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Ausgabe:

1975

Spalte:

369-371

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Lotz, David W.

Titel/Untertitel:

Ritschl & Luther 1975

Rezensent:

Schott, Erdmann

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 5

370

Wesen. Er vergleicht sie mit der entsprechender Werke, roatiou" wollte, wird allgemein zugestanden; aber „der

darunter auch solcher Luthers und des Erasmus sowie präzise Sinn und die Bedeutung von Ritschis Verpflich-

QUt anderweitig Uber lieferten Fakten. Auf diese Weise tung gegenüber dem reformatorischen Christentum hat

"gibt sich ein umfassendes Bild zwar nicht unbedingt bisher keine spezielle Aufmerksamkeit gefunden",

der Realität, aber auf jeden Fall der Stimmung der Ritschis Lutherinterpretation soll als sinnvoller Einstieg

... >n Ritschls eigene Theologie dienen, „als heuristisches

Doch es handelt sich hier nicht um eine bloße Zeit- Prinzip zur Entdeckung der zentralen Impulse des

jtiialyse. Vielmehr wird den Mißständen ein Ort inner- Ritschlschen Systems" (S.8).

halb des ausführlich dargestellten Geschichtsentwurfs L. entledigt sich seiner Aufgabe nach einer kurzen
des^ Werkes zugewiesen. Einführung in fünf Kapiteln. Im ersten stellt er die
Schmuck macht zu Recht darauf aufmerksam, daß Hauptlinien von Ritschls Lutherdeutung dar. „Ritschls
„Onus Ecclesiae", auch wenn es in dem Kapitel, das vorherrschende Haltung gegenüber Luther war eine
der Kritik am Ablaßwesen gewidmet ist, auf Luther Mischung von großem Respekt, ja Verehrung für den
zurückgreift, „durchaus nicht lutherfreundlich" ist religiösen Denker und ernsten Vorbehalten gegenüber
(S. 7). Leider wird das nicht ausführlich nachgewiesen, dem Theologen" (S.31). Demgemäß geht es Ritsehl um
etwa an den Denkstrukturen, die dem Werk zugrunde Wiedereutdeckung und Neuformulierung von Luthers
hegen. Auch erklärt sich die härtere Stellungnahme Einsichten. Zentral ist für ihn die Rechtfertigung als
gegen Luther in der vom Vf. selbst redigierten Ausgabe religiöse Erfahrung, „des Gläubigen eigene beständige
von 1531 nicht nur aus einer Verschärfung der Aus- Erfahrung der Vergebung und Annahme durch Gott"
einaudersetzung. Vielmehr hatte Pürstinger im Jahre (S.35). Die Liebe Gottes, offenbart in Christus und
1519 noch nicht erkannt, daß es Luther nicht nur um dem einzelnen vermittelt durch die Kirche als Gemein-
Abstellung des Mißstands der Ablaßkrämerei ging (vgl. schaft der Gläubigen, also Theozentrismus, Christofe
zu wenig tief gehende Bemerkung Schmucks S. 149, zentrismus und Ekklesiozentrismus, sind kennzeich-
Anm.2: „Niemand hat unermüdlicher vor Luthers nend für Ritschls Theologie. Dagegen haben Gottes Zorn,
Auftreten die Geißel gegen die Ablaßkrämerei ge- eine metaphysische Gotteslehre, die natürliche Theologie
schwungen als..."), sondern daß sich hier ein religiöses und Mystizismus in ihr keinen Platz. - Das zweite Kapi-
Anliegen meldete, das grundsätzliche Anschauungen der tel zeigt im einzelnen, wie Luther für Ritsehl normativ
damaligen Kirche in Frage stellte. Pürstinger mußte von ist, weil er dem urchristüchen Selbst- und Weltver-
■einem Ansatz her die Reformatoren nicht nur wegen ständnis im Licht der Gnade Gottes Ausdruck gab. Un-
lhres Bruchs mit der Tradition und der kirchlichen Ein- trennbar gehören für Ritsehl zusammen das religiöse
heit, wie Schmuck meint, ablehnen. Entsprechend hätte Selbstverstäudnis „oder die persönliche Versicherung
W auch nicht einen isolierten Gedanken, nämlich die des Heils um Christi willen durch den Glauben allein"
AI,|,|,

