Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1975

Spalte:

309-310

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Hempel, Johannes

Titel/Untertitel:

Die Vergegenwärtigung des Wortes 1975

Rezensent:

Kuske, Martin

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

309

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 4

310

lieh am stärksten zu Wort kommt, ist Professor der Psych- Dabei beginnt der „I. Teil: Überlegungen" (7—20) sehr
iatrie, die in den USA zugleich (analytische) Psycho- hoffnungsvoll. H. möchte einen homiletischen Aspekt
therapie in sich schließt. Beide führten 1965 ein gemein- entfalten, „der u. E. ... bisher ... nicht deutlich, nicht
sames Seminar mit Gemeindepfarrern durch, bei dem pointiert genug erörtert wurde" : „Die Vergegenwärti-
Falldarstellungen aus der pastoralen Praxis im Mittel- gung des Wortes", „also jene besondere Etappe bei der
Punkt standen. „Ihre Themen sind pathologische Er- Erarbeitung christlicher Verkündigung ..., durch die die
scheinungen der Trauer, Ängste und Depressionen, exegetisch erhobene und meditativ verarbeitete Botschaft
Selbstmordgefährdung, Eheschwierigkeiten, Erziehungs- eines biblischen Abschnittes in die eigentliche Verkündi-
probleme usw." (15). gung überführt wird" (7). Diese Etappe ist wirklich wich-
Aldrich setzt zunächst mit einer allgemeinen „Einlei- tig! Und H. sieht mit Recht, „daß es sich hierbei nicht nur
tung in die Persönlichkeitsentwicklung" ein, die bei aller um eine Form-, eine Methodenfrage, sondern um eine
Kürze doch einen guten Überblick über die psychogene- Sachfrage handelt" (10). Beides gilt: „Christliche Ver-
tischen Probleme der einzelnen Lebensaltersstufen ver- kündigung ist und bleibt in unserem Sinne Verkündi-
mittelt und u. a. auf die Fragen nach dem Gewissen, der gung der biblischen Botschaft", und „die biblischen Texte
Trauer, Schuld und Scham sowie der Depression eingeht. • • ■ können nicht einfach als Verkündigung für alle Zeiten
Trauer und Depression stellt er — auch bei den Fallbe- gelten, die ... nur ... der Rezitation bedürfen, um Versprechungen
— absichtlich in den Vordergrund, weil ge- kündigung für u n s zu sein" (11 f.). Darum ist es Aufrade
der Seelsorger mit ihnen häufig zu tun hat. Es fol- gäbe des Verkündigers, zu „konkretisieren", d. h., „am
gen dann fünf ausführliche Fallberichte und im letzten anschaubaren Detail oder am überschaubaren Einzelvor-
Abschnitt drei kürzere, die jeweils von den betreuenden gang" aufzuweisen (8), „w a s heute Gericht, Liebe, neues
Pfarrern selbst dargestellt werden. Daran schließt sich Leben usw. bedeuten" (12).

