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Ausgabe:

1975

Spalte:

371-376

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Boyens, Armin

Titel/Untertitel:

Kirchenkampf und Ökumene 1939 - 1945 1975

Rezensent:

Meier, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 5

hören unlöslich zusammen. Daher können auch Rechtfertigung
und Erneuerung nicht getrennt werden; denn
Gottes Wort ist schöpferisch. „Der Schlüssel zu Luthers
Position ... ist, daß Rechtfertigung von Anfang bis
Ende Gottes Werk ist, and wenn Gott den Sünder um
Christi willen durch den Glauben für gerecht erklärt, so
macht er ihn gerecht durch seinen Schöpfer-Geist"
(S.130).

Trotz dieser scharfen Kritik an Ritsehl stellt L. im
fünften Kapitel die positive Bedeutung seiner Lutherinterpretation
heraus. Zunächst Ritschis eigene Dogmatil
hat sehr viel mehr von Luther als vielfach gesehen
wird. Außerdem ist die Lutherrenaissance des 20. Jahrhunderts
, insbesondere Karl Holl, ohne die Anstöße, die
Ritsehl gegeben hat, nicht denkbar. Es handelt sich also
um eine Korrektur des Ritschibildes von seiner Luther»
Interpretation her. Diese muß ferner im Kontext zeitgenössischer
Lutherauffassungen gesehen werden, um sie
gerecht zu beurteilen. Ritsehl verteidigt den Protestantismus
, speziell die Rechtfertigungslelue, gegen solche
Kritiker wie Paul de Lagarde und Jakob Burckhard.
An dem gängigen orthodoxen Lutherbild nahm er wichtige
Korrekturen vor, die nachfolgenden Lutherforschern
Anregungen gaben für eine richtige Unterscheidung
zwischen Luther und Luthertum. - Im Anhang
wird Ritschis Festrede am vierten Säkulartage der
Geburt Martin Luthers, 10.November 1883, in englischer
Übersetzung abgedruckt.

L.s Buch reiht sich würdig in die neueren Arbeiten
über Ritschis Theologie ein.

Halle/Saale Brdmuui Schott

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Boyens, Armin: Kirchenkampf und Ökumene 1933-1939.

Darstellung und Dokumentation. München: Kaiser 1969.
486 S. gr. 5°. Lw. UM 30,-.

Kirchenkampf und Ökumene 1939-1945. Darstellung OOd
Dokumentation unter besonderer Berücksichtigung der
Quellen des Ökumenischen Rates der Kirchen. Ebd. 1973.
463 S. gr. 8°. Lw. DM 43,-.

Zur perspektivischen Erweiterung des Bildes vom
deutschen Kirchenkampf trägt fraglos eine Darstellung
über die Beziehungen der Ökumene zum deutschen
evangelischen Kirchentum während der Zeit des Drittel)
Reiches bei. A.Boyens hat in seiner Promotionsschrift
zunächst die Zeit bis Kriegsbeginn behandelt und bald
darauf die notwendige Fortsetzung für die Zeit des zweiten
Weltkrieges folgen lassen. So liegt in zwei Bänden
eine gewichtige und bei allen kritischen Einwänden anerkennenswerte
wissenschaftliche Leistung vor, die an
Schwerpunkten der Entwicklung orientiert ist und sich
vorwiegend mit dem „ökumenischen Rat für Praktisches
Christentum" (= ÖRPC), also mit „Life and Work",
und mit der „Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung
" („Faith and Order") befaßt, die im Jahre 1938
zusammen den ökumenischen Rat der Kirchen ( = ÖHK)
gebildet haben. Die anderen Zweige der ökumenischen
Bewegung wie Weltbund für internationale Freundschaftsarbeit
, Internationaler Missionsrat, Lutherischer
Weltconvent, Reformierter Weltbund u.a. treten stark
zurück und werden nur gelegentlich erwähnt.

