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Ausgabe:

1975

Spalte:

343-345

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmitt, Hans-Christoph

Titel/Untertitel:

Elisa 1975

Rezensent:

Reventlow, Henning

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343

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 5

3.11

ALTES TESTAMENT

Schmitt, Hans-Christoph: Elisa. Traditionsgeschichtlichc
Untersuchungen zur vorklassischen nordisraelitischen Pro-
phetie. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G.Mohn [1972].
252 S. 8°. Kart. DM 48,-.

Nachdem die Elia-Erzählungen in jüngster Zeit mehrfach
eingehender untersucht wurden (u.a. von G.Führer
und 0. H. Steck), füllt die hier vorgelegte Analyse der
Elisa-Traditionen eine offensichtliche Lücke, zumal die
in Frage kommenden Teile der Königsbücher in deutschsprachigen
wissenschaftlichen Kommentaren seit langem
nicht mehr behandelt worden sind.

Die aus der Marburger Dissertation eines Schülers von
O.Kaiser hervorgegangene Arbeit ist in Aufbau und
Methode eine typische literarkritische Untersuchung.
Ihr eigentliches Anliegen richtet sich in allen behandelten
Abschnitten darauf, von einer alten, aus mündlicher
Tradition stammenden, wieder in mehrere Erzählungskreise
unterschiedlicher Art, die als „Sage" (S.51f.),
„Geschichtserzählung" (S.29) u.ä. gekennzeichnet werden
, zerfallenden Grundlage eine Reihe von Bearbeitungen
abzuheben, sie in eine zeitliche Abfolge einzuordnen
, an charakteristischen innerhalb der Zusätze
durch mehrere Erzählungsstücke hindurch wiederkehrenden
Termini und inhaltlichen Eigenheiten kenntliche
durchlaufende Ergänzungsschichten festzustellen
und für diese jeweils eine möglichst genaue Entstehungszeit
zu bestimmen. Die so geartete Analyse umfaßt rund
zwei Drittel der eigentlichen Untersuchung (erster Teil:
S. 15-138). Auch der zweite Teil, „Traditionskritik"
überschrieben (S. 139-190), geht grundsätzlich von dem
gleichen Interesse aus, denn hier wird nun versucht, jeweils
die Fakten, Umstände und Zustände zu ermitteln,
die sich innerhalb der ältesten Erzählungsstufe und in
den späteren Bearbeitungen als historisch zutreffende
Angaben feststellen lassen, aus denen sich ein Resultat
gewinnen läßt, das als „Der historische Elisa" zusammengefaßt
werden kann (S. 189f.). Dies alles ist mit
großem Scharfsinn und Akribie, reichhaltiger Zitierung
der einschlägigen Literatur und bis in kleinste Einzelbeobachtungen
hineingehender Detailarbeit durchgeführt
. Am Ende jedes Abschnittes und dann noch eirt-
mal am Schluß des ganzen ersten Teiles (S. 137f.) stehende
Zusammenfassungen ermöglichen einen klaren
Überblick über die Ergebnisse, deren Werdegang man
allerdings nur durch genaue Textbegleitung mitvollziehen
kann.

Im einzelnen werden folgende älteste Erzählungskomplexe
unterschieden: 1. Die Geschichtserzählung
von der Revolution Jehus, 2 Kön 9,1-10,27* (S.19-31;
Übersetzung mit Angabe der Bearbeitungsschichten im
Anhang, S. 224-234). Sie stammt aus der Zeit der ersten
Könige der Jehu-Dynastie (S.30) und ist im wesentlichen
historisch zuverlässig. Dtr. Zusätze sind alle Hinweise
auf prophetische Weissagungen (9,7-10a.36f.;
10,10f.l7a/?b - zu 9,25f. s.u.), so daß Eli sa hier keinen
ursprünglichen Platz hat. Außerdem werden eine „annalistische
" (9,14.15a.28f.) und eine apologetische (10.19b.
23; 9,25f.) Bearbeitung festgestellt. 2. Die Kriegserzäh-
lungensammlung mit den vier ursprünglichen Stücken
a) 1 Kön 20,1-12.21.26-27.29-34; b) 22,1 a.2-4.29-35ba.
36; c) 2 Kön 3,4a.20-27; d) 24,25a/?b-26.28-30; 7,3-16.
Sie gehören in die 1. Hälfte des 8. Jh.s und stammen teils
aus dem Nord-, teils aus dem Südreich (S. 51-67). Ihre
mit einer durchgehenden Prophetenbearbeitung (1 Kön
20,22-25.28 ; 22,1 b.5-9.13-18.26-28a; 2 Kön 3,9-b-12.
14-19; 6,27.31-7,1) verbundene Sammlung bat erst in
exilisch-nachexilischer Zeit stattgefunden (8.68-71).
3. Die eigentlichen Elisaerzählungen. Hier werden zwei

