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Ausgabe:

1975

Spalte:

364-367

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

The pursuit of holiness in late medieval and renaissance religion 1975

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1075 Nr. r>

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Beben Reaktionen des Christentums bezogen sieb kaum
auf diesen Vorgang der Integration als religio lieita,
vielmehr auf den Anspruch der Kaiser, bei theologischen
Auseinandersetzungen zu intervenieren (Kritik
etwa von Seiten der Donatisten). Die Identifikation von
Glauben und Religion im spätantiken Christentum wird
rechtlieh 380 perfekt, als das christliche Bekenntnis, genauer
das Trinitätsdogma, von Theodosius dem Großen
zur lex gemacht wird (nach St. ein „schwerwiegendes
Mißverständnis des Christlichen" S. 103). Die Identität
von Christentum und Religion im theologischen Bereich
wird deutlich in Augustins „De Vera religione"; in den
retractationes erscheint die Sache auf einen kurzen
Nenner gebracht: „Die gleiche Sache, die jetzt christiana
religio heißt, war auch bei den Alten vorhanden" (I 13).
Die dieser Auffassung entsprechende Religiosität konkretisiert
sich u.a. in materialistisch-magischen Mißverständnissen
christlieber Heilstatsaeben (Wirkung des
Kreuzzeichens; Wunder an Märtyrermemorien), in
Missionspraktiken der Spätantike (Übernahme heidnischer
Tempel), vor allem aber im verchristlichten
Romgedanken, einer Synthese „christlichen Glaubens
mit einem kultisch-politischen Komplex antiker Religiosität
" (S. 119), die bis heute weite Teile des Christentums
entscheidend prägt.

Zu der historischen Skizze St.s selbst ist keine wesentliche
Kritik anzumelden. Sie ist vielmehr, was den behandelten
Zeitraum betrifft, gegenüber einer dualistisch
zwischen Glauben und Religion scheidenden Sicht der
Dinge als Korrektiv zu begrüßen. St. demonstriert
überzeugend, wie wenig die unumgängliche Objektivierung
des Glaubens von den jeweils vorgegebenen
religiös-philosophischen Kategorien und politischen Dimensionen
zu scheiden ist. Ansprechend ist auch die kritische
Tendenz, die zeigt, „wie auch religiöse Strukturen
eine zeitgebundene Dimension aufweisen und darum
auch nicht unter dem Vorwand theologischer Qualität
der Diskussion entzogen werden sollten" (S. 122). Nicht
zuletzt wird deutlich, daß „die Gläubigen der Frühzeit
sich den Problemen ihrer Zeit stellten und selbst problematische
Lösungen anerkannten" (ebd.). Allerdings
ist der Rez. gerade aus diesem geschichtlichen Bewußtsein
heraus d«T Meinung, daß die moderne Fragestellung
nach dem Verhältnis von Glauben und Religion „keineswegs
identisch" ist „mit jener der Frühzeit" (S.17), da
Objektivierung des Glaubens heute in einer Umwelt aufgegeben
ist, die am wenigsten durch eine gemeinsame
„Offenbarungsgläubigkeit" gekennzeichnet ist, als vielmehr
durch einen Atbeismus, der religiöser Züge durchaus
nicht entbehrt. (Schon der eingangs fS. 91 von St.
als Religionskritiker erwähnte Philosoph und Soziologe
Auguste Comte ff 1857] bildete detailliert eine „positive
Religion" aus, die theoretisch alles, was nur an
„atheistischer Religion" möglich ist, vorwegnimmt.)
Gerade nicht die Negation jeglicher Religion in der
Moderne, sondern die Position und praktische Installation
von Religion als Mechanismus illusionierendei
Selbstbetätigung und -errettung ist heute nach Meinung
des Rez. auslösendes Moment für das stets gebotene
Projekt eines „religionslosen Christentums". Insofern
sieht St. zu Recht in der Reformation die Vorarbeit für
die moderne Antithese von Glauben und Religion (vgl.
S.14).

HalWHaali- Hrrmnnn (JolU

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Trinkau«, Charles, and Heiko A. Oberman [Ed.]: The Pnr-
siiit of HolineKg in Laie Medieval and Renaissance Religion.

