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Ausgabe:

1975

Spalte:

289-291

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Von den Anfängen bis zum Tridentinum 1975

Rezensent:

Ruhbach, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 4

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Außenstehenden, eine Zurückhaltung in der Beurteilung
der .Unierten'" verlangte, „— auch wenn er natürlich die
in diesen Unionen immer wieder erfolgte Latinisierung
der Orientalen unumwunden beklagte. Aber die Beschäftigung
mit den sog. Unierten hat ihn zu größerer Klarheit
in Fragen kirchlicher Einigung überhaupt geführt" (S.XI).
Wer das von integrem Enthusiasmus getragene ökumenische
Engagement Heilers der dreißiger Jahre noch kennt,
wird diese Worte unbedingt bestätigen.

Unbestreitbar ist und anerkennenswert die große Mühe
, die Anne Marie Heiler und Hans Hartog an die „Komposition
" des „neuen Heiler" verwendet haben. Aber es
ist immer wieder das alte Lied: Sollte man solche Werke,
wie „Urkirche und Ostkirche", das zu den klassischen
Werken protestantischer Theologie des 19. Jahrhunderts
gehört, nicht doch besser als Reprint herausgeben, diesem
eine gründliche Einleitung und einen Anhang mit den
notwendigsten Neuinformationen und der neuen Literatur
beigeben und damit den Charakter seiner Einmaligkeit
erhalten, wie man es mit dem ersten großen Werk
Friedrich Heilers von 1918 „Das Gebet", München/Basel
1969, getan hat?

Halle/Saale Konrad Onasch

Mirbt, Carl, u. Kurt Aland: Quellen zur Geschichte des
Papsttums und des Römischen Katholizismus. 1. bis 5.

Aufl., hrsg. v. C. Mirbt, 6., völlig neu bearb. Aufl. v. K.
Aland. I: Von den Anfängen bis zum Tridentinum. Tübingen
: Mohr 1967. LVI, 693 S. gr. 8". DM 69,-; Lw.
DM 76,-.

Am 27. September 1929 war Carl Mirbt in Göttingen
gestorben, 5 Jahre nach dem Erscheinen der 4. Auflage
seiner erheblich erweiterten Quellensammlung zur Geschichte
des Papsttums und des römischen Katholizismus.
Die 5. Auflage kam 1934,5 Jahre nach seinem Tod, heraus
und konnte nur ein unveränderter Nachdruck sein. Wie
sehr sie einem Bedürfnis entsprach, zeigt der Umstand,
daß sie bereits 1945 vergriffen war. Nicht einmal die
rasch aufeinanderfolgenden Auflagen des Enchiridion
Symbolorum Denzingers (13.—27. Ausgabe von J. B. Um-
berger 1921-1951, 28.-31. Ausgabe von K. Rahner 1952
bis 1957, 32.-33., in gründlicher Durchsicht besorgte Ausgabe
von A. Schönmetzer bis 1965) konnten das Werk
Mirbts ersetzen. Die seit langem geforderte und 1967 endlich
erschienene Neuauflage der 1. Hälfte versprach, eine
empfindliche Lücke des theologischen Bücherbestandes
zu schließen. K. Aland und seine Helfer haben erhebliche
Mühe an das Werk gewandt und sich dadurch den
Dank des Lesers verdient.

Die doppelte Zielrichtung, wie sie bereits Mirbt im
Auge hatte, ist auch von Aland festgehalten. Im Unterschied
zu den 489 Nummern der 4. (und 5.) Auflage
Mirbts, soweit sie bis zum Tridentinum einschließlich
reicht, legt aber Aland in dem vorliegenden ersten Band
1094 Nummern vor und hat damit die Seitenzahl von
347 auf nunmehr 693 vermehrt. Allerdings sind die neuen
Textstücke in der „Synoptischen Übersicht" (S. IL—LI)
nur mit Schwierigkeiten festzustellen, da sie „nicht besonders
genannt" sind (S. IL). Bei Denzinger-Schönmet-
zer ist ein derartiger Index vertretbar, da bei jedem
Textstück am inneren Rand die frühere, am äußeren
Rand die neue Bezifferung steht. Hätte die Neuauflage
des Mirbt-Aland diese Anordnung nicht auch übernehmen
können?

Erfüllen nun die rund 600 neuen Textnummern, die in
der Titelgebung versprochene Umgrenzung? Einiges ist
zu den weggefallenen Stücken zu sagen: Mit der Streichung
von Nr. 15—19 sind wesentliche Grundlagen der
weiteren Entwicklung dem Blick des Lesers entzogen.
Besonders zu bedauern ist der Wegfall des Briefwechsels
zwischen Plinius und Trajan, da an ihm die Form

der altrömischen, später auch von der Kirche übernommenen
Gesetzgebung instruktiv studiert werden konnte.
Und warum fehlen die Agapengebete (Nr. 19) und die Justin
-Texte? So ließe sich weiter fragen bis hin zu der
Streichung der wichtigen Auszüge aus Dantes de Monar-
chia (Nr. 376).

