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Ausgabe:

1975

Spalte:

359-361

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Zeller, Dieter

Titel/Untertitel:

Juden und Heiden in der Mission des Paulus 1975

Rezensent:

Luz, Ulrich

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359

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 5

360

meldet sich in solcher Breite und der damit gegebenen
Unscharfe ein gewisser Nachholebedarf; man kann
Ähnliches auch sonst in katholischer Paulus-Literatur
beobachten.

Die Lösung des Problems, das durch das Nebeneinander
von Heilszusage an die Christen und Aufruf zu
rechtem Tun bei Paulus gestellt ist, die L. vorträgt, geht
keine neuen Wege (vgl. oben das Zitat aus S.49). Auffällig
ist freilich, wie deutlich L. die Bedeutung des Gerichts
für die Paränese bei Paulus hervorhebt, wodurch
eine gewisse Heilsungewißheit auch für die Christen
zum Ausdruck gebracht werde (S. 64ff; vgl. auch
S. 162f2). L. findet das in I Thess 4,6b ausgesprochen,
womit die Aussage indessen überinterpretiert sein
dürfte. Ähnlich überinterpretiert scheint I Thess 4,8b zu
sein, wenn dazu gesagt wird: „Das Pneuma ist nach

I Thess 4,8 die treibende Kraft zur Heiligung" (S. 61).
Hier - wie auch sonst - wird zu schnell ein Begriff oder
eine Vorstellung in den Gesamtzusammenhang der pau-
linischen Theologie, wie er aus den übrigen Paulus-Briefen
erhoben worden ist, eingestellt und damit die im
behandelten Text vorliegende Einzelaussage eingeebnet.
Auch das bringt in die ganze Darstellung etwas unscharfes
, vermutlich nicht ganz ohne inneren Zusammenhang
mit der bereits genannten, etwas anders bedingten Un-
schärfe.

Der in der Einleitung genannte Auagangspunkt der
Untersuchung macht sich in der Beurteilung der inhaltlichen
Weisungen geltend, die Paulus seiner Gemeinde
gibt. L. ist geneigt, sie als „sozial-konservativ" zu bezeichnen
(S. 177), während der eschatologische Glaube
für Paulus vorwiegend Motiv sei (S. 174). Damit dürften
aber weder die historischen noch gar die theologischen
Voraussetzungen der inhaltlichen Weisungen des Paulus
erfaßt sein. Richtig zeigt L. S.185ff; 192ff die enge inhaltliche
Berührung der paulinischen Paränese mit der
des Judentums seiner Umwelt auf. Diese Berührung ist
Paulus zweifellos bewußt gewesen. Will man die theologische
Bedeutung des Inhalts der paulinischen Paränese
erfassen, dann muß man von diesem Tatbestand
ausgehen und also auf die bleibende Bedeutung (aber
auch die neue Stellung) der Thora in der Theologie des
Paulus reflektieren, freilich der ausgelegten und gleichsam
angewandten Thora. Erst von daher ist dann auch
ein sachgemäßes historisches Urteil zu fällen; dabei sollte
bedacht werden, daß wenigstens die heidenchristlichen
Glieder der Gemeinde in sehr harter Weise durch ihre
Aufnahme in die Gemeinde aus den sozialen Bindungen
herausgerissen wurden, in denen sie zuvor lebten!

Das Buch hat durch seine Anlage den Vorteil, in alle
wichtigen Fragen des I Thess (und auch in solche des

II Thess) einzuführen. Da es gründlich und unter breiter
Auswertung der Literatur gearbeitet ist3, ist es dafür
sehr gut geeignet. Ebenso gibt es eine gute Problemstellung
für den Bereich der paulinischen Ethik.

Halle/Saale Trangott Holt/.

1 Vgl. ThI.Z 9S, 1973, 430-432.

* H. 183 nben muß eit wohl amiißin heißen.

I Zu S.1S7 A.88 u. 37: PaPhokyl lat neu herauagegehen von T). Young.
Theognla (Itlbl. Teubn.), 1081; lu TcatXIIPatr lat die Auagabe von M. <le
Jonge, 1964, mit heranzuziehen.

Zrller, Dieter: Juden und Hriden in der Miaainn dea Paulua.

Studien zum Römerbrief. Stuttgart: Kath. Bibclwrrk
[1973]. 312 S. gr. 8° •= Forschung zur Bibel, 1. DM 32,-.