Sammlungen: a) die Wundergeschichteusammlung,
2 Kön 4,laa/3.b-7; 4,8-17ba.l8-27bß. 28-33a.34-37;
4,38-41; 6,1-7; 6,8-15a.l8aa*.19.21-23a; 8,l-2aa.
2b-4a*.b-6 (S.89-101), aus der Frühzeit Jerobeam« II
(S. 109), b) die Sukzessorsammlung, die Elisa mit Elia
zusammenbringt, 1 Kön 19,19*-21; 2 Kön 2,1 b.7-11 a.
12af)-14*.15*.18a/9; 2,19-21*.22a.23.24* (S. 102 107),
aus dem Südreich im 7. Jahrhundert (S. 109-119) unterschieden
. Eine Jahwebearbeitung, die beide Sammlungen
vereinigte (S.77.101): 2 Kön 2,2-6; Zusätze in 14.15.
22b.25a; - 4,lay^.l7b/S.27byd.33b; 6,15b-17.18*.20
und die spätere Redaktion, die beide zusammen in die
Königsbücher einfügte („Gottesmannbearbeitung") werden
in das 6. (S.127) bzw. 5. Jahrhundert (S.128) datiert
. Außerhalb der Sammlungen stehen die recht alten
(S. 107f.) Aramäerzählungen, 2 Kön 5,1 aa.b-5a.ba*.
6-8aa*.a/?-llb/9V14a/?b; 8,7-9aa*. b-lla. 13b-15;
13,14*-17 (S.77-89); sie wurden ebenfall« durch die
„Gottesmannbearbeitung" in nachdeuteronomistischer
Zeit eingefügt (S.85-89). - Ein Exkurs (S. 119-126)
wendet sich gegen die Frühdatierung der Elia-Erzählungen
und schlägt für 1 Kön 17-19 eine Ansetzung nach
587 vor.

Nach den historischen Überlegungen des zweiten Teils
war Elisa an der Jehurevolution beteiligt (S. 139-149),
aber allein wegen ihrer radikal jahwistischen Ziele,
nicht wegen eines charismatischen Königsideals, das
auch im Nordreich nicht bestanden hat. Man wird die
gegen Alt gerichteten (früher schon von Buccellati
geäußerten) Argumente, daß auch im Nordreich durchaus
ein dynastisches Königtum intendiert war, für
sehr beachtlich ansehen dürfen. Allerdings zeigt z.B.
Jes 7,10-17, daß Dynastiebildung und charismatisch
verstandenes Königsamt durchaus kein Gegensatz sein
müssen. Innerhalb der Wundergeschichtensammlung
haben nur die Gilgalerzählungen, 4,1-7*; 4,38-41*;
6,1-7* mit Elisa zu tun (S. 153-158), auR denen sich (zusammen
mit 1 Sam 19,18 20,1) interessante Angaben
über (bis Leben der IVoplieteiigenieinscliaften am Oilgnl
gewinnen lassen (S. 162-172). Bemerkenswert ist besonders
, daß in dieser alten Zeit magische Funktionen
der Propheten fast wichtiger als mantische waren. Während
sich aus den Aramäcrerzählungen, 2 Kön 5,1 14*;
13,14-17* nur allgemeine Hinweise auf Elisas Haus in
Samaria und seinen Sterbeort am Gilgal gewinnen lassen,
ist seine Beteiligung bei der Usurpation Hasaels
(8,7-15) unhistorisch. Desgleichen die später in den Suk-
zessor-Geschichten gezogene Verbindung zu Elia. Zutreffend
ist wohl nur noch die in jüngerer Tradition bewahrte
Angabe seines Heimatortes Abcl-Mehola (1 Kön
19,16).

An der in vieler Hinsicht anregenden Arbeit wird man
nur ihre einseitige Methodik bedauern, die von den Mitteln
,|rr Stilistik und Sprachstruktunuialysc keinen («'"'
brauch macht und im übrigen weitgehend in literari
sehen Quellen denkt. Dadurch bleibt gerade das Hihi <i,,r
alten Erzählungen als Erzählungen ziemlich blaß und
die Traditionsgesetze der mündlichen Überlieferung"'
stufe unberücksichtigt. Das wiederum erweckt Zwcib'l
an den Maßstäben für die Datierung der als relativ
jünger beurteilten Einheiten, aus denen wohl die einzelnen
Motive historisch-vergleichend geprüft werden,
nicht jedoch der erzählerische Aufbau in seiner He/.t'"
hung zu möglichen volkstümlichen Ursprüngen in den
Blick kommt (Beispiel: die Entrückungsvorstcllung
2 Kön 2,1-15 begegnet nur noch in Gen 5,24, d.h.
Toledotbuch, d.h. Herkunft aus JerusaUmer Priesterkreisen
!, S. 111). Besonders gilt das für die Maßstäbe, di<"
zu einer exilisch-nachexilischen Ansetzung bestimmt"
Schichten führen: z.B. Darstellung historischer Ereig'
nisse als Erfüllung prophetischer Vorhersagen: ,.''in<