das Gespräch des Psychiaters mit dem Berichterstatter Mit Recht unterstreicht H. im letzten Zitat das „Was",
und den anderen Seminarteilnehmern über drn konkre- Um aber seinem Thema gerecht werden zu können, hätte
ten Fall an. An zwei Stellen findet auch ein „Gespieltes er ebenso das „Heute" unterstreichen müssen. Er unterGespräch
" statt, bei dem der Pastor die Rolle des Patien- läßt es weitgehend. Im I. Teil sind noch einige Reflexio-
ten und der Arzt die des Beraters übernimmt. Durch die nen über das Heute zu finden, z. B. „Säkularisierung als
Wiedergabe des Gesprächsteils bekommt der Leser die Nötigung zur Konkretisierung" (9f.), während sie im
Möglichkeit lebendiger Anschauung und Einfühlung hin- Teil: Modelle" (21-64) fehlen. Dabei kann man auf
sichtlich der praktischen Situationen bzw. der Beratung Grund einer Vorbemerkung H.s - diese Textauslegun-
und Hilfe. gen sind „samt und sonders vor einem größeren Hörer-
Auch methodische Grundsatzfragen werden anhand kreis" gehalten, „der im wesentlichen aus .Randsiedlern'
der Fälle hier und da angesprochen, z. B. das Für und bzw. NichtChristen bestand" (20) - erwarten, daß gerade
Wider der indirekten Gesprächsführung - Aldrich geht hier das „Heute" berücksichtigt wird,
mehr direktiv vor -, die Schwierigkeit der Überweisung In seinem Aufsatz von 1970 weiß H., daß „es schwierig
von Gemeindegliedern an den Psychiater, der Umgang geworden ist, eine direkte Beziehung zwischen Gott und
mit Geisteskranken, die Chance der Gruppenseelsorge dem einzelnen verständlich zu machen" (ZdZ 24,5). In
usw. Theologische Erörterungen im rein verbalen Sinne seiner Auslegung von 1 Mose 3,1-13 (21-28) mutet er seitreten
relativ selten auf (etwa zum Thema Vergebung nen Hörern auf 7'/2 Seiten knapp 60mal das Wort „Gott"
°der zur Frage „Warum hat Gott mir das angetan?"). zu. Nicht, daß wir es Nichtchristen nicht zumuten sollen,
Trotzdem bleiben die Gespräche immer am Seelsorger- aber hier wird zu selbstverständlich von Gott geredet,
liehen Auftrag des Pfarrers orientiert, der freilich als Oder waren H.s Hörer doch gar nicht so nichtchristlich?
umfassende Lebenshilfe verstanden wird. Obwohl diese Seine „Modelle sind weithin auf das Erreichen des einZusammenarbeit
zwischen pastoraler und psychiatri- zelnen Hörers ausgerichtet, sind insofern individualisier
Beratung in einem anderen gesellschaftlichen Rah- stisch geprägt" (20). Warum nicht, wenn man weiß, was
men erfolgt, kann auch für die kirchliche Seelsorge und man tut? Aber muß man nicht, gerade wenn man den
die entsprechende Ausbildung in der DDR manches einzelnen erreichen will, seine Prägung durch die Ge-
ubernommen werden. Denn es geht letztlich, wie Becher meinschaftsbezüge stärker berücksichtigen? Den ,.Mo-
ir> seiner Einführung mit Recht schreibt, um „Konflikte, dellen" fehlt der Mut zur Konkretisierung. „Konkreti-
w'e sie jedem Menschen in seinem Mitmenschen oder in sieren heißt u. a. spezialisieren", auch auf die „Gefahr
8ich selber begegnen können (16)". der Vereinseitigung" hin (19). War H. zu sehr von dieser

Gefahr gebannt?

Corrigenda: Einige ärgerliche orthographische Fehler, die Es ist zu begrüßen, wenn in einer homiletischen Mono-

v!mQroB" bzw- Kleinschreibung von .sie" oder den Unterachled eraühie eine Probe aufs Exempel gegeben wird, auch

. "> „(laß" und .das- betreffen, finden sich auf den Selten 103, .. __,, „ „,, . . - —

Ift «1, 14«. - s. 182 muß es „regredl" heißen, und bei der Er- wenn diese - wie so oft, so u. E. auch im voi liegenden

'»ning der „Übertragung", s. 15J, dürfte Im L Satz neben einer pa\ _ negativ ausfällt. Trotzdem möchten wir sagen,

. *unK m- E- auch ein sachlicher Fehler unterlaufen sein . __.-. —. ■ „..„„■ icr norm

«Verhältnis von Identifikation und Projektion). daß damit noch nichts gegen die Theorie gesagt ist. Denn

„ _ H.s Theorie ist praktizierbar, mehr die seines Aufsatzes

"0dt Ernst-Rüdiger K1«k>w ^ ^ vor,jegende aber sje ^ praktizierbar! So gesehen

gehört er zu denen, „die Neues versuchen, erproben, einführen
, obwohl dieses Neue auch wieder seine Ecken und

"«rnpcl, Johannes: Die Vergegenwärtigum: des Worte«. Kanten haben wird" (58, in der Auslegung von Hebr 11.

Zur Frage der Konkretisierung christlicher Verkündi- 1-3.8-10).

gung. Berlin: Evang. Verlagsanstalt, u. Stuttgart: Cal- 0nad«u Martln Kuske

wer Verlag [19731. 04 S. gr. 8° = Aufsätze und Vorträge

J-ur Theologie und Religionswissenschaft, hrsg. v. E. , „ . ..___„„..„„ _„

Schott u H Urner 60 JfeM», Günter: Die Macht des ohnmächtigen Gottes. Pre-

• digten. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1973]. Lizenzaus-

A"f diese Schrift H.s war man gespannt, hatte er sich gabe Gottmgen: Vandenhoeck & Ruprecht 1973. 116 S.

°eh schon 1970 in seinem Aufsatz „Elementare Verkün- 8° Lw M 5 80

ÄÄn^uÄ" home^e^slS Die Feststellung, daß gegenwärtig die „Christenheit

wür,i« i'Kuim /.ugewanui. «IHM . ..... woni die tiefste Kr se ihrer gesamten bisherigen Ge-

^Z:zxitui r?ssrHoffnung 2 »*>—s ^5 be-