D.Zeller gibt in seiner hier vorgelegten Freiburger
Diasertation ein hervorragendes Zeugnis exegetischen
Könnens und auch ftxegPtltohei Vorsicht und Zurück

haltung. Sein Ziel ist die Untersuchung des Stellenwertes
heilsgeschichtlicher Elemente im Denken des
Paulus. Da er systematisierende und unpaulinische Begriffe
wie „Heilsgeschichte" oder „Geschichtsverständnis
" vermeiden möchte, spitzt er die Frage zu auf die
Rolle der Heiden und der Heidenmission im paulinischen
Denken. Im entschlossenen Willen zur Vermeidung
aller systematisierenden Überdeutungen des Paulus
, sei es heilsgeschichtlicher, existentialer, eschatolo-
gisch-proleptischer oder barthianischer1 Färbung liegt
m.E. der Wert dieser Arbeit.

In einem ersten Kapitel (S. 38-77) wird Anlaß und
Ziel des Römerbriefes anhand einer Analyse von R.
1,1-17 und 15,14-33 besprochen. Ergebnis: Paulus will
die römische Gemeinde zum aktiven Mittragen seiner
Heidenmission in Spanien mobilisieren und in Rom eine
„Basis" für seine Missionstätigkeit errichten. Unbefriedigend
an dieser weder neuen noch falschen Auskunft
bleibt das Fehlen einer Antwort auf die Frage, ob R.
1,18-15,13 für diesen Zweck nicht einen unverhältnismäßig
langen Umweg darstellen. Die verschiedenen
andern zu dieser Frage geäußerten Thesen scheinen mir
mit Zellers These noch nicht erledigt. Das zweite Kapitel
(S. 79-137) untersucht die Frage nach dem Verständnis
von tiayyiXla bei Paulus und nach den Adressaten
der Verheißung. An einigen Stellen nimmt Paulus bewußt
traditionellen Sprachgebrauch auf und bestimmt.
Israel als Adressaten der Verheißung (R. 9,4; 15,8,
vgl. 3,1 f.). Gal.3 und bis zu einem gewissen Grad auch
R.4 wird aber der Verheißungsträger Abraham von der
Geschichte Israels und vom Gesetz gelöst. Daß Abraham
dem jüdischen Gesprächspartner als Stammvater
Israels „konzediert" (S. 105) wird, hat seinen Grund in
der Selbigkeit Gottes, der immer schon dem Menschen
bedingungslos das Heil anbot (S. 106). Die drei Kapitel
R. 9-11 können nur in dialektischer Abfolge hintereinander
gelesen werden (135); sie zeigen, daß Israel mehr
ist als ein bloßes Beispiel (137), sondern bleibender Ort
von Gottes Verheißungen, an dem sich die Zukunfts-
träehtigkeit und Macht des Evangeliums zeigt. Aber sie
realisieren sieh nirgendwo anders als im und durch das
Evangelium.

Das folgende dritte Kapitel (S. 133-201) untersucht
die Stellen, wo von einem Prae der Juden, das mit der
Universalität und der Bedingungslosig^keit des Evangeliums
in Konflikt treten könnte, die Rede ist: R-
1,16f.; 2,9f. zusammen mit 3,21-^30 und 9,30ff. Der Vorrang
des Juden wird vom Gesetz getrennt und Israels
aktive Vermittlerrolle in beztig auf «las Heil ist zu
Ende. Im Ausdruck foxntoavvr, »top, dem der Vf. einen
längeren Exkurs widmet (seine große Klarheit wird
lediglich dadurch getrübt, daß wieder einmal mehr aru
Lateinischen erhobene Genetivklassifikntionen auf se;
mitische Sprachidiome angewandt werden), fehlt bei
Paulus das Moment der Beschränkung auf den nur mW
Israel geschlossenen Bund; Skepus von R. 3,21 ff- V*
gerade das Universalistische (V.22f.). Lesenswert an diesem
Exkurs sind m.E. besonders die Ausführungen über
den traditionellen Charakter von A—iM^rn, itixnuxrifrj &coii
und ihxittnrn^itt (S. 167ff.), weil sie Stuhlmachers Eng-
führung auf die „Formel" tmmtttn :hmi vermeiden.

Das vierte und fünfte Kapitel beschäftigen sich IB»*
der heilsgeschichtlichen Verankerung der Heidenmissio"
in Gegenwart (S.203-236) und Zukunft (S.238 289)-
Wichtig ist Zcller, daß Paulus nur ganz selten den»
Schicksal Israels direkte Relevanz für das Heilder Mrl"
den zuschreibt: R. 9,22f. besteht keine ursächlich'' »**"
bindung zwischen den Gefäßen des Unheils und d<'
Heils, auch R. 11,11 ff. hat die traditionelle Abhängig''1.,
des Heils der Heiden von Israel nur „Dienstfunkti''"
(S.213). R.15,19ff. ha!..... Jerusalem und die W