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Ausgabe:

1975

Spalte:

283

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Campanella, Tommaso

Titel/Untertitel:

La prefezia di Cristo[Rezension] 1975

Rezensent:

Molnár, Amedeo

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283

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 4

284

Campanella, Tommaso: La prefezla di Crlsto, inediti

Theologicorum Liber XXV, testo critico e traduzione a
cura di R. Amerio. Roma: Centro Internazionale di
Studi Umanistici, Edizioni Rinascimento 1973. 224 S. gr.
8° = Edizione Nazionale dei Classici del Pensiero Ita-
liano, Serie 11,30.

Mehr als zehn Jahre (1613—1624) brauchte T. Campanella
, um die 30 Bände seiner riesigen „Theologie" fertigzuschreiben
. Als eben die Dekade verflossen war, entstand
, immer in Neapel, wo der Dominikaner unter spanischer
Aufsicht im Kerker des Castel Nuovo weilte, der
25. Band des Ganzen, „De dictis Christi Prophetae" betitelt
und dem prophetischen Amte Christi gewidmet.
R. Amerio verdanken wir nun die Erstausgabe dieses
apokalyptischen Aufsatzes wie schon der meisten Bücher
der Theologie Campanells, die der fleißige Forscher seit
1949 betreut. Ihrer inhaltlichen Seite widmete er vor
einigen Jahren sein „Sistema teologico di T. Campanella"
(Milano 1970).

Im sokratischen Sinne, meint Campanella, ist die Pro-
phetie für jede verfassungsmäßige Gesellschaft notwendig
, im besonderen Sinne ist sie es aber für die Kirche,
indem sie im heiligen Geiste auf das eigentliche Wort
Christi zurückweist (S. 12, wo ein Hinweis auf Joh 14,26
erforderlich gewesen wäre). In der Patristik hat das prophetische
Amt Christi ein monographisches Interesse
eigentlich nur in den Pseudo-Klementinen geweckt, worauf
C. mit Recht aufmerksam macht. Neben den bereits
realisierten Voraussagen bleiben andere noch aus, so besonders
die der zwei adventus, wobei Christus zuerst den
Antichristen besiegen, dann selbst zum Richter über Lebendige
und Toten kommen wird. Die Parusieverzöge-
rung darf uns nicht täuschen. Auch im Jahr 1623 ist das
letzte Bibelbuch zu lesen ungeachtet der Geringschät-
zung, die ihm von Seiten der Reformatoren wie auch der
Katholiken entgegengebracht wird. Ist die Offenbarung
Johannis eine Rekapitulation aller Prophetie, muß ihre
Deutung dem Wesen der Prophetie Rechnung tragen. Für
C. ist dies Wesen Funktion einer Welt, die im Werden begriffen
ist, mundus in fieri. Die Offenbarungsurkunde beinhaltet
die Summe prophetischer Symbolik, die um die
Weltreformation kreist, welche im Schöße der Kirche geboren
wird: Ecclesia parturit semen reformationis mundi.

Als überzeugter Chiliast gewährt C. der Welt ein siebentes
Millenium des Reiches Christi, das dann im achten
Millenium in den Himmel emporgehoben wird. Seit 1603
glaubt C. im sechsten Zeitalter sich zu befinden, in dem
die Tötung der Kirche durch den Antichristen für 1632 zu
erwarten wäre (S. 161). Zu Fall werden Papsttum und
Kardinäle kommen, nicht jedoch die römische Kirche
quatenus est Ecclesia Dei (S. 206). Dies soll nicht im wy-
clifltischen Sinne verstanden werden, als ob sündige
Menschen ihren Herrschaftsanspruch verloren hätten
(S. 205), wohl aber so, daß sie einer historischen Strafe
nicht entgehen werden.

Die Edition ist besonders willkommen als hervorragender
Zeuge der chiliastisch gefärbten eschatologischen
Stimmung unter den Gebildeten des 17. Jahrhunderts.
Für das Herausarbeiten der Stellung Campanellas zu der
Reformation und zu seinen Zeitgenossen bietet der Text
viel Material. Die Anmerkungen des Herausgebers beschränken
sich auf das nötigste Minimum, und es ist
schade, daß im Register einige wichtige Namen nicht
vorkommen (so z. B. Wyclif 214). Der lateinische Originaltext
ist synoptisch von einer sorgfältigen und zuverlässigen
Übersetzung ins Italienische begleitet.

