben, die dem ÖRK
durch Flüchtlingsdienst und Friedensinitiativen erwuchsen
, wird auch die Förderung der deutschen politischen
Opposition geschildert, soweit sie die Hilfe ökumenischer
Exponenten und Gremien für ihre auf illegalen
Widerstand und Umsturz zielenden Aktivitäten
(v.a. bei Kontakten zur angelsächsischen Welt) in Anspruch
nahm. Hier wird besonders auf die Bemühungen
des Legationsrates v. Trott zu Solz, auf Hans Schönfelds
und Dietrich Bonhoeffers konspirative Tätigkeit eingegangen
und deren Schranke aufgezeigt, die darin bestand
, daß Berichte „von der Existenz einer Widerstandsbewegung
nicht in das Konzept der bedingungslosen
Kapitulation paßten" (II, 227), wie sie am 24. Januar
1943 von Roosevelt und Churchill auf der Casa-
blanca-Konferenz festgelegt worden war. Auch den Aktivitäten
des kirchlichen Außenamtes der DEK unter
Bischof Theodor Heckel wird besonderes Augenmerk
gewidmet. Eine restlose Klärung der Rolle E. Gersten-
maiers gelingt dabei nicht. Der angebotene Differenzierungsversuch
zwischen Heckel und Gerstenmaicr entbehrt
letzter Eindeutigkeit (II, 93ff.). Die Geschichte
des besonders vom Auswärtigen Amt aus Gründen
„deutscher Kulturpropaganda" im Ausland während
des Krieges geförderten Kirchlichen Außenamtes im
Spannungsfeld religionspolitischer Aktivitäten gewährt
interessante, quellenbelegte Einblicke auch in den
„Ämterdarwinismus" des Dritten Reiches und den daraus
resultierenden Kompetenzstreitigkeiten und konträren
Direktiven.

Auch die unmittelbare Nachkriegsentwicklung ist
etwas in die Darstellung einbezogen worden. Unter der
Devise eines Widerstreites zwischen den Kräften der
„Restauration" und der „Reform", der in der BK D l>i
heute andauere, werden die Wendepunkte kirchlicher
Nachkriegsentwicklung bis 1948 kurz markiert, wobei
den Verhandlungen in Treysa und dem Stuttgarter
Schuldbekenntnis signifikante Bedeutung zugemessen
wird (II, 287). Beide Bände enthalten einen umfangreichen
Dokumententeil, dessen fremdsprachigen Texte
auch in Übersetzung geboten werden.

Konzeptionell wird man festhalten müssen, daß zwar
die Vertrautheit mit ekklesiologischen Fragen eine
wesentliche Voraussetzung dafür ist, sachgemäß über
die ökumenische Bewegung zu schreiben. Die Tatsache,
daß die ökumenische Bewegung alles andere als eine
geschlossene Einheit ist und daß die in ihr wirkenden
Kirchenführer gerade auch im behandelten Zeitraum
stark von der Außenpolitik ihres Landes abhängig waren
, erfordert indes nicht nur eine eingehende Berücksichtigung
des kirchlich-nationalen Hintergrunds, sondern
zwingt auch dazu, auf die mögliche politische Affinität
ökumenischer Entscheidungen zu dem zeitgenössischen
politischen Klima des jeweiligen Lindes zu achten.
Inwieweit ist z.B. die verschieden intensive Neigung dcc
ökumenischen Organisationen, trotz spürbarer Svm
pathie für die Bekennende Kirche in Deutschland es
doch nicht zum förmlichen Bruch mit der Reichskirche
kommen zu lassen, von der englischen Appeasement-
Politik gegenüber Deutschland in den Vorkricgsjahren
mit bedingt? Monographische Studien über ökumenische
Gruppen und die jeweiligen kirchlichen Verhältnisse
und Konstellationen in den entsprechenden Ländern
dürften auch für den Problemkreis „Kirchenkampf
und Ökumene" horizonterweiterndc Bedeutung haben.
Wenn sich ein im weiten Sinne „politischer Konsensus",
den man sich sehr differenziert vorstellen muß, unter
den ökumenischen Führern herausgebildet hatte, während
sie theologisch kaum auf einen gemeinsamen Nenner
zu bringen sind, dann müssen politische Abhängigkeiten
bei ökumenischen Entscheidungen mit in Rechnung
gestellt werden. Wenn sich schon allgemein verbietet
, dem Selbstverständnis einer einzelnen Gruppe
oder Institution maßstabsetzende Bedeutung für Geschichtsinterpretation
beizumessen, dann darf auch das
Selbstverständnis einer einzelnen, wenngleich sich exklusiv
als „Kirche" verstehenden Gruppe im deutschen
Kirchenkampf nicht zum historiographischen Prinzip
und interpretativen Beurteilungskriterium ökumenischer
Geschichtsschreibung erhoben werden.