Dafür sind viele Texte neu aufgenommen worden, die
jedem Leser ohne weiteres zugänglich sind: die zahlreichen
Stellen aus dem Neuen Testament und den apostolischen
Vätern und vor allem die langen Zitate aus der
Summa theologiae (nicht: Summa theologica!) des Thomas
von Aquin. Dankbar ist der Benutzer für die zahlreichen
neuen Texte zur Geschichte des römischen Bistums
in der alten Kirche, zum Ketzertaufstreit, zu den
Synodalentscheidungen, aber auch zu Theologen wie Ter-
tullian, Origenes und Augustin, an die man immer noch
nicht allzugut herankommt. Allerdings verwundert, daß
die Nummern 162 und 163 über die civitas dei und civitas
terrena, die für das Verhältnis von imperium und sacer-
dotium im Mittelalter von großer Bedeutung geworden
sind, ersatzlos gestrichen wurden. Zu den das Mittelalter
betreffenden Texten hat H. Fuhrmann (ZKG 79, 1968,
S. 198ff.) das Nötige gesagt. Lediglich seinem Bedauern, daß
abgesehen von dem Aquinaten (und auch aus ihm keine
Stücke aus der wichtigen summa contra gentiles) fast keine
neuen Texte hinzugekommen sind, sei nochmals Ausdruck
verliehen. Der Kampf der Pariser Fakultät gegen
den Thomismus mit den Beschlüssen der Pariser Synoden
von 1270 und 1277, in denen besonders die thomistische
Behauptung der doppelten Wahrheit verurteilt wurde,
hätte im neuen Mirbt nicht fehlen dürfen. Ebenso hätten
wenigstens einige Texte aus dem Correctorium fratris
Thomae des Wilhelm de la Mare angeschlossen werden
sollen, um den jahrhundertelangen Kampf der Franziskaner
gegen den Thomismus anzudeuten, der im Ocka-
mismus endete, aus dem Luther wahrscheinlich eine
erste Prägung seiner Theologie erhielt.

Für die Reformationszeit begrüßenswert ist der vollständige
Abdruck sowohl der beiden päpstlichen Bannbullen
gegen Luther, die Wiedergabe wichtiger Stücke
aus der Confutatio, für die es immer noch keinen verfügbaren
Text gibt, die Aufnahme umfangreicher Abschnitte
aus Ignatius' exercitia spiritualia, bei denen der spanische
Text allerdings entbehrlich gewesen wäre, und die
um vieles erweiterten Stücke vom Trienter Konzil (56V2
Seiten statt 46V2 Seiten) und dem Catechismus Romanus
(38 Seiten statt 5 Seiten). Dafür hat Aland auf profane
Texte wie die Gravamina der deutschen Nation (Nr.
428), das Wormser Edikt (Nr. 419), die Reichstagsabschiede
von Speyer I und II (Nr. 421 und 422) und den
Augsburger Religionsfrieden (Nr. 437) verzichtet, obwohl
die Stellungnahme Karls V. zu diesem Ereignis wiedergegeben
wird. Angesichts der Tatsache, daß heute die Verflechtung
von politischer Geschichte und Kirchengeschichte
immer stärker ins Auge gefaßt wird, bedauert
der Benutzer diese Entscheidung.

Natürlich wird sich über eine Textausgabe wie die
vorliegende immer diskutieren lassen, und die Mühe, die
Aland an die Überarbeitung gewandt hat, soll nicht im
geringsten herabgesetzt werden. Allerdings erhebt sich
die Frage, für welche Benutzer der neue Mirbt gedacht
ist. Dem Gelehrten sind die meisten Texte heute, anders
als in früheren Zeiten, durch eine Vielzahl guter
Editionen, Auswahlausgaben und nicht zuletzt die früheren
Auflagen des Mirbt ohne Schwierigkeiten zugänglich.
Für den Studenten und Praktiker, der mit diesen Texten
immer wieder arbeiten sollte, dürfte der Umfang der
Ausgabe zu gewaltig und der Verkaufspreis zu hoch sein,
zumal wenn man den zweiten Band noch hinzunimmt.
Für Seminarübungen wird man sich daher weiterhin anders
behelfen müssen; betrüblich genug für jeden, der
die Neuauflage lange erwartet hat.