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Ausgabe:

1975

Spalte:

368-369

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Schmuck, Josef

Titel/Untertitel:

Die Prophetie "Onus Ecclesiae" des Bischofs Berthold Puerstinger 1975

Rezensent:

Ludolphy, Ingetraut

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 5

368

nun möglich sein, weder das Gemeinsame geschichtlicher
Erscheinungen einer Epoche zu übersehen noch in zu
lockerer Verbindung mit den einzelnen geschichtlichen
Vorgängen dem idealistischen Zeitgeist nachzujagen.

Wie hilfreich ist es nun, das Spätmittelalter als ein
Streben nach Heiligkeit, das die ganze Kultur durchdringt
und von vielen bewußt getragen wird, zu beschreiben
? Es ist sicher nicht falsch. Ebenso ist es gut, wenn
bewußt gemacht wird, daß das Spätmittelalter nicht
nur Verfall ist, sondern der Herbst des Mittelalters, der
die Ernte einbringt, und zugleich auch die Wiege mancher
Gedanken, die dann in der Reformation oder auch
erst in der Neuzeit zrnn Tragen kommen. Aber vieles
bleibt zu allgemein, so daß es auch für andere Epochen
zutrifft, was die Teilnehmer selbst gespürt haben. Und
es muß in einer theologischen Zeitschrift auch gefragt
werden, ob sich die Kirchengeschichte mit geistesgeschichtlichen
Umschreibungen und Einteilungen zufrieden
geben kann. Meines Erachtens muß sie ihre Wertmaßstäbe
aus ihrem ureigensten Gegenstand, der Geschichte
der Gemeinde Jesu Christi, gewinnen.

Diese Randbemerkungen lassen erkennen, in welch
eine Zahl von grundsätzlichen Problemen der vorliegende
Band hineinführt und wie dankbar der Leser für das
ist, was hier vor ihm ausgebreitet wird.

Leipzig Hclmar JunRhans

Firsching, Karl: Die deutschen Bearbeitungen der Kilinn«-

legende unter besonderer Berücksichtigung deutscher
Legendarhandschriften des Mittelalters. Würzburg: Schö-
ningh i. Komm. 1973. VIII, 174 S., 17 Taf. 8" = Quellen
und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hoch-
stifts Würzburg, hrsg. v. T. Kramer, XXVI. DM 35,-.

Die deutsche Legendendichtung des späten Mittelalters
birgt noch immer eine Vielzahl von Problemen,
an deren Lösung die Literatur- und Sprachwissenschaft,
die Theologie, wohl auch die Geschichtswissenschaft
und die Soziologie interessiert sind. Die Erforschung der
volkssprachlichen Hagiographie unter jeweils fachspezifischen
Gesichtspunkten könnte helfen, manche
Lücke im Gesamtbild einer Zeit zu schließen, das auch
heute noch unausgefüllt wirkt.

Vf. regt mit seiner im Druck vorliegenden Dissertation
an, Versäumtes nachzuholen, auch wenn er nicht
zu einem zentralen Problem der Legendenforschung vor-
stößt, sondern sich nur in ihrem Vorfeld bewegt. Für ihn
als Würzburger - so darf wohl angenommen werden -
lag es nahe, aus dem Kreis der Heiligenviten die Vita
vom Hl. Kilian, dem Schutzpatron des Bistums Würzburg
, zu wählen und zum Untersuchungsgegenstand
seiner Arbeit zu machen. Illustrationen der Kilianslegende
- Miniaturen und Holzschnitte aus Handschriften
und Drucken sorgen nicht nur für die Veranschaulichung
von Szenen, sondern vermitteln einen Eindruck
vor allem von der künstlerischen Darstellung des Mordes
an Kilian und ihrem Verhältnis zur Erzählung.

Als Ergebnis seiner mühevollen Sucharbeit stellt Vf.
alle erreichbaren deutschen und mittelniederländischen
Legendenbearbeitungen, die im 14. Jh. beginnen, vor
und bietet mit dieser Materialsammlutig und zugleich
-aufbereitung eine solide Grundlage für künftige Forschungen
. Nicht nur die Fülle der T^berlieferungen über-
rascht, sondern auch ihre Verbreitung weit über den
Würzburger Bereich hinaus. Ließen sich ähnliche Beobachtungen
auch an TTbcrlieferungen der vielen anderen
Heiligenlegenden machen, wäre es an der Zeit, den
Stellenwert der religiösen Erbauungsliteratur in dtt
mittelalterlichen deutschen Literaturgeschichte zu überprüfen
und möglicherweise neu zu bestimmen.