Prag Amedeo Molnär

Bellardi, Werner: Bucers „Summarischer Vergriff" und
das Interim in Straßburg (ZKG 85, 1974 S. 64-76).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Rowell, Geoffrey: Hell and the Victorians. A study of the
nineteenth-century theological controversies concern-
ing eternal punishment and the future life. Oxford:
Clarendon Press; London: Oxford University Press
1974. XII, 242 S. 8°. Lw. £4.85.

Während in der Gegenwart die theologische Erörterung
eschatologischer Fragen im traditionellen Sinne allgemein
nur eine geringe Rolle spielt, wurden die englischen
Kirchen im 19. Jh. immer wieder von Streitigkeiten
über eschatologische Probleme erschüttert. Dies hing eng
mit der Krise kalvinistischer Grundüberzeugungen und
der Verbreitung moderner naturwissenschaftlicher Lehren
, aber auch mit optimistischer Grundstimmung, Fortschrittsideen
und juristischen Reformgedanken zusammen
, die vor allem die Annahme einer ewigen Höllenstrafe
für die von Gott Verworfenen zunehmend unerträglich
werden ließ. Der Oxforder Gelehrte Geoffrey
Rowell bietet dem Leser des vorliegenden Buches einen
vorzüglichen Uberblick über die Vielzahl von Versuchen,
diese Krise zu überwinden, und informiert über die durch
die einzelnen Standpunkte ausgelösten Debatten, die gelegentlich
auch zu Verurteilungen und Amtsenthebungen
führten. Das Buch, das auf seinem Schutzumschlag eines
der Gerichtsgemälde John Martins (1789—1854) wiedergibt
, die damals in England und den USA Scharen von
Menschen anzogen, besticht durch seine Sachlichkeit und
gute Übersichtlichkeit sowie durch seinen Materialreichtum
. Nach einer Einführung und einem kurzen, aber gut
auf die Hauptfragen lenkenden Abriß der historischen
Entwicklung der christlichen Eschatologie behandelt Rowell
in Einzelkapiteln die unterschiedlichen eschatologischen
Richtungen im England des 19. Jh. und gelangt dabei
etwa zu folgendem Ergebnis:

Die Unitarier griffen als erste die traditionelle, besonders
vom Kalvinismus gespeiste Höllenlehre an und vertraten
schon gegen Ende des 18. Jh.s antidualistisch-
universalistische Überzeugungen. Die frühen Unitarier
(David Hartley, Joseph Priestley, Richard Wright, Henry
Giles) verbanden dabei ihren optimistischen nichttrini-
tarischen Theismus mit einer mechanistisch-materialistischen
Psychologie, was sie die Körperlichkeit auch der
künftigen Existenz gegen die übliche Lehre von der Unsterblichkeit
der Seele und den Zusammenhang von
menschlichem und tierischem Leben betonen ließ. Da sie
an die unendliche Güte Gottes glaubten, konnte Gottes
Strafe für sie nur erzieherische Bedeutung besitzen,
wobei sie sich zunächst vor allem auf die Bibel beriefen,
die freilich nicht wörtlich und metaphysisch, sondern
geistlich verstanden werden sollte. Eine gewisse Eintönigkeit
ihrer vorwiegend rationalen Beweisführung
wurde nicht nur von den Gegnern scharf kritisiert, sondern
auch vom US-Transzendentalisten William Ellery
Channing empfunden, unter dessen Einfluß James Marti -
neau die unitarische Theologie mit einer praktischen und
ethisch akzentuierten Herzensreligion verband, die zeitweise
auch Francis W. Newman, den Bruder des bekannten
Konvertiten, in ihren Bann schlug.

Gemäßigter war Samuel Taylor Coleridge, der Ideen
deutscher idealistischer Philosophen in England bekanntmachte
und sich noch stärker auf existentielle menschliche
Erfahrungen berief. Er wandte sich gleichermaßen
gegen einen deterministisch-materialistischen Universalismus
und Pantheismus wie gegen den Kalvinismus.
Unter seinem Einfluß unterstrichen Thomas Erskine of
Liniathen, F. W. Robertson und besonders Frederick
Denison Maurice die existentielle präsentische Erfahrung
von Himmel oder Hölle schon im Erdenleben und
verstanden folgerichtig das ewige Leben nicht als Leben
von endloser zeltlicher Erstreckung, sondern von beson-