Die der Darstellung vornehmlich des ersten Bandes
zugrunde liegende Beurteilungssicht ist vorwiegend daran
orientiert, wie die hier vorgestellten Exponenten der
ökumenischen Bewegung sich zu der Herausforderung
gestellt haben, die sich insbesond ere für den Welt-
protestantismus durch die Entstehung der Bekennenden

Kirche in Deutschland ergeben habe. Hier liegen die
methodischen Schwierigkeiten, denen sich die Darstellung
einer internationalen kirchlichen Bewegung, deren
Mitgliedskirchen unter jeweils verschiedenen nationalen
Bedingungen und spezifischen Aufgabenstellungen arbeiten
, ausgesetzt sieht. Daß nicht nur die jeweiligen aktuellen
Erfahrungen, die territorial unterschiedlich waren,
sondern auch die spezifischen soziologischen und theologisch
-kirchlichen Traditionsbindungen die Entscheidungen
der ökumenischen Führer mitbedingten und entsprechend
modifizierten, weist auf die Beziehungsfülle
geschichtlicher Bedingtheiten hin, die es bei der historio-
giaphischen Beurteilung der ökumenischen Sachverhalte
mit ins Auge zu fassen gilt. Wer will darüber
rechten, daß die sich im Weltbund für Freundschaftsarbeit
der Kirchen nach Bischof Ammundsens Tod
durchsetzenden Führungskräfte sich aus Sorge vor
negativ beurteilter „Institutionalisierung" der ökumenischen
Arbeit einem Beitritt zum Weltrat entzogen
und im übrigen auf Grund ihrer dem religiösen Individualismus
zuneigenden theologischen Prägung „kein
Verständnis für das Anliegen der BK" (1,249) hatten,
weil ihnen der dogmatische Absolutheitsanspruch und
die Lehre und Irrlehre unterscheidenden und letztere
verwerfenden bekenntnismäßigen Kriterien der Bekenntnisfront
fremd waren? So zeigt das Buch selbst
die unüberbrückbaren Widerstände, die sich innerhalb
ökumenischer Gremien bei aller Sympathie für die
deutsche Bekenntnisopposition ergaben, wenn die Zumutung
spürbar wurde, sich mit der in der BK dominierenden
Bariner Theologie zu identifizieren, deren
chiistozentrische Exklusivität auch den Auslandskirchen
ungewohnt war. Die „Bewegung für Praktisches
Christentum", vor allem Bischof Bell von Chichestcr,
dessen Beurteilung sich neuerdings als noch kontrovers
erweist (vgl. Kirchenkampf und Ökumene. Bericht über
das I.Internationale Colloquiuni in Tübingen 2.-4. Juli
1972), standen offensichtlich der deutschen Bekenntniskirche
näher als die „Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung
", deren Generalsekretär Prof. Leonhard
Hodgson in einer für das Selbstverständnis dieser Bewegung
höchst charakteristischen Korrespondenz das
Ansinnen Bonhoeffers zurückwies, zur Sitzung des Fortsetzungsausschusses
1935 in Hindsgavl (Dänemark) nur
BK-Leute, nicht aber Vertreter der Reichskirche einzuladen
. Doch konnte sich auch der ÖRPC (also Life and
Work) August 1935 nicht entschließen, „aus dem Alleinvertretungsanspruch
der BK die entsprechenden Konsequenzen
zu ziehen und die Reichskirene auszuschließen"
(1,220). Dabei mochte auch die Rücksichtnahme auf die
Entscheidung von „Faith and Order" mitgespielt haben
: „Der innere Zwiespalt in der Haltung der ökumenischen
Bewegung gegenüber dem deutschen Kirchenkampf
und in der Beurteilung des totalen Staates wäre
damit auch institutionell verfestigt und allen weiteren
Einheitsbestrebungen auf «lein Wege zu einem ökumenischen
Rat der Kirchen ein schwer zu beseitigendes
Hindernis in den Weg gelegt worden" (1,123). Es entsprach
somit (nach Meinung des Vf.s) einer weniger
grundsätzlich als vielmehr praktisch bedingten Rücksichtnahme
, daß der ÖRPC sieh damit begnügt hatte,
seine Sympathie für die Bekennende Kirche durch
Kooptierung von Präses Koch und Dietrich BonhoeffVr
zu beratenden Mitgliedern auf der Vollversammlung
des Rates im August 1934 in Fan» (Dänemark) zu bekunden
, ohne aus dieser Entscheidung Konsequent
gegen die Reichskirchenregierung zu ziehen. Es ist in
dieser Hinsicht bemerkenswert, daß im Rahmen der
wissenschaftlichen Kontroverse, die Bd.l ausgelöst
hat und bei der P. Ludlow (London) als Kritiker die
notwendige Erweiterung der Quelletibasis und differc"-