Es wird sich zeigen müssen, ob eine methodisch noch
differenziertere Konzeption sowie die Ausweitung der
Quellengrundlage, wie sie P. Ludlow auf dem oben erwähnten
Tübinger Kolloquium in Aussicht gestellt hat
(Einbeziehung der umfangreichen Bell-Akten, des
Eidem-Archivs und amerikanischer Sammlungen),
wesentliche Ergänzungen und Modifikation* n des
Bildes ergeben werden, das uns vorliegende Darstellung
vermittelt.

Leipzig KurtMoior

GESCHICHTE CHRISTLICHER KUNST

Hinz, Paulus: Ueus Homo. Uas Christushild von seinen Ursprüngen
bis zur Gegenwart. I: Das erste Jahrtausend.
Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1973]. 422 S. m. 17 Abb. i.
Text, 236 Abb. a. Taf. 4". Lw. M 38,-.

Seit H.Preuß 1915 „Das Bild Christi im Wandel der
Zeiten" (2. Aufl. 1921) veröffentlichte, hat es Vergleichbares
im Raum des deutschen Protestantismus nicht
mehr gegeben. Nun hat sich, nach mehr als einem halben
Jahrhundert voller neuer Erkenntnisse und Entdeckungen
P.Hinz daran gemacht, unsere Kenntnis von
der Entwicklung des Bildes Christi in den bildenden
Kunst zusammenzufassen und darzustellen. Der Titel
seines Werkes ,,Deus Homo" läßt nicht bloße formale
Ikonographie erwarten, kein kunstgeschichtliches Ruch,
sondern einen Gang durch die Geschichte des Christusbildes
, wie es, durch den Glauben und die Theologie der
verschiedenen Epochen geprägt, die geistige Schau vom
Gottmenschen in künstlerische Form umzusetzen sich
bemüht. Und diese Erwartung wird nicht enttäuscht.

Dieses Buch ist in erster Linie ein theologisches. L*
ist nicht für die Kunsthistoriker oder den Ikonograplie"
geschrieben, sondern für die Glieder der Kirche, um sie
teilnehmen zu lassen an dem, was der Glaube an Christus
in seiner sich wandelnden Form und Ausdrucksweise
im Bilde des Herrn der Kirche verkündigte. Und es ist,
das spürt der Leser auf jeder Seite, gesehriehen von
einem Theologen, getragen von einer unaufdringlichen
Clmstusfröininigkeit und Christ iisl'rcudigkcil, die teilnehmen
lassen will, die auch in einer solchen Darstellung
nicht nur ein Stück Geschichte der Kirche, «<»"-
dem auch eine Form der Verkündigung sieht. Außerdem
ist das Buch gut geschrieben, flüssig und angenehm "u
lesen; es vermeidet die Fachsprache, sowohl die theologische
als auch die kunstgeschichtliche, und
genau und oft bestechend zu formulieren. ,

Der l.Band ist in 15 Kapitel gegliedert. Grundlegend