Ein Vergleich jeder einzelnen deutsehen Bearbeitung
mit lateinischen und - sofern es sich als notwendig erweist
- deutschen Vorlagen zeigt den Gestaltwnndel
der Kilianslegende über die Jahrhunderte hinweg bis in
die Neuzeit. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn Vf.
in diesen Zusammenhang die von ihm herausgearbeiteten
Umformungen in den historisch-ästhetischen Prozeß
eingeordnet, gattungstheoretische Erörterungen ge-
bracht und die Frage nach der Funktion der Legende im
späten Mittelalter beantwortet hätte. Äußerungen dazu
finden sich zwar gelegentlich, sie überzeugen aber nicht
und sind außerdem anfechtbar. Nun können Themen dieser
Art in einer Arbeit, in deren Zentrum Überlieferungsprobleme
stehen, begreiflicherweise nicht erschöpfend
behandelt werden, wohl aber wäre vom Vf. zu erwarten
gewesen, daß er die Kilianslegende zumindest in Beziehung
zu den anderen Legenden vom Typ der Missionarslegende
gesetzt und sie vor dem Hintergrund des
mittelalterlichen deutschen Schrifttums sowie der
Kirchen- und Profanhistorie betrachtet hätte. Das
Zurückbleiben hinter diesen Wünschen und Erwartungen
ist allenfalls entschuldbar; kaum zu verzeihen ist
aber, daß er so wenig Sorgfalt auf den sprachlichen Ausdruck
verwendet hat. Er verdichtet manche seiner
Sätze derart, daß er dabei die Kontrolle über ihren Bau
verliert und seine Aussagen infolgedessen nicht nur
unverständlich werden, sondern mitunter geradezu grotesk
wirken (z.B. auf S.l, 14, 17, 18, 20, 21, 23, 20, 35,
36, 64u.ö.).Die im ganzen anzuerkennende wissenschaftliche
Leistung des Vf.s wird dadurch leider etwas überschattet
.

Halln/Saalo Brigitta Srlirpyer-Kochmniin

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Srhmurk. Jowfi Die Prophrtie „Onus Fech-sine" de« Bischofs
Berthold Pürstinger. Religiöse Kritik der Zustände in
Kirche und Welt aus den ersten Jahren der Roformntinns-
zeit. Wien: Verband der wissenschaftlichen flcscllseliaft'"
Österreichs, Verlar 1973. XVII. 2H3 S.8" Dissertationen
der Universität Graz, 22. ö. S. 120.-, DM 21.50.

Das lateinisch abgefaßte Werk „Die Bürde der Kirche
", das der deutsch geschriebenen ,.Reformatio Sigi"*
mundi" ebenbürtig ist, entstand im Jahn 1519. Schmuck
kann es noch genauer zwischen dem Tode Kaiser Maximilians
und der Wahl Karls V. datieren. Erschienen ist cfl
1524 zum ersten Male. Wir lassen uns überzeugen, daß
der nicht genannte Verfasser Berthold Pürstinger, Bischof
von Chiemsee, war.

Die prophetische Kritik „Onus Ecclesiae" war cW
Arbeit eines Mannes, der selbst an den Zuständen ieiB*J
Zeit litt und mit Sorge der Zukunft entgegensah, nicht
nur in religiöser, sondern auch in politischer und •OB**"
Hinsieht. Aus tiefem Venmtwortuinjsbe\ußtsein heran*
verlangte er dringend die Reform der Kirche an B»"P
und Gliedern. Selbstverständlich legte er seiner Analy**'
und seinem Programm die Bibel, besonders die >'""
testamentlichen Propheten und die Apokalypse
Johannes zugrunde. Darüber hinaus war er stark becin'
flußt von den Ideen Joachims von Fiorc, bezog sich nl"'r
häufig auf die Birgitta von Schweden und Kathnrif"1
von Siena. Er war mit'weiterer einschlägiger Liter»**
seiner Zeit und der vergangenen"Jahrhunderte ver
traut.

Schmin k referiert und interpretier! die Kritik x"

„Onus Ficeleniae" am Klerus, den Laien und am AI»1" '