nung des Ablasses durch Luther, von dessen sonsti- und das religiöse Kirchenverständnis „oder die Gewiß-
gen Anschauungen abtrennen dürfen, ohne ihn zu fehl- heit dessen, der zu der von Gott verordneten universalen
interpretieren. Gemeinschaft Christi gehört" (S.58). Die neue Ich-
Der inhaltlich klaren und - abgesehen vom zuletzt Gott-Beziehung wird aber nach Ritsehl nur verständgenannten
Problem - einleuchtenden Arbeit haften lieb im Licht der neuen Ich-Welt-Beziehung. Das
wenige formale Mängel an. christüche „Lebensideal" ist die „rebgiöse Herrschaft
Nicht alle Schreibfehler lassen sich automatisch über die Welt" (S. 73), die in der im Glauben begründeten
richtigstellen. Muß es S.176, Zeile 3 „alte" statt „alle" christlichen Freiheit und in der Betätigung im Reich
'"'ißen? Gottes besteht. Die Deformation dieser Erkenntnisse
S. 149 wird der Thesenanschlag im Anschluß an findet sich bereits bei (dem älteren) Luther und Melan-
Iw rloh „in den Bereich der Legende verwiesen", chthon (besonders in der Unterscheidung zwischen Ge-
8-1G4, Anm.3 wird dagegen kommentarlos Muschalek setz und Evangeüum), dann in der Orthodoxie (Objektiviert
: „In Luthers 95 Thesen vom 31. Oktober 1517...". vismus, Legaksmus, Individualismus), im Pietismus (Büßender
lteschreibung der bildlichen rwlemischen Dar- kämpf, asketische Weltflucht) und bei Schleiermacher
»tellung der beiden konfessionsverschiedenen Prediger (Vernachlässigung des Reich-Gottes-Gedankens über
u"f 8.868 stünden die Bezeichnungen orthodox und dem Erlösungsgedanken). Dagegen will Ritsehl „Lu-
ketzeriseh htm01 in Anführungsstrichen. thers praktisches Verständnis der Rechtfertigung in
. Leicht zugängliche Texte wären nach den Quellen zu seiner ganzen ursprünglichen Kraft und Fülle entfal-
zitieren (S. 143, Aiim

1 u.ö.). ten" (S.86). - Das dritte Kapitel untersucht kritisch

Die Zitation von Num 11 auf 8.144 ist nicht exakt. Ritschls Unterscheidung zwischen dem „jungen" Luther,

Wi „Zusammenfassung" auf S. 282f erfolgt unter D, zu dem man zurückkehren müsse, und dem „alten' , der

"'cht unter IV. tu verwerfen sei. Sowohl hinsichtlich der für Ritsehl

, , anstößigen Lehre von Gottes Zorn wie der von Gesetz

"""tr*ut Lu,lolphy und Evangelium läßt sie sich nicht aufrechterhalten.

Ritsehl „schreibt zu Unrecht dem alten Luther zu, was

. den ganzen Luther betrifft" (S.lll). Die Gnade würde

**K David W.i HiLrhl and Luther. A Fresh Perspective on ihren Wundercharakter verlieren, wenn der Zorn Gottes

AJbrcchi Kitschig Theology in the Light of Hi« Luther „icht ernst zu nehmen wäre, und das Evangelium seinen

•Study. Nashville-New York: Abingdon Pre« [1»74]. wenn das Gesetz nicht in seiner vollen Strenge

8- «r- 8°- Lw- * «>•«>. gepredigt würde. Allerdings .„Luthers Formel . ist

n Uitschls Lutherdeutung ist bereits von Otto Wolff Gesetz und Evangelium, «J»*^ rfn!»i2££

<J>"■ I.......M yjM-n der neueren Li,,herdeutung. 1938) und gelium" (S. 109). „Der Weg z

Ither von Loewcnich (Luther und der Neuprotestan- sehe Frönnnigke.t ist für iam"d^^^^

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