Papcrs from the University of Michigan Conference. Leiden:
Brill 1074. XXII, 500 S. gr. 8" = Studios in Medieval and
Reformation Thought, ed. by U.A.Oberman, X. Lw. hfl.
75,-.

Vom 20. bis 22. April 1972 versammelten sieb in Michigan
57 Forscher, die sich mit dem Spätmittelalter und
der Renaissance beschäftigten. Sie gehörten den Fachrichtungen
Geschichte (33 - darunter nur 2 Kirche n-
geschichtler), Literatur (6), Philosophie (3), Religion (I),
Kunstgeschichte (6) und Musikgeschichte (6) an. Hinzu
kamen noch 2 Vertreter des Pontifical Institute of Me-
diaeval Studies in Toronto. Fast alle Teilnehmer kamen
aus Nordamerika. Der Gegenstand der Tagung war du«
„Streben nach Heiligkeit in der Religion des Mittelalters
und der Renaissance". Dabei ging es nicht vor
allem um die Frömmigkeitsübungen dieser Zeit, also um
den Vollzug der Heiligung des einzelnen Christen, sondern
um den Versuch, das Zeitalter des Spätmittelalter.s
und der Renaissance damit zu umschreiben. Vorgelegt
wird kein Protokollband, Rondern ein Sammelband, der
im wesentlichen die für die Konferenz vorbereiteten
Aufsätze und Entgegnungen enthält. Behandelt werden
drei Komplexe: Theologien des Bpäten Mittelalten
(3-137), Laienfrömmigkeit und Jugendkult (141-330)
sowie Humanismus und die Künste, (339-502). Die Beiträge
unterrichten gut über den Forsebungsstand, bieten
neue Untersuchungen, mühen sich um die Einheit des
Spätmittelalters und ziehen Verbindungslinien zwischen
einzelnen Strömungen bis zu den Reformatoren. Es ist
unmöglich, die Vielfalt der Informationen und Interpretationen
auch nur anzudeuten. Daher soll nur kurz
über die Gesamtcharakterisierung des Spätmittelalters
berichtet und auf einige der damit verbundenen Probleme
hingewiesen werden.

Das Spätmittelalter ist, von der römisch-katholischen
Forschung vom Hochmittehilter und von der evangelischen
Forschung von der Reformation her beurteilt
worden und hat dabei viele negative Beurteilungen erfahren
, so daß es schließlich einseitig als Verfallszeit,
betrachtet wurde. Die Forschung der letzten 50 Jahre
bat gezeigt, daß dieses Urteil zu verallgemeinernd und
oft unzutreffend war. Wir verfügen heute über eine
ganze Anzahl guter Einzelerkenntnisse dieser Periode, so
(laß sich die Frage erhebt, wie aufgrund dieser Einsichten
das Spät mittelalter charakterisiert werden soll. Ein«'
Antwort ist notwendig, weil das Einzelwissen der verschiedenen
Forschungen sonst unverbunden bleibt und
es außerdem schwer lehr- und lernbar ist.

Heiko A.Oberman unterzieht, sich dieser Aufgab''
(3-25), indem er das spätmittelalterliche Denken V%
Geburtswehen der Neuzeit deutet. Er ist sich dabei bewußt
, daß die Gefahr besteht, daß die eigene Zeit zui»
Maßstab für die vergangene wird. Er verwirft die G<"
schichtseinteilung in Antike, Mittelalter und Neu/eil
und tibernimmt die Aufteilung der Quehichte in vor-
modeme, moderne und Zeitgeschichte. Das Spätmittelalter
setzt er für die Zeit von 1360 bis 1550 an und b^
vor allem Wert auf die „Wiegontheorie", nach der jed<"
Zeit die Wiege für die nachfolgende ist, wobei er den
Blick auf einige Modelle modernen Lebens und Denkens
richten will, nicht auf ihre TTrsnchen. Der geschieht Ii' '"'
Zusammenhang wird also nicht mit einbezogen. A-UB*'
dem beschränken sich die Ausführungen auf das Stiel" "
der npitmittekltertichen Geisteageachiehte in der

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